Dienstag, 28. Februar 2012

Volltext AG München 142 C 10921/11, Urteil vom 15.02.2012

Was sich so einfach liest...






OLG Hamburg, Beschluss v. 13.02.2012 - Az.: 3 W 92/11

Dr. Martin Bahr

Vorbeugende P2P-Unterlassungserklärung an nicht mandatierten Rechtsanwalt wettbewerbswidrig

Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss v. 13.02.2012 - Az.: 3 W 92/11

Leitsatz:

Die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung im P2P-Bereich an eine nicht mandatierte Rechtsanwaltskanzlei stellt einen Wettbewerbsverstoß dar. Die vorzunehmende Abwägung der schutzwürdigen Rechtsgüter verbietet einen Eingriff in den anwaltlichen Geschäftsbetrieb.



Sachverhalt:

Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, hatte der Klägerin, einer Anwaltskanzlei, im Interesse seines Mandanten eine vorbeugende Unterlassungserklärung betreffend die Verletzung urheberrechtlich geschützter Werke (P2P-Urheberrechtsverletzung) zukommen lassen.

Seitens der Klägerin bestand indessen keinerlei Mandatsverhältnis zu dem in der Unterwerfungserklärung genannten Urheber.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.


Entscheidung:

Das Oberlandesgericht gab der Klägerin überwiegend Recht.

Das Verhalten des Beklagten stelle eine unzumutbare Belästigung im Sinne des Urheberrechts sowie einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Die Klägerin, die sich in Unkenntnis darüber befinde, wer Urheberrechtsinhaber sei und ob ein Mandatsverhältnis eines Rechteinhabers zu ihr bestehe, habe den Rechercheaufwand betreiben müssen, welcher zur Beurteilung der rechtlichen Relevanz der urheberrechtlichen Unterwerfung nötig sei.

Sie habe sich veranlasst gesehen, unter Aufbietung von personellen und sonstigen Ressourcen ihrerseits zu klären, ob die Unterwerfung ein mit den namentlich genannten oder auch nur über die genannten Werktitel ermittelbaren Rechteinhabern bestehendes Mandatsverhältnis betreffe.

Der Beklagte habe sich "auf Kosten" der Klägerin die Last der Klärung der tatsächlichen Grundlagen der Unterwerfung "erspart".

Mit dieser Verfahrensweise wirke der Beklagte zugunsten seiner eigenen geschäftlichen Tätigkeit auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin und deren Möglichkeit zur wettbewerblichen Entfaltung in relevanter Weise ein.

Die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Beklagten an der freien Wahl der für angebracht gehaltenen Mittel der anwaltlichen Vertretung und das Interesse der Klägerin, in der Ausübung ihres anwaltlichen Geschäftsbetriebs nicht durch die ressourcenzehrende Bearbeitung außerhalb bestehender Mandate ungezielt versandter vorbeugender Unterwerfungen behindert zu werden, streite zugunsten der Klägerin.

Es sei zunächst einmal Sache des für eine Urheberrechtsverletzung verantwortlichen, ggf. anwaltlich vertretenen Störers, die zur Rechtswahrung mittels Unterwerfung nötigen Tatsachen und Rechtsverhältnisse zu ermitteln. Diese Aufgabe obliege nicht dem Verletzten oder seinem Rechtsanwalt, schon gar nicht aber einem Rechtsanwalt, der durch den Verletzten nicht mandatiert sei.

Freitag, 24. Februar 2012

BVerfG, 24. Februar 2012, Az.: 1 BvR 1299/05

Zur Pressemitteilung Nr. 13/2012 vom 24. Februar 2012, 1 BvR 1299/05
Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und
Verwendung von Telekommunikationsdaten teilweise verfassungswidrig
Volltext

Selbstverständlich betreffen die Erklärungen des Bundesverfassungsgericht auch den Bereich der Filesharing-Abmahnungen. Hierzu sind drei Teilbereiche zu unterscheiden:

1. Zivilrechtliche Auskunftsverfahren nach § 101 UrhG, Abs. 9 sind nach der Maßgabe des BBVerfG weiterhin als verfassungskonform einzustufen.

--- § 101 Abs. 10 UrhG bezeichnet das eingeschränkte Grundrecht ausreichend. § 113 TKG nicht, wie das BVerfG rügt. Der Gesetzgeber muss das jeweilige Grundrecht, in das
eingegriffen wird, unter Angabe des Artikels nennen.

--- Für die Beauskunftung notwendige Daten befinden sich nicht genannten Bereich des § 113 TKG und "Zugangscodes" (wie also Passwörter für email-accounts) sind nicht betroffen.

Der BGH hat die Speicherung der IPs nach § 100 TKG, Abs. 1, erlaubt. Es besteht aber nicht wie zuvor (§ 113a TKG) die Pflicht einer Speicherung. Aus dem gespeicherten IP-Adressen-Pool können Datenabfragen und vorherige Sicherungen (die auch § 111 TKG betreffen würden) via Gerichtsbeschluss nach § 101 UrhG vorgenommen werden.

vgl. BGH, Urteil v. 13.01.2011, Az. III ZR 146/10

2. Hingegen wurden Auskunftsersuchen von Staatsanwaltschaften nach § 113 TKG, so wie man sie aus allen Filesharing-Fällen bis zur einrichtung des zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs zum 01.09.2009 her kennt als verfassungswidrig erklärt. Dennoch räumt das BverfG der Strafverfolgung hier Vorrang ein und erklärt das Gesetz nicht für nichtig, sondern befristet die Geltung bis zur geforderten Neuregelung zum 30.06.2013.

