Freitag, 19. August 2011

LG Düsseldorf, Urteil vom 06.07.2011, Az. 12 O 256/10

In einem neueren Urteil beschäftigt sich das Landgericht Düsseldorf mit der Frage der elterlichen Überwachungspflicht von im Streitfall 14 + 16 Jahre alten Söhnen, die nach Überzeugung des Gerichts insgesamt 1301 Musiktitel in einer Internettauschbörse im Jahr 2006 angeboten hatten. Wie auch in Vorläuferurteilen am Gerichtsstandort Köln wurde auch in diesem Fall der Anschlußinhaber und Vater zur Schadensersatzübernahme verpflichtet, obwohl er selbst nicht Täter oder Teilnehmer der angeblichen Tathandlungen der Söhne war und obwohl der Bundesgerichtshof im Urteil "Sommer unseres Lebens" vom 12.05.2010 solchen Anschlußinhabern eine Verpflichtung zur Zahlung von Schadensersatz verneinte.

Bei der elterlichen Überwachungspflicht entsteht der Anspruch auf Schadensersatzzahlung jedoch vom Gericht richtig erkannt aus dem § 832 BGB. Die Aufsichtspflicht von Eltern bezeiht sich natürlich auch auf die Nutzung des von den Eltern für die Kinder bereit gestellten Internetanschlusses.

Der Bundesgerichtshof erläutert grundsätzlich zu diesem Thema: "Bei Kindern bestimmt sich das Maß der gebotenen Aufsicht nach Alter, Eigenart und Charakter, weiterhin nach der Voraussehbarkeit des schädigenden Verhaltens sowie danach, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen in der konkreten Situation an zumutbaren Maßnahmen treffen müssen. ... Entscheidend ist, was verständige Eltern nach vernünftigen Anforderungen unternehmen müssen, um die Schädigung Dritter durch ihr Kind zu verhindern. Dabei kommt es für die Haftung nach § 832 BGB stets darauf an, ob der Aufsichtspflicht nach den besonderen Gegebenheiten des konkreten Falles genügt worden ist. Entscheidend ist also nicht, ob der Erziehungsberechtigte allgemein seiner Aufsichtspflicht genügt hat, sondern vielmehr, ob dies im konkreten Fall und in Bezug auf die zur widerrechtlichen Schadenszufügung führenden Umstände geschehen ist." [vgl. BGH, Urteil vom 24. 3. 2009 - VI ZR 51/ 08]

Mehr noch verlangt der Bundesgerichtshof in ständiger Rechtsprechung gerade auch von den Filesharingrichtern: "c) Soweit sich die Revision schließlich dagegen wendet, dass das Berufungsgericht nicht aus der streitgegenständlichen Handlung selbst eine erhöhte Aufsichtspflicht ableiten will, sondern dies nur dann für erforderlich hält, wenn der Aufsichtsbedürftige bereits zuvor durch ähnliche Verhaltensweisen in Erscheinung getreten ist, entspricht dies der Rechtsprechung, nach der eine erhöhte Aufsicht geboten ist, wenn Minderjährige zu üblen Streichen oder zu Straftaten neigen. Daraus ergibt sich, dass sie bereits vor der konkret vorgeworfenen Verletzung der Aufsichtspflicht auffällig geworden sein müssen."

Die Kölner und Düsseldorfer Richter mißachten diesen wesentlichen Punkt "musikindustriehörig" vollständig. Auch im Urteil vom 06.07.2011 werden (Stichwirt Beweislastumkehr) besondere Belehrungen und eine permanente Überwachung der Internetnutzung verlangt. Mehr noch: "Es war dem Beklagten zuzumuten und auch im Rahmen seiner bestehenden Aufsichtspflicht erforderlich, dass er kontrolliert, ob entsprechende Filesharing-Programme auf dem genutzten Computer oder den Computern installiert sind und auf welche Weise das Internet durch seine Söhne genutzt wird." Es wird von den Eltern verlangt, ein Familienstasi-System aufzubauen.

Solche Forderungen sind nicht nur vollständig technikfeindlich und kommen einer partiellen Entmündigung von hier Heranwachsenden gleich. Sie stellen zudem eine Aufforderung zum glatten Verfassungsbruch dar. Setzt man das "Züchtigungs-Erfordernis"-Urteil des OLG Köln vom 23.12.2009 dazu, in dem zu einer zünftigen Belehrung auch Drohungen gehören ergibt sich in deutschen Gerichtssälen ein erschreckendes erzieherisches Bild. Demokratie und Modernität werden auf dem Altar der "Musikindustriellen Wunschkonzerte" - hier mal wieder 5.308,80€ (nach Denkweise des Gerichts bei entsprechendem Antrag der Klägerinnen jedoch 392.608,00€) geopfert.

Am schlimmsten ist jedoch, dass stets die Familienschlachtung mit einer abscheulichen Ignoranz gegenüber der herrschenden BGH-Rechtsprechung ausgeführt wird. Man ist sich dabei nicht zu schade, eine einfache Internetnutzung als "Situation mit erhöhtem Gefährdungspotential nebst gesteigerter Aufsichtspflicht" zu deklarieren und so die böswilligen angeblichen File-Sharerkids auf eine Stufe mit Terroristen und Volksverhetzern zu stellen, die man allerdings im letzten Fall zu 99,9% stets laufen läßt.

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