Donnerstag, 15. März 2012

Verbraucherschutzabzocker NRW

Das mit Filesharing-Abgemahnten gut Kasse zu machen ist ... ein alter Hut. Neu sind die Daten, die ein besonderes Abzocker-Netzwerk bereitwillig in die Landschaft gestellt hat.

Im Werbebanner "Wie man auf Raubkopie-Abmahnungen reagieren soll" von Rainer Morgenroth erfährt man dies zwar nicht, wird aber als Betroffener von einer fachlich inkompetenten Person wie folgt unterwiesen: "Denn die Beweisschuld liegt beim Angeklagten. Zunächst einmal muss das Netzwerk durch ein Passwort gesichert werden und die Anzahl der Nutzer überschaubar sein. "Außerdem muss man diese vor Zeugen aufklären, dass sie nichts runterladen dürfen", erzählt Hardebeck. Wer derlei nicht vor Gericht beweisen kann, sollte gemeinsam mit einem Anwalt einen Vergleich aushandeln." (Die Fehler sind markiert.)

Unglaublich, ... dieser Müll wabert auf der Homepage der WELT: http://www.welt.de/regionales/koeln/article13922730/Wie-man-auf-Raubkopie-Abmahnungen-reagieren-soll.html

Andererseits nicht erstaunlich, bedenkt man die Dutzendfachen Meldungen von veralberten Verbrauchern, denen eine wertlose Schuldeingeständnis-EU durch den Verbraucherschmutz diktiert wurden.

Unverblümt berichtet die VZ Köln: "Im vergangenen Jahr gingen bereits 2012 Anfragen zu diesem Thema ein, wir vermitteln dann einen Anwalt", sagt Uwe Humbert-Kukulady von der Verbraucherzentrale. Rechnen wir das mal für allein NRW hoch ... Moment:

"Das heißt, dass unsere Rechtsanwälte Ihre Interessen wahrnehmen und Sie - auch schriftlich - gegenüber dem Unternehmen vertreten. Die Durchsetzung Ihrer Ansprüche steht dabei stets im Vordergrund.

Rechtsvertretung inkl. Rechtsberatung 80,00 EUR
fortführende Rechtsberatung
(pro Kontaktaufnahme) 15,00 EUR
fortführende Rechtsvertretung
(pro Kontaktaufnahme) 20,00EUR
"
http://www.vz-nrw.de/UNIQ133181681514261/urheberrecht

Welche Ansprüche ein Abgemahnter gegenüber einem Rechteinhaber auch immer entwickeln darf ... vielleicht der Zahlungsanspruch? Interessant sind aber die Daten, berücksichtigt man den hohen Anteil an Samplerabmahnungen (Mehrfachabgemahnte).

Wenn sich in 2011 in NRW sagen wir mal 8 000 Abgemahnte meldeten und "beraten" ließen sind wir bei 640.000,00€. Fortgeführt haben davon 25% = 30.000,00€. Rechtsvertreten 1/5tel = 32.000,00€.

Summe = 702.000,00€

Formulare (kostenloser Download der modUE), oder vernünftige Infos? Fehlanzeige.

Dagegen wird mit dem Geschäftmodell geprotzt: "Bei der Verbraucherzentrale NRW meldeten sich allein seit Anfang 2012 rund 1000 meist junge Leute". Und natürlich werden die seit Jahren erfolgreich operierenden wirklichen Verbraucherschutzforen ignoriert.

Statt dessen gibts ein Vollpfosten-Kreisch-Video gegen die ein Bettelbrief reinste Nervenschonung ist: http://www.vz-nrw.de/UNIQ133181681514261/link1035641A.html

Im Übrigen hat uns noch keiner erklärt, weshalb sich der Verbraucherschmutz eigentlich um das Thema zu bekümmern hat. Jahrelang wurde eine Beratung abgelehnt (richtig). Nun hat man unter Missachtung des RDG sich als Abzocker profiliert. Ich werde das endlich mal juristisch prüfen lassen... egal und wenn die im NRW-Justizministerium gerade in die Ferien gegangen sind ... Sie bekommen Post.

Dienstag, 28. Februar 2012

Volltext AG München 142 C 10921/11, Urteil vom 15.02.2012

Was sich so einfach liest...






OLG Hamburg, Beschluss v. 13.02.2012 - Az.: 3 W 92/11

Dr. Martin Bahr

Vorbeugende P2P-Unterlassungserklärung an nicht mandatierten Rechtsanwalt wettbewerbswidrig

Oberlandesgericht Hamburg, Beschluss v. 13.02.2012 - Az.: 3 W 92/11

Leitsatz:

Die Übersendung einer vorbeugenden Unterlassungserklärung im P2P-Bereich an eine nicht mandatierte Rechtsanwaltskanzlei stellt einen Wettbewerbsverstoß dar. Die vorzunehmende Abwägung der schutzwürdigen Rechtsgüter verbietet einen Eingriff in den anwaltlichen Geschäftsbetrieb.



