Donnerstag, 15. März 2012

Der EUGH spricht...

URTEIL DES EUROPÄISCHEN GERICHTSHOFS (Dritte Kammer)
15. März 2012


„Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Richtlinie 2006/115/EG – Art. 8 und 10 – Begriffe ‚Nutzer‘ und ‚öffentliche Wiedergabe‘ – Ausstrahlung von Tonträgern über in Hotelzimmern aufgestellte Fernseh‑ und/oder Radiogeräte“

und

„Urheberrecht und verwandte Schutzrechte – Unmittelbare Anwendbarkeit des Rom-Abkommens, des TRIPS-Übereinkommens und des WPPT in der Unionsrechtsordnung – Richtlinie 92/100/EG – Art. 8 Abs. 2 – Richtlinie 2001/29/EG – Begriff ‚Öffentliche Wiedergabe‘– Öffentliche Wiedergabe von Tonträgern im Rahmen von Radiosendungen, die in einer Zahnarztpraxis ausgestrahlt werden“

Rechtssache C‑162/10
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=120461&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=484017#Footnote*
Rechtssache C‑135/10
http://curia.europa.eu/juris/document/document.jsf?text=&docid=120443&pageIndex=0&doclang=DE&mode=req&dir=&occ=first&part=1&cid=480690

Erstanalyse - Filesharing - § 19a UrhG

Das Gericht führt in der Rechtssache C‑162/10 aus:
"29 Der Gerichtshof hat im Urteil vom 15. März 2012, SCF (C‑135/10, noch nicht in der amtlichen Sammlung veröffentlicht, Randnr. 76), hinsichtlich des Begriffs „öffentliche Wiedergabe“ im Sinne von Art. 8 Abs. 2 der Richtlinie 92/100, konsolidiert durch die Richtlinie 2006/115, entschieden, dass dieser Begriff eine individuelle Beurteilung erfordert. Dasselbe gilt für die Identität des Nutzers und die Frage nach der Nutzung des fraglichen Tonträgers (Randnr. 78 dieses Urteils).

30 Außerdem hat der Gerichtshof festgestellt, dass im Rahmen einer derartigen Beurteilung eine Reihe weiterer Kriterien zu berücksichtigen sind, die unselbständig und miteinander verflochten sind. Sie sind deshalb einzeln und in ihrem Zusammenwirken mit den anderen Kriterien anzuwenden, da sie – je nach Einzelfall – in sehr unterschiedlichem Maße vorliegen können (vgl. Urteil SCF, Randnr. 79).

31 Unter diesen Kriterien hat der Gerichtshof als Erstes die zentrale Rolle des Nutzers hervorgehoben. Dieser Nutzer nimmt nämlich eine öffentliche Wiedergabe vor, wenn er in voller Kenntnis der Folgen seines Verhaltens tätig wird, um seinen Gästen Zugang zu einer Rundfunksendung zu verschaffen, die das geschützte Werk enthält. Ohne dieses Tätigwerden könnten diese Gäste das ausgestrahlte Werk, obwohl sie sich innerhalb des Empfangsbereichs der genannten Sendung aufhalten, grundsätzlich nicht empfangen (vgl. Urteil SCF, Randnr. 82).

32 Als Zweites hat der Gerichtshof einige Gesichtspunkte erläutert, die mit dem Begriff „öffentlich“ untrennbar zusammenhängen.

33 Danach muss die „Öffentlichkeit“ aus einer unbestimmten Zahl potenzieller Leistungsempfänger und recht vielen Personen bestehen (vgl. in diesem Sinne Urteil SCF, Randnr. 84).

34 Hinsichtlich der „Unbestimmtheit“ der Öffentlichkeit hat der Gerichtshof erläutert, dass es dabei entsprechend der Definition des Begriffs „öffentliche Sendung (öffentliche Wiedergabe)“ im Glossar der WIPO – diese Definition ist zwar nicht rechtsverbindlich, jedoch für die Auslegung des Begriffs der Öffentlichkeit hilfreich – um die „Zugänglichmachung eines Werkes … in geeigneter Weise für Personen allgemein, also nicht auf besondere Personen beschränkt, die einer privaten Gruppe angehören“, geht (vgl. Urteil SCF, Randnr. 85).

35 Sodann hat der Gerichtshof zu dem Kriterium „recht viele Personen“ zum einen klargestellt, dass damit gemeint ist, dass der Begriff der Öffentlichkeit eine bestimmte Mindestschwelle beinhaltet, womit dieser Begriff eine allzu kleine oder gar unbedeutende Mehrzahl betroffener Personen ausschließt (vgl. Urteil SCF, Randnr. 86). Zum anderen sind zur Bestimmung dieser Zahl von Personen die kumulativen Wirkungen zu berücksichtigen, die sich daraus ergeben, dass die Werke den potenziellen Leistungsempfängern zugänglich gemacht werden. In diesem Zusammenhang kommt es nicht nur darauf an, wie viele Personen gleichzeitig Zugang zu demselben Werk haben, sondern auch darauf, wie viele von ihnen in der Folge Zugang zu diesem Werk haben (vgl. Urteil SCF, Randnrn. 86 und 87).
"

Vorfazit: Somit verstößt die Praxis deutscher Gerichte aus "One-Second-Logs", oder unzureichenden Sachvorträgen der Abmahner "unendliche Verbreitungsstränge" in "Quasi-Kopierwerken" zu vermuten endgültig gegen die Rechtsprechung des EUGH.

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