Dienstag, 22. Juni 2010

Über die Verjährung von Ansprüchen im Abmahnwahn - II

Im letzten Jahr konnte ich über die komplizierte Thematik der Wirkung von nicht zugestellten, aber beantragten Mahnbescheiden auf die Verjährung im Abmahnwahn berichten. Dies betraf also Fälle in denen die Abgemahnten nichts erhielten und daher nicht wußten, dass im Hintergrund noch ein Rechtsstreit droht. Daraus wurde der "Leitsatz" abgeleitet:

"Der endgültige und 100%-sichere Zeitpunkt, an dem eine Verjährung eintritt kann nicht auf den 31.12. eines Jahres gelegt werden. Es drohen dann immer noch unangenehme Überraschungen. Richtig sicher ist man erst zum 01.07. des 4ten Jahres + einige Tage mögliche verspätete Zustellung. Wer also 2008 eine Abmahnung erhalten hat, kann sich erst ab dem 15.07.2012 beginnen sich richtig zu freuen, wenn bis dahin nichts eingetroffen ist."

Im Rahmen meiner "jährlichen Fortbildung zum Thema" konnte nun mit dem Herrn Rechtsanwalt Volker Küpperbusch, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz der Kanzlei Dr. Stracke, Bubenzer & Kollegen, Bielefeld ein konkreteres und einfaches Berechnungsbeispiel erarbeitet werden mit dem ein Abgemahnter der einen Mahnbescheid erhalten hat selbst seine eigene Position im Bereich der Verjährung fest legen kann.

Natürlich ersetzt dieses Modell nicht die erneute Prüfung im Einzelfall über einen qualifizierten Rechtsanwalt. Es gilt seltselbstverständlich hierbei auch zu beachten, dass weitere Regeln gelten. So kann beispielsweise allein der Kontakt zu einem Abmahner eventuell als Verhandlung über die Angelegenheit mit negativem Einfluß auf die Verjährungszeit gewertet werden. Der Modellfall gilt daher nur für Personen, die nach dem Erhalt eines Mahnbescheides nur einen Widerspruch abgaben und sich nicht weiter äußerten.

Die Wirkung der "Hemmung durch Rechtsverfolgung" - Berechnungsbeispiel

Wird von einem Abmahner ein Mahnbescheid rechtzeitig vor dem Eintritt der Verjährung beantragt und zugestellt tritt § 204 BGB, Abs. 1, Art. 3 ein. Die Verjährung wird gehemmt.

Fallbeispiel: Ein Internetanschlußinhaber erhält am 17.12.2006 eine Abmahnung. Damit ist klar das der Rechteinhaber Kentnis von den personenbezogenen Daten des Anschlußinhabers im Jahr 2006 erlangt hat. Eine Verjährung tritt demnach am 01.01.2010 um 00:00 Uhr ein, denn die regelmäßige Verjährung tritt am Ende des dritten Jahres nach Kentniserlangung ein. Ist im Übrigen unklar wann der Rechteinhaber Kentnis von den personenbezogenen Daten des Anschlußinhabers erhalten hat, wenn zB die Abmahnung zum 20.01.2007 ausgestellt ist und keine näheren Angaben in der Abmahnung stehen sollte man sicherheitshalber immer das Folgejahr annehmen. Natürlich kann man auch versuchen sich die genauen Daten von den STAs oder dem Auskunftsgericht einzuholen.

Nun aber erhält der abgemahnte Anschlußinhaber vor dem Ende der Verjährung am 01.04.2009 einen Mahnbescheid. Die Verjährung wird gehemmt. Er gibt einen Widerspruch per Vordruck am 08.04.2009 ab. Der Widerspruch wird an den Abmahner versandt. Nur in der Regel - Im Einzelfall zu überprüfen - erhält der Abmahner bis ca. 15.04.2009 Nachricht von dem Widerspruch. Danach geschieht nichts mehr, oder wie bei Inkasso-Abmahnern treffen erneute Schreiben ein, die jedoch nicht zählen, denn solche Schreiben gelten nicht als Verfahrenshandlung nach § 204 BGB, Abs. 2, Satz 1 und 2.

