Freitag, 25. Juli 2014

AG Düsseldorf, Urteil vom 14.05.2014 - 57 C 16445/13


Das Amtsgericht zu Düsseldorf hat sich mit einem neuartigen Berechnungsmodell für gerichtlich zu schätzende Schadensersatzwerte bei (hier) pornographischen Werken befasst.

Urteilslink

Vorab: Es ist zu vermuten, dass es sich um einen "Smaragd"-Fall ahndelt. Bei diesem wird ein erstellter Screenshot zu einer Sekunde ... nicht ... vorgelegt. Aus diesem wären konkretere Daten ersichtlich, aus denen man zumindest "annehmen" kann. Das Gericht zieht den Beweis erkennbar nicht zu Rate, was die folgende Schätzung nach § 287 ZPO unzulässig werden läßt (Anfechtungsgrund), selbst wenn die berklagte Partei nicht auf das Beweismittel "Screenshot" eingegangen ist.  

Aus rechtlicher Sicht ist zu vermerken, dass ein gerichtliches Modell nicht die Beweislast der Kläger ersetzt. Schon immer bin ich der Ansicht, dass zu einem substantiierten Vortrag einer Ermittlung die konkrete Anzahl der an dem jeweiligen Vorgang auf die Gesamtdauer bezogen vorzutragen ist, um auszuschliessen, dass kurzfristig/versehentlich operierende Täter den sog. Powerdownloadern, die gerne über Tage hinweg ein Werk anbieten gleich gesetzt werden. Je konkreter ein Schadensersatzberechnungsmodell = Je konkreter muss die Grundlage sein. Denn ansonsten geschieht Folgendes:



Die vom Gericht geschätzte Downloadzeit ist wie im Bild ersichtlich abhängig von der Existenz einer Gegenstelle, die eine Kapazitätsauslastung des eigenen Volumens möglich macht. Schaltet hier der Mr. Niederlande ab - sackt das eigene Volumen entsprechend ab. So etwas kann kein theoretisches Modell erfassen - man kann an dem Werk auch einen Tag sitzen und nicht nur eine Stunde.

Besonders falsch ist aber die Annahme, man könne den max-Upload hier in Verbindung zum max-Download setzen. Dieser wird nur sehr bedingt von zumeist wieder einer Gegenstelle ausgenutzt. Im Beispiel existiert eine solche Gegenstelle nicht - Fehlt es an einer konreten Gegenstelle - werden hier nur etwas über 3% des Werks insgesamt verbreitet (45 MB - auf den Streitfall bezogen nach gerichtlicher Rechnung 200 MB).

Gänzlich weltfremd ist die Bezugsgröße "Chunk" - 9 MB - da Teile versandt werden. Im Beispiel werden nur 6 "Chunks" verbreitet und nicht die gerichtlich angenommenen 14. Danebst ist die Gleichsetzung Teil = Lauffähigkeit nur bedingt anzunehmen. Die Relevanz eines einzelnen 32KB-Teils in Bezug auf ein 1MB-Teil wäre zu berücksichtigen (was nicht geht, da man diese Umstände nicht kennt).

Das Beispiel beinhaltet aber sechs Downloader von der anbietenden Stelle - es kann auch nur einer/keiner während der Tatzeit sein.

Weshalb soll also jemand nach einer Theorie für 14 mögliche Uploads Schadensersatz leisten, wenn es doch nur einer war? Oder gar keiner?

Fazit: Auch dieser Klimmzug ersetzt die "eigentlich" klägerseits beizusteuernden Daten nicht.

Freitag, 18. Juli 2014

Wie würden Sie entscheiden?

Über den Internetanschluss von "Hubert" kommt es zu zwei Rechtsverletzungen an Werken der Contantindustrie. In einem späteren Verfahren legt nun "Hubert" mehr als ausführlich dar, weshalb er nicht Täter der unerlaubten Handlungen gewesen sein kann. Er benennt hierfür auch eine Zeugin - zufällig auch die einzige wirkliche Nutzerin des Anschlusses, seine Lebensgefährtin "Vanessa". Diese bestreitet allerdings auch, Täterin gewesen zu sein und steht für die Darlegungen die der Beklagte zu ihr im Verfahren führt auch als Zeugin zur Verfügung. Hierbei stellt aber die Ermittlungsfirma der Contentindustrie fest, das genutzte Tatwerkzeug sei unter dem Kurznamen "Essalein" betrieben worden...

Bei Richterin Salesch zieht "Hubert" nun den Publikumsjoker:
97,8% sagen - "Er wars nicht - Vanessa wars"= Er lügt nicht
2,19% sagen - "Er wars und hat aus Liebe zu Vanessa ihren Kosenamen als Kontenname benutzt = Er lügt"
0,01% sind Richter am Landgericht München - Kammer 21

Ist man Richter am Landsgericht München - Kammer 21
- reicht nun nach der Veröffentlichung des Volltext von BGH-"BearShare" (zähnekrischen) die Exisztenz einer weiteren nutzungsberechtigten Person aus, um eine tatsächliche Vermutung zu erschüttern, man selbst als Anschlussinhaber sei für den Vorfall verantwortlich.
- erfüllt aber nur derjenige die sog. "sekundäre Darlegungslast", welcher einen Täter an den Haaren an den Gerichtssaal zerrt.

Genau: Der Vortrag im Fall oben ist nicht plausibel dargelegt, weil darin die Zeugin dem Beklagten angibt die Tathandlung nicht vorgenommen zu haben. Es steht damit kein Täter im Vortrag - der Vortrag + Vernahme des Beklagten erfüllt die Anforderungen an die sekundäre Darlegungslast des Beklagten nicht. Daher könne auch schon auf die Vernahme der Zeugin verzichtet werden. (Logisch - warum sollte sich eine Meinung, die am Kaffeetisch geäußert wurde schon groß in einem Gerichtssaal ändern? Ah geh -. rechtliche Konsequenzen zu Zeugenaussagen wirken doch gar nicht!)

Dass allerdings die Zeugin als Entlastungszeugin des Beklagten geführt wurde - interessierte das Landgericht München nicht sonderlich. Genausowenig bereits das AG München, welches bei einer angesetzen Vernehmung des Beklagten die nicht geladene Entlastungszeugin nicht nur im Gerichtssaal beließ, sondern auch noch in die Vernahme mächtig reinquatschen, wie auch das Protokoll bestätigt. 

Fazit: Bei Richterin Salesch wären die Richter der Zivilkammer 21 zu München sehr milde belächelt worden. Im realen Leben müssen sich übergeordnete Kräfte mit dem Stadel dort beschäftigen.