Montag, 18. Februar 2013

AG Köln – 266 C 106/12 - Klagerücknahme


Bereits Anfang Januar 2013 nahm die Klägerin kurz vor einem durch das gericht anberaumten Verhandlungstermin die Klage gegen eine Anschlussinhaberin zurück. Es darf damit auch davon augegangen werden, dass die Klägerin die gesamten Kosten des Rechtsstreits zu tragen hat. 

Die Beklagte ließ sich im ersten Zug der Klageerwiderung durch mich persönlich beraten. Im weiteren Verlauf wurde die Angelegenheit Herrn Rechtsanwalt Jan H. Gerth,  Fachanwalt für Informationstechnologierecht (IT-Recht) und Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht und Fachanwalt für Gewerblichen Rechtsschutz, 33813 Oerlinghausen übertragen - Webseite -. 

Hinweis: Es existiert kein richterlicher Hinweis in der Sache. Die Klagerücknahme basiert im Wesentlichen auf der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs vom 15.11.2012 - "Morpheus".

Sachverhalt

Die Klägerin, ein Publisher aus dem Firmennetzwerk des bekannten Sängers Xavier Naidoo, legte Vereinbarungen vor, die Ihr Rechte an der Tonaufnahme "Xavier Naidoo - Bitte hör nicht auf zu träumen" übertragen hatten. Eine spezialisierte Ermittlungsfirma aus dem Raum Karlsruhe, die früher in der Schweiz agierte habe zwischen dem November 2010 und dem Februar 2011 weit über 20 einzelne Rechtsverletzungen fest gestellt, die dem Anschluss der Beklagten durch den Provider zugeordnet wurden. Die Klägerin verlangte "vorläufig" allein die Erstattung von Rechtsanwaltskosten in Höhe von 459,40€.

Vorgehen der Beklagten

Die Beklagte bestritt ausführlichst die Aktivlegitimation des Publishers. Eine vorgelegte Vereinbarung zwischen der Produktionsfirma des Titels und ihr sei im November 2010 nicht mehr gültig gewesen, da bereits im August 2010 abgelaufen. Die Rechtsverletzung sei zudem auf einem sogenannten Sampler erfolgt, den die Industriefirma Universal als Zweitrechteverwerter veröffentlicht hatte. Eine schlüssige Rechtekette sei hier nicht dargelegt. Aufgrund dieser Tatsdache sei auch ein Negatives Verbotsrecht abzulehnen, da die Klägerin nicht dargelegt habe, dass sie an der streitgegenständlichen Veröffentlichung zB über Tantiemen partizipiert.

Die Klägerin suchte neben der Vertragvorlage den Vorgang der Zweitrechteverwertung zu erläutern und bestand auf die Übertragung des Beschlusses des Bundesgerichtshofs vom 19.04.2012, I ZB 80/11, in dem Ihr für die Tonaufnahme Rechte attestiert worden seien. Die Beklagte lehnte eine Übertragung ab.

Die Beklagte bestritt im Weiteren sehr qualifiziert die Ermittlung selbst. Neben dem bekannten Standard bei Ermittlungen dieser Firma (LG Berlin - 15 O 1/11 + 15 O 2/11) konnte bekaltenseits fest gestellt werden, dass der gegenständliche Sampler zwar von mehreren Ermittlungsfirmen (darunter auch überaus solide Ermittler) auch im angeblichen Tatzeitraum November 2010 - Februar 2011 überwacht  worden sei, die Beklagte jedoch keine Abmahnung einer anderen Kanzlei vorliegen habe, was (bedenkt man den Zeitraum) eigentlich unmöglich sei.

Die Klägerin opierte strategisch sehr seltsam. Neben den üblichen Vehikeln "Zeugenbeweis Ermittler" und "Sachverständigengutachten", wurde argumentiert, die Beklagte habe eben glück gehabt, dass sie nicht von anderen erwischt worden sei.

Es kamen nach einer Überprüfung der vorgelegten IP-Adressen jedoch auch Zweifel auf, ob die geleistete Auskunft richtig gewesen sei. Denn sämtliche IP-Adressen waren sehr schwer dem Standort der Beklagten zuzuordnen. Darunter gab es Fälle von mehreren hundert Kilometern Entfernung. Die Klägerin opponierte mi dem Argument, dass die Lokalisierung von IP-Adressen nicht relevant sei und Entfernungsschwankungen normal seien, bzw. die Datenbanken hohe Fehlerquoten aufwiesen.

Die Schlüssigkeit der Ermittlung wurde außerdem noch über einen interessanten Punkt diskutiert. Tatsächlich war im Haushalt der Beklagten (nicht von ihr installiert)  ein Filesharing-Client im Gebrauch. Die Ermittlung stellte fest, dass zwischen dem November 2010 und dem Januar 2011 eine Version 2.0.4 des clients das Werk illagal angeboten habe. Danach sei es zu einem Upgrade auf die Version 2.2.0 gekommen. Die Nutzerin des clients hatte jedoch argumentiert, dass sie bereits zum November 2010 aufgrund einer automatischen upgrade-Funktion die Version 2.2.0 verwendet hätte und im weiteren Verlauf auch weitere Upgrades von Statten gegangen wären.

Zur Tathandlung selbst berichtet die Beklagte, dass sie diese nicht begangen habe. Sie sei allein Anschlussinhaberin, aber nicht Nutzerin des Internets. Es fehle ihr an jeglicher Qualifikation für die vorgeworfene Handlung, da sie noch nie einen Computer benutzt habe. Die beiden Nutzer des Anschlusses, der Ehemann der Beklagten (sporadisch) und die Tochter der Beklagten bestritten die Tathandlung. Insbesondere machte die erwachsene Tochter der Beklagten geltend, dass sie zu rein legalen Zwecken Filesharing-Clients nutzen würde. Jedoch auch nicht im Bereich "Musik". Die Werke des Herrn Xavier Naidoo seien auch nicht von Interesse für sie, da sie einen recht abweichenden Musikgeschmack pflegen würde.

Wie in Filesaring-Verfahren so üblich blieb der Gegenseite zu dem ausführlichen Vortrag nur ein grundsätzliches Bestreiten der Inhalte übrig.

Zu einer münlichen Verhandlung aber, in der die Beklagte, oder gar Zeugen gehört wurden ist es durch die Klagerücknahme der Klägerin nie gekommen, was allerdings mehr als schade zu bezeichnen ist. So fehlt es letztlich an jeglicher richterlicher Meinung zu den besprochenen Themen.