Damit kann nun der Anschlußinhaber das Ende der Hemmung (endet 6 Monate) selbst ausrechnen. Letzte Verfahrenshandlung Zustellung des Widerspruchs ca. 15.04.2009 + 6 Monate = ca. 15.10.2009.

Auswirkungen der Hemmung auf die Verjährung

§ 209 BGB - Wirkung der Hemmung

"Der Zeitraum, während dessen die Verjährung gehemmt ist, wird in die Verjährungsfrist nicht eingerechnet." = Die Verjährungsfrist ist in konkreter Berechnung um die Hemmungszeit zu verlängern.

Ist also die Zeit der Hemmung am 15.10.2009 beendet muß die gesamte Zeit der Hemmung ermittelt werden. Im Beispielfall also vom 01.04.2009 bis zum 15.10.2009 = 6,5 Monate. Es gibt jedoch auch Sonderfälle zu beachten -Einzelfallprüfung- in denen bereits der Antrag auf einen Mahnbescheid als Datum heran gezogen werden muß (Zustellungsprobleme, Behördenfehler, etc.) Man erkennt jedoch zB am Datum des Antrags im Mahnbescheid ob alles "glatt gelaufen ist".

Diese 6,5 Monate müssen nun zu dem Datum an dem die Verjährung endet addiert werden!

Im Beispielfall also vom 31.12.2009 + 6,5 Monate = 16.07.2010! Die Verjährung tritt also nicht am 01.01.2010 ein. Bis zu diesem Datum wäre damit natürlich die Wiederaufnahme des Verfahrens möglich, so zum Beispiel über eine Klagebegründung die an das Streitgericht versandt wird.

Bei Sonderfällen wie denjenigen am AG München, bei denen das Datum des Antrags relevant wurde und keine Zustellung erfolgte, also der Abgemahnte überhaupt nichts von der Sache mitbekam belief sich diese Zeit der Hemmung jedoch auf ganze 9 Monate. (Antrag ca. 04.12.2008 - letzte Verfahrenshandlung 04.03.2009 = 3 Monate + 6 Monate).

Zum Abschluß nochmal der Hinweis:
- Wer keine Klageschrift erhalten hat kann sich in etwa ausrechnen welche Position er ungefähr im Bereich der Verjährung einnimmt.
- Wer eine Klageschrift erhalten hat muß diese Position in Verbindung mit einem qualifizierten Rechtsanwalt noch einmal neu und verbindlich fest legen.

Samstag, 19. Juni 2010

Update Strafanzeige "Üble Nachrede"

Update zum 29.06.2010 - Es wurde vor dem Obergericht des Kantons gegen die Einstellung Beschwerde eingelegt.

Aber wie! Die STA erläutert in der Einstellungverfügung den Erhalt einer email in deren Anlage sich eine eidesstattliche Versicherung eines Rechtsanwalts befand. Die STA bezeichnet dies als "Hinweis" des Rechtsanwalts, der ausreiche einen Tatverdacht zu begründen. Kein Wunder, handelt es sich doch um die Übersetzung einer eidestattlichen Versicherung eines Markenrechtsinhabers bezüglich der streitgegenständlichen Uhren. Dies verpackt in einen Beschluss des Landgerichts Frankfurt, debebst den kompletten Antrag auf eine Einstweilige Verfügung. Ein "Hinweis". Und sicher nicht der schlechtste.

Die Beschwerde macht nun geltend das dieses Dokument nicht in einem Schreiben vom 14.04.2009 vorgelegt worden und das Beweiswert dieses Dokuments im Übrigen äusserst fraglich ist (wäre), da keine eigenen Wahrnehmungen dargestellt würden, sondern sich der Verfasser des Schreibens vom 14.04.2009 ausschliesslich auf, die Ausserungen Dritter abstützten würde.

Schreiben: "Wie durch die beiliegenden eidestattlichen Versicherungen der gesetzlichen Vertreter der Firma XXX, in der Folge Firma „XXX“ genannt, aus dem Gerichtsbeschluß LG Frankfurt, Az: 2-06 O xxx/09 vom 03.03.2009 bekannt, und ggfs. durch die vorhandenen Sachbeweise belegbar ist von Seiten der Firma xxx von einem begründeten Anfangsverdacht auszugehen, laberlaber.