Beispiel eines STA-Auskunftsersuchens der STA Karlsruhe


3. Das BGH-Urteil "Sommer unseres Lebens"

Auf einem anderen Blatt steht die Sichtweise des BGH im Urteil vom 12.05.2010, Az.: I ZR 121/08:

"(2) Für die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden.

Auskünfte über den Namen des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers richten sich nach den Regelungen des Telekommunikationsgesetzes über die Bestandsdatenabfrage (LG Stuttgart MMR 2005, 624, 628; LG Hamburg MMR 2005, 711; LG Würzburg NStZ-RR 2006, 46; Sankol, MMR 2006, 361, 365; a. A. Bock in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 113 Rdn. 24; Bär, MMR 2005, 626). Es handelt sich nicht um Verkehrsdaten nach § 96 Abs. 1, § 113a TKG, die gemäß § 100g Abs. 2, § 100b Abs. 1 StPO nur auf richterliche Anordnung erhoben werden dürfen. Die Zuordnung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber enthält keine Aussage darüber, mit wem der Betreffende worüber und wie lange kommuniziert hat. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, die IP-Adressen von Anschlussinhabern als Bestandsdaten einzuordnen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung, BT-Drucks. 14/7008, S. 7; Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung …, BT-Drucks. 16/5846, S. 26 f.). Die Ermittlung des einer konkreten IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordneten Anschlussinhabers erfolgt daher auf der Grundlage der allgemeinen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 und § 163 StPO, so dass die Auskunft der Deutschen Telekom AG rechtmäßig eingeholt worden ist.
"

Die Auskunft ist nach dem Urteil des BverfG mitnichten rechtmäßig eingeholt worden, da sie auf einem verfassungswidrigen Artikel beruht. Da es noch Altfälle gibt, die aktuell verhandelt werden, sollte man durchaus diesen Punkt aufgreifen und bewerten lassen.

Allerdings fallen hier kaum Erfolgsaussichten an, wobei zu berücksichtigen ist, dass Loggerbuden wie die Ipoque GmbH, oder Mediaprotector "Nutzprofile" anhand der Zuordnungen und der Client-Kennungen der verwendeten emule-clients anlegen. Diese IP-Zuordnungen fallen definitiv in den Bereich "mit wem der Betreffende worüber und wie lange kommuniziert hat". Hierbei geht es also erneut um die Frage, ob ein Richtervorbehalt die nun klar gestellte Verfassungswidrigkeit des Vorgangs ätte heilen können, und ob ein Beweisverwertungsverbot für zusätzlich eingebrachtes Material besteht. (Datenabfragen beziehen sich stets auf einen konkreten Zeitpunkt, wie 01.01.2012 09:12 Uhr - Loggerbudenlisten umfassen ganze Zeiträume, teils über Monate hinweg.)

Montag, 20. Februar 2012

Amtsgericht München, Az. 142 C 10921/11 Urteil vom 15.2.2012 - Teil II

Dieser Beitrag stellt in den vorgestellten Kritikpunkten allein die Meinung des Autors dar.

In dem heutigen Update beschäftigt uns das Thema des Ablauf des Verfahrens und die Kostenbelastung für den Beklagten.

Vor und in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2011 hatten sowohl die Anwälte der Musikindustriellen, als auch die Richterschaft, trotz eindeutiger Beweislage dem Beklagten die Tathandlung in die Schuhe zu schieben. Es wurde gerügt, dass die Ausführungen zu einem von drei fraglichen Tatzeitpunkten, einem Sonntag nicht ausreichend substantiiert seien. Nun ist dies schon unlogisch, denn der Beklagte hatte für zwei weitere Tatzeitpunkte ein "lückenloses Alibi". Dieses "Alibi" in Form von relevanten Arbeitsnachweisen wurde von der Prozeßgegnerschaft als "gefälscht" hingestellt. Die halbstündige ZumVergleichsprügelei half aber nichts. Der Beklagte verweigerte sich. Die Richterschaft tendierte zu einem vollständigen negativen Urteil.

Kurz danach konnte er jedoch glücklicherweise alte Belege aus dem Jahr 2007 eines Baumarktes auffinden, die ihn an zwei Zeugen erinnerten, die an fraglichem unsubstantiiert vorgetragenen Tag mit ihm die Wohnung tapezierten. Die Gegenseite reagierte in Schriftsätzen erbost (gelinde gesagt).

Der Richter hingegen setzte kurzer Hand eine Beweisaufnahme an. In dieser sollten vier Zeugen gehört werden.
1. Die Ehefrau des Beklagten. Zur Erinnerung: Der eigentliche Täter, ein mittlerweile unbekannt verzogener ehemaliger Mieter war durch den Beklagten zum Zeitpunkt der Abmahnungen noch auffindbar. Die Ehefrau hatte die telefoischen "Verhandlungen" mit dem Täter geführt.
2. Zwei Zeugen, die den Termin "Tapezieren" bestätigen konnten wurden aus Raum Aschaffenburg geladen. Darüber mag man sich nun schon streiten.
3. Die Ladung einer Zeugin aber belegt nur, dass Filesharingverfahren an manchen Gerichten eben nichts mehr mit "Zivilrecht" zu tun haben. Das Gericht lud die Chefin des Beklagten, da ja allen Ernstes im Raum stand, er habe Arbeitszeitnachweise gefälscht.

