Dienstag, 31. Mai 2011

OLG Köln 6 W 30/11, Beschluss vom 20.05.2011

Erneut setzt das Oberlandesgericht Köln in einem "Filesharing-Verfahren" eindeutige Zeichen, auch wenn der Beschluss nicht in allen Bereichen positiv punkten kann. Auch erscheint mir die Reaktion als zu spät. Wir reden hier schließlich über ein Standard-Produkt, dass mittlerweile weit über 200 000 Privathaushalte kennen müßten und das wohl schon im Jahr 2006 entworfen und erstmalig versandt wurde:



Daher ist aber das Vorgehen und der eindeutige Erfolg der von der Kanzlei Richter & Süme in Hamburg erstritten wurde umso bemerkenswerter. Hunderten anderen hilft er nicht mehr.

Volltext

Die Angelegenheit begann mit einem Vorgang, den die Richter am OLG Köln als "erst in jüngerer Zeit" vorkommenden und "in früher kaum vorstellbarem Umfang" Vorgang bezeichnen. Eine Privatperson erhielt eine urheberrechtliche Abmahnung; es sei über den Internetanschluß eine Rechtsverletzung in "Tauschbörsen" fest gestellt worden. Zum weiteren Ablauf liest man die Zusammenfassung von RA Sebastian Dosch.

Tatsächlich ist der Bescheid zum Thema "W-LAN-Absicherung im Urlaub" nur logisch. Die "beste" Absicherung der Welt vor einem Zugriff eines unbekannten unberechtigten Dritten auf ein Funknetzwerk ist das Abschalten des Funknetzwerks. Aus welcher rechtlicher Grundlage dieser Gedankengang beruht verschweigt das OLG Köln. Eine Haftung des Anschlussinhabers als Störer aus der behaupteten Tat heraus ist vorliegend nicht aus dem Urteil des BGH, I ZR 121/08 vom 12.05.2010 ableitbar. Der Anschlußinhaber macht geltend, er habe ausreichende Sicherungsmaßnahmen ergriffen. Der BGH verweist im Urteil vom 12.05.2010 ausdrücklich auf rechtliche Grundlagen, die immer wieder von Gerichten ignoriert werden: "Eine Verkehrssicherung, die jede Schädigung ausschließt, ist im praktischen Leben nicht erreichbar. Deshalb muss nicht für alle denkbaren Möglichkeiten eines Schadenseintritts Vorsorge getroffen werden. Es sind vielmehr nur diejenigen Vorkehrungen zu treffen, die geeignet sind, die Schädigung anderer tunlichst abzuwenden .... Der im Verkehr erforderlichen Sorgfalt (§ 276 Abs. 2 BGB) ist genügt, wenn im Ergebnis derjenige Sicherheitsgrad erreicht ist, den die in dem entsprechenden Bereich herrschende Verkehrsauffassung für erforderlich hält .... Daher reicht es anerkannter Maßen aus, diejenigen Sicherheitsvorkehrungen zu treffen, die ein verständiger, umsichtiger, vorsichtiger und gewissenhafter Angehöriger der betroffenen Verkehrskreise ... für ausreichend halten darf, um andere Personen - hier die Kunden - vor Schäden zu bewahren, und die den Umständen nach zuzumuten sind; Voraussetzung für eine Verkehrssicherungspflicht ist, dass sich vorausschauend für ein sachkundiges Urteil die nahe liegende Gefahr ergibt, dass Rechtsgüter anderer verletzt werden können." (Volltext)

"Dabei haftet der Antragsgegner nach seinem eigenen Vortrag als Störer. Denn er hat die angesichts der von ihm behaupteten mehrtägigen Abwesenheit nächstliegende Sicherheitsmaßnahme seines W-LANs unterlassen, indem er dieses nicht abschaltete." Nächstliegend? Nächstliegend ist den Router anzulassen, damit die gespeicherten Sicherheitseinstellungen nicht verloren gehen. Der Ratschlag der Kölner Richter sorgt in Privathaushalten ohne Gebrauchsanleitung eher für ein mehr an unzureichend gesicherten Funknetzwerken. Zudem wird wieder nicht beachtet, dass ein Ausschalten eines Routers keine Internetverbindung beendet. Von dem Zustand des Nichtbegründet seins der richterlichen Meinung mal ganz abgesehen. Ich wälze gerne die "Gebrauchsanleitungen" der Routerverkäufer. Der hinweis auf den Urlaubsbereich ist mir vollständig fremd.