Also das hatten wir hier auch noch nicht. Frankfurter Richterbeschlüsse dürfen nicht nicht in Strafanzeigen verwendet werden. Und wer einen Richter-Beschluß gelesen hat darf die Inhalte nicht als eigene Wahrnehmung darstellen.

Am 09.03.2010 wurde auf diesem blog von einer Strafanzeige wegen Übler Nachrede berichtet.

Zum 09.06.2010 ist nun eine Einstellungsverfügung der zuständigen Staatsanwaltschaft erfolgt.

In den "rechtlichen Erwägungen" zur Einstellungsverfügung führt die STA interessanter Weise ausführlich aus, dass nach bundesrechtlicher Rechtsprechung zwar eine Strafanzeige kein Freipass für ehrverletzende Äußerungen sei. Damit jedoch das Recht, eine Anzeige zu erstatten, gewährleistet sei dürfen hingegen keine strengen Anforderungen an den Gutglaubensbeweis des von einer Ehrverletzungsklage betroffenen Anzeigenerstatters gestellt werden. Denn wenn zuerst verlangt würde, dass der Anzeigenerstatter selber untersuche, ob die zur Anzeige gebrachten Vorfälle sich tatsächlich so ereignet haben, so würde dies eine erhebliche Einschränkung des Anzeigenrechts bedeuten.

Die Staatsanwaltschaft stellte im vorliegenden Fall ab, dass bereits eine Versicherung an Eides Statt eines Rechtsanwalts einen genügenden Tatverdacht begründen könne, um eine Strafanzeige (als Geschädigter) zu stellen. Nach Art. 173 Ziff. 2 StGB (Schweiz) müsse es für den Gutglaubensbeweis ausreichen, wenn ein Anzeigenerstatter ausreichend dartun kann, dass er in guten Treuen die vorgebrachten ernsthaften Verdachtsmomente bejahe. Nachforschungen, ob sich der Verdacht als richtig erweist könnten nicht verlangt werden (BGE 116 IV 205 Erw. 2c n.w.N)

Im weiteren Verlauf stellt die Staatsanwaltschaft auf die nicht eingestellte Strafanzeige und zwischenzeitliche Zwangsmaßnahmen gegen den Bestrafanzeigten ab. Damit wäre dargetan, dass ernsthafte Verdachtsgründe vorgelegen hätten und vorliegen, die auch die Einleitung einer Strafuntersuchung rechtfertigten würden.

Kostenfolge

Dem Strafanzeiger ("Üble Nachrede")wurden die aufgelaufenen Kosten des Verfahrens vollständig auferlegt. Dem Beschuldigten ("Üble Nachrede") wurden zudem eine Entschädigung in Höhe von CHF 450 (317,35€) für "Kosten und Umtriebe" zugesprochen.

Dienstag, 15. Juni 2010

heintschbeitrag

Und wieder weg...

Mittwoch, 9. Juni 2010

§ 97a UrhG, Absatz 2 - Update

§ 97a UrhG, Absatz 2
(2) Der Ersatz der erforderlichen Aufwendungen für die Inanspruchnahme anwaltlicher Dienstleistungen für die erstmalige Abmahnung beschränkt sich in einfach gelagerten Fällen mit einer nur unerheblichen Rechtsverletzung außerhalb des geschäftlichen Verkehrs auf 100 Euro.

Ein neueres Dokument von Seiten der 3p-digiprotect-Anwaltskanzlei kann heute diskutiert werden.

Rechtsanwalt Malte Dedden aus Kehl berichtet von modifizierten Abmahnungen der Kanzlei Kornmeier. Es wird zitiert: „Zwar hat der BGH mit Urteil vom 12.05.2010 (AZ I ZR 121/08) anlässlich eines Falles, der vor der Einführung von § 97a Abs. 2 UrhG zu entscheiden war, die fiktive Anwendung von § 97a Abs. 2 UrhG bejaht. Gegenstand dieses Falles war jedoch nur ein einzelner Singletonträger und nicht ein Langspieltonträger.“ - Dies ist vollständig falsch. Der Gegenstand eines Verfahren wird stets von den Parteien bestimmt. Diese legen über die sog. Anträge fest über was das Gericht bestimmen soll. Die Rechtsprechung hierzu ist eindeutig: "Ein Gericht entscheidet unter Verstoß gegen § 308 Abs. 1 ZPO über etwas anderes, als beantragt ist, wenn es seinem Urteilsausspruch über einen Unterlassungsantrag einen anderen Klagegrund zugrunde legt als denjenigen, mit dem der Kläger seinen Antrag begründet hat." [BGH, Urteil vom 03.04.2003, Az: I ZR 1/01] Kein Gericht (mit wenigen Ausnahmekonstellationen, zB Schmerzensgeld, etc.) kann rechtskonform einer Partei mehr zusprechen als beantragt wurde. Weniger jedoch immer.