Ein weiterer Kritikpunkt ist es, dass die Gegenseite zwar allerhand Versicherungen und Zeugen anbot, aber faktisch nichts ausser widersprüchlichen Belegen und den Daten der Auskunftsverfahren vorlegen musste.

Nach der Zeugenvernahme wurde nochmals unüblicher Weise über eine Viertelstunde ein Vergleich diskutiert. Der Richter zeigte sich nun plötzlich unentschlossen. Er musste aber letztlich nach der Beweisaufnahme dem Beklagten ein günstiges Urteil ausstellen. Wie noch gezeigt werden wird (Volltext) hat der Beklagte als Vermieter dem Mieter über die Internetnutzung eine schriftliche Anweisung bezüglich illegaler Aktivitäten an den Mietvertrag geheftet. Letztlich ein mitentscheidender Punkt.

Zur Kostenbelastung

Hätte der Beklagte verloren, wären ihm folgende Kosten allein in der ersten Instanz erwachsen:

1. Gegenstandwert = 1.728,00€
2. Rechtsanwaltskosten = 771,97€ nach RVG
3. Gerichtskosten = 219,00€
4. Zeugengelder = 1.600,00€ nach Vorschuss
5. Reisekosten = ca. 600,00€ (incl. Übernachtungskosten von 4 Personen)

Summe = 4.918,97€

Die Strategie den Beklagten finanziell mit ruinösen Kostenexplosionen in einen Vergleich zu treiben ging nicht auf.

Sonntag, 19. Februar 2012

AG Frankfurt, Urteil vom 13.02.2012, Az.: 31 C 2528 (17)

Via Rechtsanwalt Marcus Dury, Saarbrücken

Kanzlei Kornmeier verliert in erster Instanz vor dem AG FFM - Az.: 31 C 2528/11 (17) (noch nicht rechtskräftig):

Urteil - Az.: 31 C 2528/11 (17) hier abrufen

Sachverhalt:
Klage wg. angeblichen Filesharings vor dem AG FFM. Unser Mandant wollte sich zunächst nicht gegen die Klage verteidigen, da ihm der Weg nach Frankfurt zu weit war und ihm die Sache schon lange genug auf die Nerven ging.

Nachdem das AG FFM aber mitgeteilt hatte, es sehe keinen Gerichtsstand in Frankfurt am Main begründet und zu einer mündlichen Verhandlung nach Frankfurt lud, wurden wir mit der rechtlichen Vertretung beauftragt. Die mündliche Verhandlung war gem. ZPO notwendig, da das Gericht die Klage nicht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückweisen konnte. Dies sieht die ZPO so vor.

Zu der mündlichen Verhandlung erschienen wir aber nicht, da wir angesichts der Einschätzung des Gerichts hierzu keinen Anlass hatten.

Die Kanzlei Kornmeier beantragte für ihre Mandantin den Erlass eines Versäumniszurteils.

Wir beantragten nichts.

Die Klage wurde sodann durch das AG Frankfurt am Main im Rahmen eines sog. "unechten Versäumnisurteils" abgewiesen, da die Voraussetzungen für den Erlass eines VU nicht vorlagen, es fehlte nämlich an der örtlichen Zuständigkeit.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Gegenseite in die Berufung gehen wird.

Fazit:
Auch ohne die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft kann man einen Prozess gewinnen. Es bleibt zu hoffen, dass sich das AG München und das AG Hamburg endlich einmal ein Beispiel am AG Frankfurt am Main nehmen.

Freitag, 17. Februar 2012

AG München 142 C 10921/11, Urteil vom 15.02.2012

Update - Offizieller Bericht von Dr. Bernhard Knies

Amtsgericht München, Az. 142 C 10921/11 Urteil vom 15.2.2012:

Keine Störerhaftung des Vermieters für seinen Mieter für illegales Filesharing:

Neues Urteil in Sachen Störerhaftung und Filesharing: Das Amtsgericht München hat mit einem durch unsere Kanzlei erstrittenen Urteil vom 15. Februar 2012 eine Klage von Waldorf Frommer im Auftrag eines großen Musiklabels abgewiesen und damit ein wichtiges Urteil zur Haftung von Vermietern gesprochen. Der Beklagte hatte nachweisen können, dass er für den illegalen Download und das Angebot von Musikdateien nicht selber verantwortlich war, sondern sein Mieter, dem er im Rahmen des Mietvertrages Zugang zu seinem W-LAN gewährt hatte. Zudem war der Mieter im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zur Nutzung des W-LAN Netzes darauf hingewiesen worden, dass er über den Internet Anschluss keine Urheberrechtsverletzungen begehen dürfe.

Das Amtsgericht München hat hierzu geurteilt, dass in dieser Konstellation den Vermieter keine Störerhaftung trifft. Er muss insofern nicht für das Fehlverhalten seines Mieters einstehen.

Der Beklagte hat nach Auffassung des Amtsgerichts keine Prüfpflichten verletzt. Mit Aufnahme einer Klausel in den Mietvertrag, in dem sich der Mieter gegenüber seinem Vermieter zur rechtskonformen Nutzung des ihm überlassenen Netzzugangs verpflichtet, habe der Vermieter seinen Prüfpflichten ausreichend Rechnung getragen.

Das Urteil liegt auf einer Linie mit Urteilen, die die Haftung von Erwachsenen für Urheberrechtsverletzungen anderer Erwachsener kritisch sehen.