"Schatz! Häng noch die Wäsche ab und schalt den Router aus! Ich befürchte eine Rechtsverletzung in Tauschbörsen während unserer Abewesenheit über ein zwar ausreichend gesichertes W-LAN, aber man kann ja nie wissen, Schatz!"

Dagegen muß man den Bereich zur KostenNICHTerstattung der Einstweiligen Verfügung als sehr fortschrittlich und auch begründet loben. An der informellen Strategie der Verbraucherschutzportale wie Netzwelt.de oder gerade dem Verein gegen den Abmahnwahn e.V. zur Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung ändert sich nichts. Im Gegenteil. Der Beschluss stärkt diese Portale.

Endlich stellt das (in diesem Einzelfall) OLG Köln klar, ein abmahnender Rechteinhaber, der sich mit der Abmahnung an Privathaushalte richtet unterliegt besonderen Kriterien, wenn er sich die Frage stellt ob das Rechtschutzbbedürfnis "Unterlassung" so dringlich ist, dass er eine Einstweilige Verfügung beantragen muß wenn er keine Unterlassungserklärung bekommt. Das OLG sagt: Nicht dann, wenn die Abmahnung selbst massive Warnhinweise enthält so wie sie oben dargestellt sind. Diese Hinweise zur möglichen Unwirksamkeit von Erklärungen wie sie "im Internet angeboten" werden sind ausreichend, um den Unterlassungsschuldner von der Abgabe einer Erklärung abhalten zu können. Als "Einschränkung" gilt hier im vorliegenden Fall die Forderung + Warnheinweis des Rechteinhabers für alle "geschützten Werke des Unterlassungsgläubigers" die Unterlassung zu erklären, obwohl der verständige Abgemahnte nur für ein bestimmtes (dasjenige an der eine Rechtverletzung begangen wurde) Werk eine Unterlassung zu erklären hat. Das Gericht führt sogar zu den seit Jahren diesbezüglich verwendeten Textbausteinen der Abmahnkanzlei X. aus, sie würden nicht wie gefordert dem Abgemahnten einen Weg weisen, der "zur Vermeidung einer gerichtlichen Auseinandersetzung geboten war."

Alle Achtung: Man solls nicht übertreiben, aber wie soll man sich das nun vorstellen? Die Abmahnungen der Kanzlei X. sind in dem zentralsten Bereich überhaupt nicht ausreichend? Wieso kann man dann eine Kostenerstattung für dieses nicht ausreichende Produkt verlangen? Also ... ich befürchte das kann Ärger geben, sollte die Kanzlei X. jemals Kostenerstattungen fordern, auch wenn man der veröffentlicheten Ansicht ist, man würde am heimischen Gerichtsstand alles gewinnen.

Das Gericht stärkt im weiteren Verlauf gerade die nicht antwaltlich vertretenen Abgemahnten. Es legt zur Auslegung von Rektionen dieser Gruppe (nicht grundsätzlich, einzelfallabhängig) fest, sie als Personen die geschäftlich unerfahren und rechtlich nicht beraten sind einzustufen. Die Übertragung des Tatbestandsmerkmals "gewerblicher Umfang" zur Einstufung der Schwere der Rechtsverletzung aus dem Auskunftsverfahren käme nicht in Betracht zur Einstufung eines Abgemahnten als "gewerblich tätige" Person.

Im Abspann des Beschlusses verteilt das OLG Köln noch so einige "Roten Karten", die hier nicht unerwähnt bleiben dürfen. Die ... nennen wirs "Puristen" der nichtjuristischen Informationsdienstleistungen zum Thema Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung wie der Verein gegen den Abmahnwahn, oder das Portal "Netzwelt.de" verweigerten sich nach Sichtweise des OLG Köln vollkommen zu Recht den Tendenzen anderer nichtjuristischer Interessengruppen die das Internet mit stets veränderten "UEs", Vorbeuge- und Erweiterungsthesen beglücken. Eine solche Empfehlung könne nur "im Einzelfall erteilt werden und erfordert die Kenntnis der Umstände der Rechtsverletzung". Diesem Erforderniss werden diese Interessengruppen nicht gerecht. Sie sind auch nicht dafür qualifiziert.

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