Dies geschieht offensichtlich im BGH-Urteil vom 12.05.2010 in doppelter Hinsicht.

- Der Klägerin steht anders als in den regelmäßig auftauchenden fehlerhaften Klagebegründungen, die von allen Frankfurter Instanzen entweder direkt oder gar inkorrekt wieder gegeben wurden kein Unterlassungsanspruch in der beantragten Form zu. Der Sachverhalt besteht nicht (Beispiel) in der angeblichen Verbreitung eines Tonträgers, sondern in der Verbreitung einer einzelnen Musikaufnahme. Die Behauptung der Kanzlei Kornmeier dieser Gegenstand wäre von Beginn an zur Debatte gestanden ist absolut falsch.

- Zudem verfügt der BGH eine Änderung des Unterlassungsanspruchs auf die vorliegende konkrete Verletzungsform. [vgl. Urteil vom 12.05.2010 ab Rn37]

Wie jedoch RA Malte Dedden notiert hat sich an der seltsamen Praxis im Hause Kornmeier nichts geändert: "Die Argumentation der Kollegen mag aber auch auf eine Verwechslung zurückzuführen sein: der gerügte Verstoß betrifft einen Sampler, der beigefügte Entwurf einer Unterlassungserklärung jedoch ein Album der betreffenden Künstlerin." Dies ist natürlich das untrügliche Zeichen das diese Kanzlei die Anwendung gelten Rechts ablehnt und weiterhin auf der Unterzeichnung von Unterlassungserklärungen besteht die nicht in der geforderten Art und Weise auf die konkreten Rechtsverletzungen Bezug nehmen [vgl. LG Köln, Beschluss vom 25.05.2010, Az. 28 O 168/10 und LG Frankfurt, Urteil vom 25.11.2009, Az.: 2-6 O 411/09] Damit ist von einer Unterzeichnung dieses Dokuments grundsätzlich abzusehen und eine modifizierte Unterlassungserklärung mit dem genauen Umfang der fest gestellten Rechtsverletzung zu erstellen.

Hiebei wird aber nun die Kostenfrage wichtig. Die Kanzlei Kornmeier verkennt, dass ihre fort geführte Praxis Privathaushalte in eine unnötige Kostensituation bringt. Statt per Anwendung des § 97a UrhG, Abs. 2 den korrekten Betrag in einer one-Song-Abmahnung zu fordern und eine klare Unterlassungserklärung zu formulieren entstehen dem abgemahnten Internetanschlußinhaber Kosten die in den Bereich des zu erstattenden Schadensersatzes fallen. [vg. § 628 BGB, Abs. 2] Es ist hier stark zu vermuten das die Kanzlei Kornmeier sogar komplett ihre Zahlungsansprüche verliert. Nach ständiger Rechtsprechung des BGH verliert nämlich ein Rechtsanwalt seinen Vergütungsanspruch für bereits erbrachte Leistungen nach einer durch sein vertragswidriges Verhalten veranlassten Kündigung insbesondere dann, wenn ein neuer Anwalt bestellt werden muss, für den die gleichen Gebühren nochmals entstehen. [vgl. zB BGH, Urteil vom 23.04.2009, Az.: I ZR 167/07] Der BGH zum Sinn einer Abmahnung: "Der Anspruch auf Erstattung von Abmahnkosten gemäß §§ 677, 683 Satz 1, § 670 BGB setzt, wie das Berufungsgericht zutreffend angenommen hat, weiter voraus, dass die Abmahnung dem Interesse und dem wirklichen oder mutmaßlichen Willen des Abgemahnten entsprach. Diese Voraussetzung ist regelmäßig erfüllt, wenn der Abmahnende den Abgemahnten wegen dessen Rechtsverstoßes auch gerichtlich hätte auf Unterlassung in Anspruch nehmen können. Der Anspruch auf Erstattung der Abmahnkosten beruht auf der Erwägung, dass die berechtigte Abmahnung dem Schuldner zum Vorteil gereicht, weil der Gläubiger, der zunächst abmahnt, statt sofort Klage zu erheben oder einen Antrag auf Erlass einer einstweiligen Verfügung zu stellen, dem Schuldner damit die Möglichkeit gibt, eine gerichtliche Auseinandersetzung auf kostengünstige Weise durch Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung abzuwenden (BGH, Urt. v. 1.6.2006 - I ZR 167/03, GRUR 2007, 164 Tz. 12 = WRP 2007, 67 - Telefax-Werbung II)." [BGH, Urteil v. 18.07.2008, Az. I ZR 219/05] Die momentanen One-Song-Abmahnungen stellen eine definitv vertragswidrige Leistung dar.