So hat etwa bei einem volljährigen Sohn das LG Mannheim mit Urteil vom 29.9.2006 (Az. 7 O 76/06 JurPC Web-Dok. 33/2007) die Meinung vertreten, dass die Eltern nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Kritisch äußert sich auch das OLG Köln beim gemeinsam genutzten Anschluss von Ehegatten (Beschluss vom 24.3.2011, Az. 6 W 42/11), hier gebe es wohl keine Überwachungspflichten.

Das vorliegende Urteil ist nicht rechtskräftig.

Newsticker

Neues Urteil zum Filesharing: Amtsgericht München vom 15.2.2012 Az. 142 C 10921/11: Keine Störerhaftung des Vermieters für Urheberrechtsverletzungen des Mieters, wenn dieser den Anschluß des Vermieters befugtermassen und nach Belehrung benutzen durfte

Besprechung folgt (im Übrigen ein Netzweltler) - Berufung 99,9% - Nicht rechtskräftig

Auf das Urteil weist hin:
Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Rechtsanwälte Knies & Albrecht
Widenmayerstr. 34 - 80538 München

Update

Zum überraschenden Urteil des Amtsgerichts München vom 15.2.2012 Az. 142 C 10921/11 noch ein paar zusätzliche Informationen.

Interessant ist sicherlich die bislang einmalige Struktur des Vorgehens. Der Beklagte hatte sich nach einer Abmahnung der Kanzlei Waldorf ("Wir gewinnen in München immer"TM) im Jahr 2007 still und leise beständig in einem bekannten Verbraucherschutzforum mit Informationen versorgt. Er schrieb dort nur einen Beitrag, meldete sich jedoch im August 2011 bei den Verantwortlichen des Forums nach Eingang der Klagebegründung. Durch eine Bemusterung mit einem dort entwickelten Text konnte der Beklagte in diesem Bereich "selbst verteidigend" seine persönlichen Angaben, die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorzubringen sind eigenhändig ermitteln und eintragen. Er erarbeitete sich dabei die notwendige Beweisführung selbst. Dem Textautor verblieb die Rolle eines Supervisors. Er durfte den Text inhaltlich kontrollieren, absegnen und gab nützliche strategische Hinweise an den vertretenden Rechtsanwalt. Dieser konnte sich auf die juristischen Aspekte und die Verhandlungsführung konzentrieren. Obschon die Stimmung nach der "Vergleichsverhandlung" eher negativ war, zahlte sich dieses Vorgehen aus. Nicht nur unter neutralen rechtlichen Gesichtspunkten (wie man aus dem Volltext des Urteils sehen wird) ist die Entscheidung zu begrüßen. Sie rückt auch die Arbeit der beteiligten Elemente, die man offensichtlich an "kritischen" Gerichtsständen für gerechte Entscheidungen benötigt ins rechte Licht. Es darf also zu Recht von inem erneuten Meilenstein in der Kunst der Verteidigung in Filesharing-Verfahren gesprochen werden.

Für die Urteilsbegründung wird noch einige Zeit benötigt werden. Im Herbst sieht man sich dann vor dem Landgericht.

Hinzuweisen wäre noch darauf, dass dem Beklagten keinerlei finanzielle Zusagen Dritter gemacht wurden, oder er in seinen Entscheidungen in irgend einer Art beeinflusst wurde.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Video

Das erste offizielle Netzwelt Spendenaktions-Video von und mit Rechtsanwalt Marcus Dury (wirtschaflich Berechtigter des Spendenkontos und im Entscheidungsgremium)

Sonntag, 5. Februar 2012

Die Schlacht am Östlichen Teutoburger Wald

Kürzlich sorgte Rechtsanwalt Dr. Ralf Petring von der Kanzlei Dr Wendt & Partner GbR in Bielefeld für Aufsehen, als er einen überaus richterfreundlichen Bericht über die Zustände am Amtsgericht München veröffentlichte. Am Samstag, den 04.02.2012 legte er nun erläuternd nach. [Weiterführender Link]

Heute Abend konterte der Bielefelder Rechtsanwalt und Notar Volker Küpperbusch, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht von der Kanzlei Dr. Stracke, Bubenzer & Kollegen mit einer sehr kritischen Antwort, die hier im Volltext wieder gegeben wird:

Stellungnahme zum Artikel "Differenzieren und argumentieren lernen heißt siegen lernen" und "Überraschende Tauschbörse von Argumenten"

I. Zur Überschrift

Schon die Überschrift der erweiterten Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Petring wirft erste Fragen auf. Der erste Artikel beschäftigte sich mit einer Verhandlung vor dem Amtsgericht München, welche in einem Vergleich endete, dessen tatsächlicher Inhalt nicht mitgeteilt sondern skizziert wird.

Ob dieser Vergleich ein Sieg oder eine Niederlage in wirtschaftlicher Hinsicht darstellt, insbesondere wenn man die Kosten des eigenen Anwalts und die Reisekosten mitrechnet (es soll Kostenaufhebung vereinbart worden sein, jeder trägt also seine Kosten selbst) bleibt offen.

Ein Vergleich jedenfalls ist grundsätzlich kein Sieg, sondern eine Vereinbarung, die zumindest teilweise auch eine Niederlage darstellt.


II. Zur Verhandlungsführung des Amtsgericht München

Der Schreiber dieser Zeilen nimmt für sich in Anspruch, eine Vielzahl von Prozessen geführt zu haben, die sich sowohl mit zivilrechtlichen Fragestellungen als auch mit urheberrechtlichen Fragestellungen befassten. Unter Anderem im letzten Jahr Verhandlungen vor dem Landgericht Hamburg und dem Landgericht Berlin, die nicht in Vergleichen, sondern in klageabweisenden Urteilen endeten.