Sachverhalt:

Der Beklagte, ein Rechtsanwalt, hatte der Klägerin, einer Anwaltskanzlei, im Interesse seines Mandanten eine vorbeugende Unterlassungserklärung betreffend die Verletzung urheberrechtlich geschützter Werke (P2P-Urheberrechtsverletzung) zukommen lassen.

Seitens der Klägerin bestand indessen keinerlei Mandatsverhältnis zu dem in der Unterwerfungserklärung genannten Urheber.

Die Klägerin nahm die Beklagte auf Unterlassung in Anspruch.


Entscheidung:

Das Oberlandesgericht gab der Klägerin überwiegend Recht.

Das Verhalten des Beklagten stelle eine unzumutbare Belästigung im Sinne des Urheberrechts sowie einen Eingriff in das Recht am eingerichteten und ausgeübten Gewerbebetrieb dar.

Die Klägerin, die sich in Unkenntnis darüber befinde, wer Urheberrechtsinhaber sei und ob ein Mandatsverhältnis eines Rechteinhabers zu ihr bestehe, habe den Rechercheaufwand betreiben müssen, welcher zur Beurteilung der rechtlichen Relevanz der urheberrechtlichen Unterwerfung nötig sei.

Sie habe sich veranlasst gesehen, unter Aufbietung von personellen und sonstigen Ressourcen ihrerseits zu klären, ob die Unterwerfung ein mit den namentlich genannten oder auch nur über die genannten Werktitel ermittelbaren Rechteinhabern bestehendes Mandatsverhältnis betreffe.

Der Beklagte habe sich "auf Kosten" der Klägerin die Last der Klärung der tatsächlichen Grundlagen der Unterwerfung "erspart".

Mit dieser Verfahrensweise wirke der Beklagte zugunsten seiner eigenen geschäftlichen Tätigkeit auf den Geschäftsbetrieb der Klägerin und deren Möglichkeit zur wettbewerblichen Entfaltung in relevanter Weise ein.

Die vorzunehmende Abwägung zwischen dem Interesse des Beklagten an der freien Wahl der für angebracht gehaltenen Mittel der anwaltlichen Vertretung und das Interesse der Klägerin, in der Ausübung ihres anwaltlichen Geschäftsbetriebs nicht durch die ressourcenzehrende Bearbeitung außerhalb bestehender Mandate ungezielt versandter vorbeugender Unterwerfungen behindert zu werden, streite zugunsten der Klägerin.

Es sei zunächst einmal Sache des für eine Urheberrechtsverletzung verantwortlichen, ggf. anwaltlich vertretenen Störers, die zur Rechtswahrung mittels Unterwerfung nötigen Tatsachen und Rechtsverhältnisse zu ermitteln. Diese Aufgabe obliege nicht dem Verletzten oder seinem Rechtsanwalt, schon gar nicht aber einem Rechtsanwalt, der durch den Verletzten nicht mandatiert sei.

Freitag, 24. Februar 2012

BVerfG, 24. Februar 2012, Az.: 1 BvR 1299/05

Zur Pressemitteilung Nr. 13/2012 vom 24. Februar 2012, 1 BvR 1299/05
Regelungen des Telekommunikationsgesetzes zur Speicherung und
Verwendung von Telekommunikationsdaten teilweise verfassungswidrig
Volltext

Selbstverständlich betreffen die Erklärungen des Bundesverfassungsgericht auch den Bereich der Filesharing-Abmahnungen. Hierzu sind drei Teilbereiche zu unterscheiden:

1. Zivilrechtliche Auskunftsverfahren nach § 101 UrhG, Abs. 9 sind nach der Maßgabe des BBVerfG weiterhin als verfassungskonform einzustufen.

--- § 101 Abs. 10 UrhG bezeichnet das eingeschränkte Grundrecht ausreichend. § 113 TKG nicht, wie das BVerfG rügt. Der Gesetzgeber muss das jeweilige Grundrecht, in das
eingegriffen wird, unter Angabe des Artikels nennen.

--- Für die Beauskunftung notwendige Daten befinden sich nicht genannten Bereich des § 113 TKG und "Zugangscodes" (wie also Passwörter für email-accounts) sind nicht betroffen.