Um zu diesem Bereich unnötige Spekulationen schon im Kern zu ersticken: Eher still und heimlich haben einige Personen eine solche Konstellation sehr erfolgreich - allerdings auf AG-Niveau- durchgespielt. Man wird sicherlich eine passende Gelegenheit finden die komplettierten Argumente dereinst vorzutragen.

Dienstag, 8. Juni 2010

LG Köln - 28 O 168/10

Heute wurde eine etwas unglückliche aber interessante Geschichte im Internet gestreut.

Vorgeschichte

"Wie dieses Urteil jedoch auf sogenannte "Erweiterte Modifizierte Unterlassungserklärungen" Auswirkungen zeitigt muß geprüft werden. Das Landgericht forderte ein Minimum an "Konkretisierung". Diese "könne" in einem Bezug auf "sämtliche Musikwerke" bestehen. Eine Spezifizierung auch in Richtung anderer Werkarten, die die Tauschbörsenverwertungsfirma abmahnt könnte ratsam erscheinen. Andererseits wurde nicht die Schöpfung "sämtliche Werke" beurteilt. Diese AusdrucksForm in den modifizierten Unterlassungserklärungen wurde bislang stets von der Unterlassungsgläubigerin angenommen!" [LG Frankfurt, Urteil vom 25.11.2009, Az.: 2-6 O 411/09]

Aktuell

Mit der Thematik der "Erweiterten Unterlassungserklärung" beschäftigte sich nun das Landgericht Köln. Unter Bezug auf das Vorläuferurteil aus Frankfurt betrachteten die Richter eine Formulierung "urheberrechtlich geschützte Werke des oben genannten Künstlers" als nicht ausreichend um eine Wiederholungsgefahr auszuschließen, da es an einer "Spezifizierung auf das Verletzungsobjekt" fehle. Sobald allein die Unterlassung im Rahmen der gesetzlichen Vorgabe des § 97 UrhG ausgedrückt werde enthielte eine solche Unterlassungserklärung "unklare Grenzen" in denen nicht ersichtlich sei in welcher Spezifizierung ein Vertragsstrafensanspruch zum Entfallen der Wiederholungsgefahr ausgelobt worden sei.

Eine zweite später abgegebene Unterlassungserklärung, eine sog. Titellisten-Unterlassungserklärung war offensichtlich handwerklich und faktisch schlecht zusammen gestellt. Diese wurde erst recht nicht anerkannt.

Im Unterlassungstenor führt das LG Köln hinwieder auf Antrag vor, wie eine genaue Unterlassungserklärung auszusehen habe: "Die Tonaufnahmen xxxx (Musikalbum) oder Teile dieser Tonaufnahme, sowie auf diesem Musikalbum befindliche Musikwerke" Es folgt eine Titelliste aus dem Album.

Links
Einstweilige Verfügung vom 31.03.2010
Prozesskostenhilfebescheid vom 25.05.2010

Anmerkungen

- Eine Entscheidung in der Hauptsache ist nicht erfolgt auch wenn die Ablehnung der PKH natürlich immer ein untrügliches Zeichen ist das die berüchtigte Kölner Kammer sich nicht erweichen lassen wird.