In sämtlichen Prozessen waren die Richter selbstverständlich bereit, sich Argumente anzuhören. Dies ist keine Besonderheit, sondern richterliche Pflicht und in einem Rechtsstaat zu erwarten. Nicht umsonst gibt es den Grundsatz rechtlichen Gehörs.

Die Tatsache, dass es im Hinblick auf das Amtsgericht München besonderer Erwähnung bedarf, dass dies dort auch so gehalten wird, ist bereits bedenklich und zeigt ein gewisses Misstrauen in die dortige Rechtsprechung.

Es gab vor dem Bericht des Rechtsanwalts Dr. Petring mehrere Anlässe, die einen auch objektiven Anlass gaben, eine gewisse Tendenz des Amtsgerichts München im Bereich Filesharingfälle festzustellen.

Dazu zählt insbesondere die Pressemitteilung des Amtsgerichts selbst, in welcher sich eine ausweislich des Urteils des BGH vom 12.05.2010 "Sommer unseres Lebens" rechtlich völlig an der Sache vorbeigehende Vermischung von Täter- und Störerhaftung fand.
Link: http://www.justiz.bayern.de/gericht/ag/m/presse/archiv/2011/03259/index.php

Dort fand sich folgende erstaunliche Erkenntnis:

"Hatte er (der Anschlussinhaber) seinen Internetzugang nicht ausreichend gesichert, entsprach der Schutz zum Zeitpunkt der Einrichtung auch nicht dem Stand der Technik, kann er auch auf Schadenersatz verklagt werden. Dieser bemisst sich im Regelfall nach der ansonsten angefallenen Lizenzgebühr."

Dies ist falsch, zeigt aber die Tendenz des Amtsgerichts München in Urhebersachen eindrucksvoll auf. Natürlich kann er verklagt werden. An sich schuldet der Störer aber gerade keinen Schadensersatz, die Klage wäre also zwingend abzuweisen.

Wenn Dr. Petring diesbezüglich die Worte prägt, "bange machen gilt nicht", so fragt sich, welchen Sinn solche Pressemitteilungen eines Amtsgericht ansonsten haben sollten. Was veranlasst ein Amtsgericht zu Pressemitteilungen, deren rechtlicher Inhalt mit dem einschlägigsten Urteil des BGH zu diesem Thema nicht in Übereinstimmung zu bringen ist? Eine aus meiner Sicht interessante und völlig offene Frage.

Dr. Petring schließt zu diesem Thema selbst wie folgt:

"Schließlich verlangt eine differenzierte Betrachtung des Themas "Tauschbörsen vor Gericht" auch eine Differenzierung hinsichtlich der jeweils geltend gemachten unterschiedlichen urheberrechtlichen Ansprüche: Wer vielleicht urheberrechtlich Unterlassung einer zukünftigen öffentlichen Zugänglichmachung oder – davon zu unterscheiden – der zurechenbaren Ermöglichung einer urheberrechtwidrigen öffentlichen Zugänglichmachung durch Dritte – beanspruchen kann, dem steht dennoch keineswegs in jedem Fall der zusätzlich geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vermeintlich entstandener Rechtsanwaltskosten zu (oder in der verlangten Höhe zu). Und der kann schon gar nicht in jedem Fall verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche (zumal in unangemessener Höhe) durchsetzen. Die Abmahnungslobby vermischt in dem Zusammenhang gerne Täter- und Störerhaftung. Auch hier heißt es manches Mal: Differenzieren und argumentieren lernen heißt siegen lernen."

Vor allen Gerichten in Deutschland ist zu verzeichnen, dass man sich zunehmend differenziert mit den Fragen nach berechtigten Ansprüchen, Streitwerthöhen und der Frage nach Störer oder Täter einer Handlung auseinandersetzt. In München dagegen wird sogar eine Pressemeldung verbreitet, die ausschließlich zu rechtlicher Verunsicherung betroffener Verbraucher führt und die Tendenz zeigt, Störer- und Täterhaftung als gleich anzusehen.

Es ist also richtig, dass eine differenzierende Betrachtung vonnöten ist. Inwieweit man allerdings außerhalb von Vergleichsgesprächen tatsächlich Gehör findet und welche Tendenz dem Grundsatz nach durch das Gericht gewählt wird, erscheint angesichts der Pressemeldung in München und dortiger Verhandlungen zweifelhaft.

Insofern erscheint höchst fraglich, ob nicht die von Dr. Petring als so angenehm beschriebene Verhandlung tatsächlich der wirkliche Einzelfall ist und teilweise darin begründet liegt, dass letztlich der Vergleich geschlossen wurde.

Interessant wird die Verhandlung in München vor allem, wenn ein Vergleichsschluss abgelehnt wird.

In zeitlicher Nähe zur beschriebenen Verhandlung habe ich eine völlig andere Erfahrung der Verhandlungsführung gemacht, wobei ich nicht nur das eigene Verfahren geführt, sondern auch weitere 4 Verfahren als Zuschauer erleben konnte.

Hier bestätigte sich zwar, dass unterschiedlicher Vortrag zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Gleichsam bestätigte sich die eher kritische Berichterstattung Dritter über Verfahren vor dem Amtsgericht München.

