Donnerstag, 19. Juli 2012

LG Frankfurt, Urteil vom 18.07.2012, Az.: 2-06 S 3/12


Bereits am Tage nach der Verkündung wurde ein Urteil des Landgerichts Frankfurt zum Thema des "Fliegenden Gerichtsstands" veröffentlicht. Es handelt sich dabei um einen der Top-Anwärter für den Titel "Schlampiges Urteil nicht wirklich interessierter Richter".

In der Vorgeschichte hatte das Amtsgericht Frankfurt im Urteil vom 13.02.2012, Az.: 31 C 2528/11 sich ausführlich mit dem dem "Institut des Fliegenden Gerichtsstandes" auseinander gesetzt. Das Landgericht Frankfurt jedoch geht in keiner Silbe auf die Argumentationen ein, sondern erhebt die "Abrufbarkeit" eines Werks zum entscheidenden Abrgenzungskriterium bei der Anwendung des § 32 ZPO. (Volltext)

Hierbei stellt das Landgericht Frankfurt eine vollständige Unwissenheit über den Ablauf einer rechtswidrigen Handlung in p2p-Tauschbörsen zur Schau. Dabei läßt sogar Darwin grüßen:

 "f) Bei dem hier zugrunde liegenden Fall einer Peer-to-Peer-Verbindung im Rahmen eines sog. „File-Sharing“-Programmes ist die Frage der bestimmungsgemäßen Abrufbarkeit leicht zu beantworten: Derjenigen, der – nach dem Klägervortrag – in Gersheim in eine bundesweit abrufbare Tauschbörse einen Titel einstellt, weiß nicht nur, sondern bezweckt auch gerade, dass das „Angebot“ zur Vervielfältigung dieser Datei von möglichst vielen Menschen an möglichst vielen Orten im gesamten Bundesgebiet angenommen wird. Zweck des „Filesharing“-Systems ist es nämlich, durch eine möglichst hohe Zahl an Teilnehmern die Auswahl und das Verbreitungsgebiet zu vergrößern. Der Nutzer einer solchen Tauschbörse beabsichtigt daher nicht, dass lediglich die Nutzer im Bezirk seines Wohnsitzgerichtes oder dem Sitzgericht des Rechteinhabers die Datei herunterladen, sondern gerade möglichst umfassend in der gesamten Bundesrepublik und der gesamten Welt. Die Tatsache, dass der Nutzer den Verbreitungsort aufgrund der „technischen Zwänge“ einer Tauschbörse im Peer-to-Peer-Netzwerk nicht beeinflussen kann, führt nicht zu seiner Privilegierung. Vielmehr hat die Nutzung derartiger Netzwerke in voller Kenntnis ihrer enormen Verbreitungsdimension dann eben auch die Ausweitung möglicher Gerichtsstände zur Folge. Die Vermehrung der möglichen Gerichtsstände ist insoweit nur das Spiegelbild der Vermehrung der Verbreitungsmöglichkeit durch File-Sharing-Netzwerke."

 Die Fehler sind rot markiert. Grundsätzlich sind die Feststellungen der üblichen Ermittlerfirmen der Kanzlei Kornmeier kaum geeignet zu belegen, dass zum angeblich notierten Tatzeitpunkt das Werk selbst sich in der Zugriffsspähre des Beklagten befunden hat, sprich sich überhaupt auf der Festplatte von der das angebliche Angebot ausging das Werk befand. Bei den hier vorliegenden "Container-Abmahnungen" wird kein psysikalischer Beweis für das streitgegenständliche Werk angeboten. Es fehlt dabei hauptsächlich die Angabe, ob der Container selbst sich insgesamt bereits im Besitz des Beklagten befand. Die Behauptung der Beklagte habe "einen Titel eingestellt" ist generell durch nichts bewiesen. Dies ist auch für die Entwicklung eines Unerlassungsanspruchs auch gar nicht nötig. Schon der Versuch einer rechtswidrigen Handlung wäre ausreichend. Für die Begründung einer Täterhaftung, oder wie hier der Entwicklung eines "entscheidenden Abgrenzungskriteriums" jedoch ist dies von übergeordneter Bedeutung. Es fehlt zudem der Beweis der Ermittlungsfirma, dass tatsächlich das Werk im Zuständigkeitsbereich des Landgerichts Frankfurt abgerufen wurde. Andere Ermittlungsfirmen behaupten dies zumindest, was für die Minderwertigkeit der tatsächlich im Streitfall ermittelten Daten und deren Organisation spricht.

Die folgende Abhandlung über Motive und Absichten eines kompletten Tauschbörsenschwarms und die Übertragung auf einzelne Internetanschlussinhaber, bei denen allerhöchstens eine tatsächliche Vermutung dafür spricht selbst Täter zu sein summiert sich im Begriff: "Sippenhaftung". Die durch das Landgericht vorgenommene präjudizielle Ableitung aus nicht näher bekannten "Erfahrungswerten" (mutmaßlich Übernahme des Vortrags des Berufungsklägers) ist abzulehnen. Sicherlich existieren in Schwärmen die unterschiedlichsten Einzelmotive und Interessen. Die Gleichsetzung der Motive organisierter "Firstseeder" mit den Motiven derlei Musik konsumierten (mit Verlaub) kleinen 12-jährigen Mädchen aus einem unbedeutenden Kaff am Rande der Republik (Beispielhaft) ist an Absurdität (und Frechheit) nicht zu überbieten. Es steht dem gleich zu behaupten, eine kleine Ladendiebin würde die Motive einer organisierten Bankräuberbande in sich tragen.

Da die wesentlichen Punkte bei der Diskussion um den "Fliegenden Gerichtsstand" vom Landgericht Frankfurt ignoriert werden, können sie hier auch nicht angesprochen werden. Der entsprechende Bereich:

  "e) Die weiteren vom Amtsgericht unter Bezugnahme auf Danckwerts (GRUR 2007, 104) angeführten Bedenken gegen den fliegenden Gerichtsstand (z.B. Gefahr des „Kopf-in-den-Sand-Steckens“ aufgrund eines weit entfernten Gerichtsstandes) stellen sich demnach teilweise als rechtspolitische Forderungen, teilweise als im Rahmen der Prüfung eines möglichen Rechtsmissbrauchs zu bewertende Argumente dar. Sie sind jedoch nicht geeignet, die örtliche Zuständigkeit nach § 32 ZPO zu verneinen."

besteht aus netten Floskeln. 

Es überrascht dann wenig, dass 

- die Nichtzulassung einer Revision ist falsch, allein schon da es keine BGH-Rechtsprechung bezüglich der Konstellation § 32 ZPO und § 97a UrhG gibt. Auch das örtliche OLG hat sich mit der frage noch nicht befasst.

- die Annahme eines Streitwets von 10.000,00€ als Grundlage der Berechnung der Rechtsanwaltskosten bei einer "One-Song-Abmahnung" entspricht nicht der mittlerweile von den OLGs in Frankfurt, aber auch Köln und Düsseldorf entschiedenen Schätzungen.

Fazit: Die Extremfälle gehen weiter. Der abgemahnte Bürger bleibt der Spielball willkürlicher Gerichtsstandortwahl und darf zur Not mit Mann und Maus von Husum nach Oberammergau zur Vergleichstreiberei.









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