- Hauptkritikpunkt: Es ist allerdings zu unterstellen das der Verfügungskläger alle möglichen Arten in seinem langen Abmahnerleben angenommen hat. Es ist hier von einer Willkürmaßnahme auszugehen. Die Ungleichbehandlung von Abgemahnten (vgl. Urteilsserie OLG Hamm) erscheint mir rechtsmißbräuchlich.

- Zudem verstößt der Unterlassungstenor gegen die Regeln die das LG Köln dem Verfügungsbeklagten auferlegt. "... im Internet öffentlich zu machen" Da die konkrete Verletzungform sich auf "Dezentrale Netzwerke" beschränkt kann von einer grundlosen Erweiterung auf "das Internet" keine Rede sein.

- Ein denklogisches Monstrum der Absurdität findet sich jedoch am Ende des Unterlassungstenors. "...die Gelegenheit dazu zu bieten..." Ich leite aus diesem frommen Wunsch ab, dass das LG Köln einen baldigen Aufruf zum Kaufboykott der Produkte von Abmahnkünstlern verfügen wird, auf das man nicht mehr die Gelegenheit biete deren Werke rechtswidriger Weise zu veröffentlichen.

- Im PKH-Bescheid hingegen wird der mangelhafte Sachvortrag zum Thema Störerhaftung gerügt. Dies jedoch mit Kriterien die weiterhin ein mangelndes Technikverständniss der entscheidenden Richter offenbaren. Besonders ist wiederum der "Zusammenhang - Täterbezug" beispielhaft zu nennen. Aus dem Beschluß wird deutlich das es sich um ein Ehepaar handelt. Weitere berechtigte Nutzer sind nicht ersichtlich. Nun verfügen die Richter jedoch das der Ehemann und Anschlußinhaber für seine Ehefrau ein gesondertes und passwortgeschütztes Internetbenutzerkonto einzurichten habe. Eine Rechtsgrundlage hierfür wird nicht angegeben.

Auswirkungen

Besonderer Augenmerk wird weiterhin auf dem Bereich des Zweitschreibens liegen, welches Auskunft darüber gibt ob eine Unterlassungserklärung angenommen oder nicht angenommen wurde. Standardisierte UE-Modelle die sich an der Orginal-UE ausrichten sind hier weiterhin "geschützt". Erweiterungen sind immer gefährlich... selbst wenn sie von Rechtsanwälten hergestellt werden.

Das eigentliche Lehrstück aber ist: Im Frankfurter Fall ging es um eine konkrete zweite Abmahnung, sprich ob man sie zu bezahlen oder nicht zu bezahlen habe. In Köln jedoch ging es wohl eher um persönlich motivierte Skandalrappergelüstchen, der noch jede zusammengeorgelte Unterlassungserklärung annimmt solange bezahlt wird.

Montag, 7. Juni 2010

Besprechungen zu I ZR 121/08

Die drei wichtigsten Besprechungen zum Urteil des BGH vom 12.05.2010 "Herbst unserer Abmahnerexistenz" finden sich hier:

1. Das WLAN-Urteil des BGH und seine Auswirkungen auf offene Netze
Für das am 12.5.2010 (Urt. v. 12.5.2010 – I ZR 121/08 – Sommer unseres Lebens) verkündete Urteil des BGH zur Haftung des Inhabers eines Internetanschlusses mit WLAN liegt mittlerweile die Begründung vor, nachdem sich zuvor alle Äusserungen nur auf die Pressemitteilung des BGH bezogen konnten (s. den Volltext hier).
[Besprechung bei Retosphere.de]

2. Analyse: Der BGH, WLAN-Netze und die ungeliebte Störerhaftung
Heute wurde – freilich nicht durch den BGH auf der Webseite selbst – der Volltext des Urteils in Sachen WLAN und Störerhaftung bekannt. Das Urteil des BGH (I ZR 121/08) hatte schon mit der Pressemitteilung für viel Aufsehen gesorgt. Heute war es dann nochmal viel Furore, allerdings vor allem, weil Pressemitteilung und Urteil im Volltext gewisse Differenzen aufweisen. Ohne den Blick hierauf dürften die meisten Juristen vom Inhalt dann aber nicht mehr überrascht sein, eigentlich wird altbekanntes wieder gegeben. Die Hoffnung war bisher, dass das Althergebrachte mit diesem Urteil überholt sein würde – dem dürfte nicht so sein.
[Diplom-Jurist Jens Ferner]