Innerhalb von Vergleichsgesprächen wurde stets – ausnahmslos – davon ausgegangen, dass die "Kostenerstattung" sowieso geschuldet sei. Dabei wurden Argumente "ausgetauscht" bzw. vom Gericht eingeführt, die teilweise gleichen rechtlichen Gehalt wie die Pressemitteilung hatten. Ansonsten ging es stets fast nur noch um die Frage, wie hoch Schadensersatz zu zahlen sein wird.

Unangenehm wird die Sache dann, wenn sich ein Beklagter traut, den Vorschlag zur Zahlung abzulehnen. In diesem Fall versteht das Gericht sich auch in der Ausschöpfung der "Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung", indem etwa 700 km entfernt wohnende Beklagte persönlich geladen werden und gleichzeitig festzulegen, dass eine Vertretung nicht erfolgen können – man möge bitte zwingend selbst erscheinen. Im konkreten Fall haben einige weitere Punkte der Verfügung und Äußerungen des Richters Anlass gegeben, den zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dieser Antrag (der zweite in meiner ganzen beruflichen Laufbahn, in Urhebersachen der erste) ist vom Amtsgericht München zurückgewiesen worden. Um ein kostenmäßig völlig unverhältnismäßiges Ausufern des Verfahrens zu verhindern, wurde letztlich auch hier ein Vergleich geschlossen.

Diese Tendenz galt für alle Verfahren, denen ich auch als Zuschauer beiwohnen durfte. Bei allen Verfahren wurde ein Teil Schadensersatz mit vereinbart, obwohl aus objektiver Sicht unter Berücksichtigung des Ausschlusses von Schadensersatz bei reiner Störerhaftung wohl einige Male keiner geschuldet gewesen wäre. Unter Anderem einmal mit dem "Argument": "Dann war's eben der Ehepartner" – wohl kaum rechtlich wirklich haltbar.

Hierzu stellt Rechtsanwalt Dr. Petring folgendes fest:

"Trotz der nicht selten geringen Substanz in der Abmahnung verlangen die für die "Rechte-Inhaber" agierenden Rechtsanwälte regelmäßig vom Abmahnungsempfänger nicht nur oft unmögliche und/oder unzumutbare sachverhaltliche und technische Darlegungen unter dramatisierendem Hinweis auf eine sogenannte "sekundäre Darlegungslast"; zusätzlich möchten die Formular-Juristen auch noch gerne die Beweislast hinsichtlich der "festgestellten" Rechtsverletzung und hinsichtlich eines vermeintlichen "Verschuldens" dem Anschlussinhaber bzw. der Anschlussinhaberin zuweisen. Um eine Angabe bzw. Zitierung "eindeutig" anwendbarer gerichtlicher Entscheidungen (s.o.) ist man dabei zumeist nicht verlegen. Demgegenüber hängt die gerichtlich sorgfältig abzuwägende Verteilung der Darlegungslast und der davon zu unterscheidenden Beweislast stattdessen stets von einer Vielzahl von konkreten Umständen bzw. Indizien des jeweiligen Einzelfalls ab. Diese sind im Rahmen des prozessualen Vortrags argumentationsstark aufzuzeigen – das ist kein Durchmarsch, weder für die Kläger-, noch für die Beklagten-Seite."

Betrachtet man die Klagen vor dem Amtsgericht München, so ist der Klagevortrag stets nahezu identisch.

Ohne ganz umfänglichen dezidierten und bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Sachvortrag in der Klageerwiderung ist tatsächlich in München nichts zu erreichen. Das aber ist ausschließliche Aufgabe des Beklagten. Die Klage befasst sich regelmäßig mit Allgemeinerwägungen angeblicher Schädlichkeit von Filesharing und enthält kaum tatsächlichen Einzelvortrag. Dieser wird von Abmahnern auch nicht verlangt. Hier reicht zunächst einmal wie innerhalb der Abmahnung die wiederholte Verwendung von Allgemeinerwägungen, kombiniert mit eingefügten Daten des Abgemahnten und angeblichen Verstoßzeiträumen.

Auch dezidierter Vortrag dagegen, wie er vor anderen Gerichten recht schnell zur Klageabweisung führt, wenn nicht vertiefender Vortrag der Kläger folgt (siehe Landgericht Hamburg; Landgericht München, Landgericht Stuttgart, Landgericht und OLG Frankfurt) führt vor dem Amtsgericht München bestenfalls dazu, sich "dezidiert damit auseinander zu setzen" oder dem Beklagtenvertreter zuzuhören ("in Vergleichsverhandlungen eine Tauschbörse an Argumenten").

Für einen Beklagtenanwalt sollte es wiederum eine Selbstverständlichkeit sein, dezidiert und umfänglich nach den Regeln anwaltlicher Kunst vorzutragen. Wer als Abgemahnter alleine sein Heil sucht, ist in solchen Fällen verloren. Der Glaube, das Gericht werde schon erkennen, worum es geht, verkennt, dass ein Gericht im Zivilverfahren nur berücksichtigen darf, was als Sachverhalt in den Prozess richtig und wahrheitsgemäß eingeführt (vorgetragen) wurde. Einen Vergleich bekommt man vielleicht sogar hin, aber kaum einen günstigen und schon gar keinen Sieg. Weder in München, noch vor anderen Gerichten.

Betrachtet man aber etwa mal genauer, welche Abmahnungen etwa der Kanzlei Waldorf Frommer aus den Jahren 2007 und 2008 betroffen sind, so führt dies zur Erkenntnis, dass man auf Seiten des Gerichts auch noch ganz anders damit umgehen könnte, wenn man denn kritischer betrachten wollte. So hat schon das OLG Köln (Beschluss vom 20.05.2011 (Az. 6 W 30/11)) zu solchen Abmahnungen folgende Worte gefunden:

"Insoweit ist jedenfalls von einem gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger zu verlangen, dass er dem Schuldner keine Hinweise erteilt, die den Schuldner von der Anerkennung des Anspruchs abhalten können. Geschieht dies gleichwohl, kann der Gläubiger – nach objektiven Maßstäben – aus einer unterbliebenen Reaktion des Schuldners auf die Abmahnung nicht schließen, dass eine gerichtliche Inanspruchnahme erforderlich ist. Der Senat verkennt nicht, dass diese Einschätzung bisher – wie die Antragstellerin dargelegt hat – in der Literatur nicht vertreten worden ist. Es lässt sich den angeführten Literaturnachweisen jedoch nicht entnehmen, dass diese sich mit den hier gegebenen Besonderheiten auseinandergesetzt haben. Dass Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden, kommt nämlich erst in jüngerer Zeit in einem früher kaum vorstellbaren Umfang vor."

Dies bedeutet, dass es sich bei solchen Abmahnungen um eine Tätigkeit handelt, die nicht erforderlich und notwendig zur außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung ist, sondern vielmehr um dazu gerade nicht geeignete Leistungen. Wenn aber weder erforderliche noch angemessene notwendige außergerichtliche Kosten anfallen, sind diese nicht erstattungsfähig, mal abgesehen von der weiterhin offenen Frage tatsächlicher Zahlung von Rechteinhabern an Rechtsvertreter.

(Vergleichbar auch die Entscheidung OLG Düsseldorf vom 14.11. 2011, Az. I-20 W 132/11 – unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung)

Mit solchen Argumenten etwa findet man bisher beim Amtsgericht München kein Gehör.


III. Schlussfolgerung

Im Ergebnis nach langem Kampf in einem Urteil ausnahmsweise aus der Schadensersatzhaftung herauszukommen ist eben sowenig ein Sieg wie ein Vergleichsschluss und ganz sicher kein Beleg für die Fairness oder die Tendenz eines Gerichtes, vor allem nicht, wenn wie üblich hoch eingeklagt wird und/oder die Kosten des Beklagten die dieser selbst zu tragen hat, den Nutzen (Senkung des Betrages durch Vergleich oder Teilabweisung) wieder aufzehren.

Mir ist kein Fall persönlich bekannt, in dem vor dem Amtsgericht München ein Abgemahnter wirklich gewonnen und nicht nur einen Vergleich geschlossen hätte, was aus wirtschaftlichen Gründen angesichts der ansonsten drohenden Vorgehensweise häufig Sinn macht.

Die furchtbare Folge des fliegenden Gerichtsstandes – explosionsartig anwachsenden Kosten für weit entfernt wohnende Abgemahnte – zeigt hier ihre volle Wirkung, wenn erst mal zur Vergleichsverhandlung geladen wird, dann nach Ablehnung zur zweiten Verhandlung und ansonsten vor allem der Wink mit dem erforderlichen Gutachten (Zitat des Richters: "5.000 Euro wird das schon kosten") erfolgt. "Günstig" wirkt sich für solches Vorgehen auch die Randlage des Gerichts in München aus, viele Abgemahnte müssen weit reisen, das macht die Erzeugung wirtschaftlichen Drucks auf Abmahnerseite leichter.

Die Tatsache, dass ein Gericht sich Argumente auch des Beklagten anhört, ist für einen Rechtsstaat ein Mindestmaß an Selbstverständlichkeit und nicht der geringste Grund, ein solches Gericht gesondert lobend zu erwähnen. Wenn das Gericht dezidierte Urteile unter Berücksichtigung des gesamten Vortrages und der Prüfung der Richtigkeit beiderseitigen Vortrages und umfänglicher manches mal auch rechtlich schwieriger Begründung findet, ist dies eine andere Qualität und verdient besondere Erwähnung.

Die Tatsache, dass die lobenden Worte über ein Gericht wiederholt wurden, weil dieses zuzuhören oder "Argumente auszutauschen" bereit war, bedurfte aus meiner Sicht einer Erwiderung. Die umfassende Gewährung rechtlichen Gehörs sollte auch in Filesharingfällen eine Selbstverständlichkeit gerichtlicher Verfahren sein bzw. werden.

Links
6 W 30/11
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=6%20W%2030/11

I-20 W 132/11
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=20%20W%20132/11

Freitag, 3. Februar 2012

Systematische Abmahntätigkeit IV

Vorwort

Heute beschäftigt sich der Autor mit der Debcon-Situation. Tausende Abgemahnte der Kanzlei U+C erhielten seit Ende Januar 2012 Zahlungsaufforderungen dieser Inkassofirma, nachdem die Kanzlei U+C eine Versteigerung von Forderungen plakatiert hatte. Die folgenden Daten sind jedoch "spekulativ". Es ist unmöglich genaue Vorhersagen zu treffen, da U+C Mehrfachabmahnugen von bis zu 20 Stück verschickt, und insofern die nun durch das Inkasso vorgebrachten Summen stark mit den real einklagbaren Werten differieren. Hinzu kommt, dass die Gesamtgröße des Pakets nicht klar ist und wir es mit vier unterschiedlichen Ermittlungsfirmen zu tun haben, die auch unterschiedliche Ermittlungskosten gegen über den Rechteinhabern gelten machen.