3. Der BGH zur WLAN-Haftung
Am Mittwoch ist der Volltext des BGH-Urteils zur WLAN-Haftung bekannt geworden. Anders als noch die Pressemitteilung erwarten ließ, enthält das Urteil kein obiter dictum zu § 97a Abs. 2 UrhG. Auch sonst umgeht der BGH viele Punkte, die nicht nur für die Rechtswissenschaft und -Praxis interessant gewesen wären, sondern durchaus auch ergebnisrelevant.
[Simon Möller, Telemedicus]

Dazu das Interview "Es wird immer enger" bei Jungle World
Der Jurist Reto Mantz promovierte über die juristischen Aspekte von offenen Netzwerken und ist Mitglied in der Freifunk-Community, die sich für nicht-kommerzielle Funknetzwerke einsetzt. Zur Herstellung solcher Netzwerke stellen Nutzer ihren W-Lan-Router für den Datentransfer anderer Teilnehmer zur Verfügung. Fremden den Zugriff auf den eigenen Internetzugang zu erlauben, ist jedoch nach einer Entscheidung des Bundesgerichtshof riskant. Wer zulässt, dass andere über den eigenen Anschluss etwa illegal Musik herunterladen, macht sich unter Umständen strafbar.
[Jungle World]

Bezüglich des Interviews ist zu beachten, dass dieses auf dem Kenntnisstand der Pressemitteilung beruht, der sich durch die Urteilsbegruendung massgeblich geaendert hat.

Mittwoch, 2. Juni 2010

Kurzanalyse - BGH I ZR 121/08

Mittlerweile wird eine Version des Volltextes des BGH-Urteils vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08 im Internet verbreitet.

Fazit: Das Urteil darf in wesentlichen Teilen als verspäteter Aprilscherz gelten. Das nicht etwa abwertend gemeint. Das Urteil ist in seiner Logik perfekt und daher allerdings für den Gebrauch in Massenabmahnsystem in einem Kernpunkt in der Praxis nicht anwendbar. Vor Allem muß man aber enttäuscht sein da keinerlei Aussagen zu den Normalfällen zu finden sind.

I - Anspruch auf Unterlassung

Die Klägerin hatte in der Abmahnung und in allen Instanzen nach Feststellung einer Rechtsverletzung beantragt den Beklagten nach § 97 UrhG, Abs. 1 zu verpflichten.


Der BGH hat jedoch diesen Antrag logischer Weise verworfen.


Die "konkrete Verletzungsform" bezieht sich also auf den Betrieb eines nicht ausreichend geschützten W-LANs/Internetanschluß über den es zu einer Rechtsverletzung kam. Insofern ist auch die Pressemitteilung des BGH nun zu verstehen: "Der Beklagte haftet deshalb nach den Rechtsgrundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten (nach geltendem, im Streitfall aber noch nicht anwendbaren Recht fallen insofern maximal 100 € an)."

II - Auswirkungen

Damit sind natürlich schlicht jegliche Argumentationsmuster zur 100€-Deckelung zusammen gebrochen. Die Bemessung der Rechtsanwaltskosten hängt in erster Linie nicht davon ab ob ein Lied oder ein Album/Film/Hoppelwestern/Hörbuch über den Anschluß verbreitet wurde. Sie hängt von der konkreten Verletzungsform ab. Damit gehören eigentlich jegliche "alten" Abmahntextbausteine", aber nicht auch das übliche System der "modifizierten Unterlassungserklärung" in die Tonne. Es ist nämlich überhaupt nicht möglich nach diesem Urteil eine ausreichend umfassende "Orginal Unterlassungserklärung" herzustellen, denn der Abmahner kennt die "konkrete Verletzungform" nicht.

III - Zukunftsaufgabe

Spannend wird zu beobachten sein ob man nicht doch den "aussenstehenden Dritten" mit einem "internen Nutzungsberechtigten" gleich setzen kann wenn es um das Thema der ungenügenden Vorsorge geht. So wäre die "konkrete Verletzungsform" eines Anschlußinhabers dessen 16-jähriger Zögling eine Rechtsverletzung begeht eigentlich nicht anders zu werten.