Das Gesamtpaket

Zu beachten ist hierbei, dass selbst eine eigene Inkasso-Abteilung Schwierigkeiten haben wird das Gesamtpaket auf einmal abzuwickeln. Es wird also mutmaßlich ein Stufensystem bestimmte Tranchen abwickeln. Die Nichtzahlerquote dürfte bei U+C verhältnissmäßig hoch anzusetzen sein, auch bedingt durch die hohe Anzahl am Mehrfachabgemahnten.

Auszugehen ist von absoluten Zahlen (Quelle princess15114) für
2009 - 23 300 (Regelporno-)Abmhanungen = 16 890 Nichtzahler
2010 - 55 700 (Regelporno-)Abmahnungen = 40 380 Nichtzahler
Gesamt Nichtzahler 57 270
Die amerikanischen Pornohersteller (Digiprotect), die keine Verfolgungen vornehmen sind berücksichtigt.

Nun setzten wir den Nominalwert einer Pornoabmahnung unter Berücksichtigung eines Faktors 3 für Mehrfachabmahnungen im Durchschnitt 3 in der Anzahl an und kommen zum Ergebniss
- Einfach-Abgemahnte Nichtzahler 34 362 x 851,80€/Stück = 29.269.551,60€
- Dreifach-Abgemahnte Nichtzahler 22 908 x 1.605,40€/Stück = 36.776.503,32€
Schadensersatzanteil und Ermittlungs/Auskunftskosten sind beinhaltet.

Gesamtpaketwert = 66.046.054,80€

Die Kosten der Rechtsverfolgung

Zu nennen wären die Ermittlungsfirmen
Copyrigth Solution
Digirigths Solution
Digitracing
BHIP.
Es liegen hier aus Verfahren Rechnungen von bis zu 80,00€ netto pro verwertbarer IP-Adresse vor. Wir nehmen im Mittel 50,00€, so dass ein Wert in Höhe von 2.863.500,00€ abzuziehen wären.

Kosten der Auskunftsverfahren (incl. Strafanzeigen)

Da wir die einzelnen Aktengrößen nicht kennen (die Telekom AG rechnet nach IP-Anzahl ab) legen wir im Mittel nochmal 50,00€ für die Durchschnittabmahnung an Telekom-AG-Kundenverratsgeld fest, also nochmals 2.863.500,00€. Die Kosten für die gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahren sind nur mit durchschnittlich 8,00€ zu bewerten = 458.160,00€.

Es verbleibt damit von der Gesamtforderung noch ein Betrag von ca. 59.861.000,00€.

Bewertung der Rechtsanwaltskosten

Nach jüngsten Berichten liegt der aktuelle Vergleichswert, den das Inkasso anbietet bei 390,00€. Wie schon im Fall der Schalast-Sonderangebote liegt damit nahe, dass die RA-Kosten pro Auskunftspaket/Abmahnwelle definiert werden. Hierbei schwankt der Satz beträchtlich. Wir tun gut daran hier mal ca. 120,00€ im Durchschnitt anzusetzten, so dass eine Forderung/Anwaltskosten bei einem Sofort-Vergleichszahlerwert von ca. 15% der Nichtzahler anzusetzen ist. Bei Mehrfachabgemahnten ist noch kein relevanter Wert aufgetaucht. Wir setzen das Doppelte an.

Man erhält von Einfach-Abgemahnten 2.010.177,00€ und von Mehrfach-Abgemahnten 2.680.236,00€ = 4.690.413,00€.

Dem Gesamtpaket werden dabei genau 6.872.400,00€ an Rechtsanwaltskosten eingebucht. Es besteht also noch ein Schuldverhältnis in Höhe von - 2.181.987,00€. Dieses dürfte aber durch die bereits geleisteten Zahlungen von Abgemahnten im Bereich von 6.500.000,00€ (Einfach-Abgemahnte) und 8.700.000,00€ (Mehrfachabgemahnte) = 15.200.000,00€ (abzüglich der obigen Ermittlungs- und Auskunftskosten ergo 2.400.000,00€ - Rest 12.800.000,00€) erledigt sein. Wir träfen dort auf einen Überschuss (RA-Kosten-Gesamt abziehen) von knapp 8.000.000,00€. Dieser dürfte wiederum brav zwischen Rechtsanwaltskanzlei und Rechteinhaber aufgeteilt werden.

Der Inkasso-Wert

Aus den Sofortzahlern wird sich das Inkasso 20% schnappen = 938.082,60€.

Es verbleibt aber noch eine Forderungsgröße in Höhe von 55.170.587,00€.

Es wird dabei sicherlich im Bereich von 3.000.000,00€ Zwischenzahler geben, bis eine Mahnbescheidwelle in Gang gesetzt werden wird. Erfahrungsgemäß brechen hier nochmals eine Vielzahl von Haushalten ein, oder verabsäumen Fristen. Ich schätze die hierdurch zu erzielende Masse derzeit mit 9.000.000,00€ ein = 12.000.000,00€ zusätzlich bis zur Verjährung der Forderungen. Brüderliche Teilung der Eingänge durch drei.

Fazit

Bei der immer noch exorbitanten Restforderungssumme in Höhe von 43.170.587,00€ sind Unwägbarkeiten natürlich nicht ausgeschlossen. Sollte das Inkasso den Druck massiv erhöhen ist noch bei Weitem mehr drin als die hier anzusetzenden 16.700.000,00€.

Rechnen tut sichs auf alle Fälle.