Der BGH hat die Speicherung der IPs nach § 100 TKG, Abs. 1, erlaubt. Es besteht aber nicht wie zuvor (§ 113a TKG) die Pflicht einer Speicherung. Aus dem gespeicherten IP-Adressen-Pool können Datenabfragen und vorherige Sicherungen (die auch § 111 TKG betreffen würden) via Gerichtsbeschluss nach § 101 UrhG vorgenommen werden.

vgl. BGH, Urteil v. 13.01.2011, Az. III ZR 146/10

2. Hingegen wurden Auskunftsersuchen von Staatsanwaltschaften nach § 113 TKG, so wie man sie aus allen Filesharing-Fällen bis zur einrichtung des zivilrechtlichen Auskunftsanspruchs zum 01.09.2009 her kennt als verfassungswidrig erklärt. Dennoch räumt das BverfG der Strafverfolgung hier Vorrang ein und erklärt das Gesetz nicht für nichtig, sondern befristet die Geltung bis zur geforderten Neuregelung zum 30.06.2013.

Beispiel eines STA-Auskunftsersuchens der STA Karlsruhe


3. Das BGH-Urteil "Sommer unseres Lebens"

Auf einem anderen Blatt steht die Sichtweise des BGH im Urteil vom 12.05.2010, Az.: I ZR 121/08:

"(2) Für die Auskunft der Deutschen Telekom AG, wonach die ermittelte IP-Adresse im fraglichen Zeitpunkt dem WLAN-Anschluss des Beklagten zugeordnet war, bestand kein Beweiserhebungsverbot. Sie konnte deshalb vom Berufungsgericht auch ohne Rechtsfehler verwertet werden.

Auskünfte über den Namen des hinter einer IP-Adresse stehenden Anschlussinhabers richten sich nach den Regelungen des Telekommunikationsgesetzes über die Bestandsdatenabfrage (LG Stuttgart MMR 2005, 624, 628; LG Hamburg MMR 2005, 711; LG Würzburg NStZ-RR 2006, 46; Sankol, MMR 2006, 361, 365; a. A. Bock in Beck'scher TKG-Kommentar, 3. Aufl., § 113 Rdn. 24; Bär, MMR 2005, 626). Es handelt sich nicht um Verkehrsdaten nach § 96 Abs. 1, § 113a TKG, die gemäß § 100g Abs. 2, § 100b Abs. 1 StPO nur auf richterliche Anordnung erhoben werden dürfen. Die Zuordnung einer zu einem bestimmten Zeitpunkt benutzten dynamischen IP-Adresse zu einem Anschlussinhaber enthält keine Aussage darüber, mit wem der Betreffende worüber und wie lange kommuniziert hat. Es entspricht auch dem Willen des Gesetzgebers, die IP-Adressen von Anschlussinhabern als Bestandsdaten einzuordnen (vgl. Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Änderung der Strafprozessordnung, BT-Drucks. 14/7008, S. 7; Begründung des Regierungsentwurfs eines Gesetzes zur Neuregelung der Telekommunikationsüberwachung …, BT-Drucks. 16/5846, S. 26 f.). Die Ermittlung des einer konkreten IP-Adresse zu einem bestimmten Zeitpunkt zugeordneten Anschlussinhabers erfolgt daher auf der Grundlage der allgemeinen Befugnisse der Strafverfolgungsbehörden gemäß § 161 Abs. 1 Satz 1 und § 163 StPO, so dass die Auskunft der Deutschen Telekom AG rechtmäßig eingeholt worden ist.
"

Die Auskunft ist nach dem Urteil des BverfG mitnichten rechtmäßig eingeholt worden, da sie auf einem verfassungswidrigen Artikel beruht. Da es noch Altfälle gibt, die aktuell verhandelt werden, sollte man durchaus diesen Punkt aufgreifen und bewerten lassen.

Allerdings fallen hier kaum Erfolgsaussichten an, wobei zu berücksichtigen ist, dass Loggerbuden wie die Ipoque GmbH, oder Mediaprotector "Nutzprofile" anhand der Zuordnungen und der Client-Kennungen der verwendeten emule-clients anlegen. Diese IP-Zuordnungen fallen definitiv in den Bereich "mit wem der Betreffende worüber und wie lange kommuniziert hat". Hierbei geht es also erneut um die Frage, ob ein Richtervorbehalt die nun klar gestellte Verfassungswidrigkeit des Vorgangs ätte heilen können, und ob ein Beweisverwertungsverbot für zusätzlich eingebrachtes Material besteht. (Datenabfragen beziehen sich stets auf einen konkreten Zeitpunkt, wie 01.01.2012 09:12 Uhr - Loggerbudenlisten umfassen ganze Zeiträume, teils über Monate hinweg.)

Montag, 20. Februar 2012

Amtsgericht München, Az. 142 C 10921/11 Urteil vom 15.2.2012 - Teil II

Dieser Beitrag stellt in den vorgestellten Kritikpunkten allein die Meinung des Autors dar.

In dem heutigen Update beschäftigt uns das Thema des Ablauf des Verfahrens und die Kostenbelastung für den Beklagten.

Vor und in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2011 hatten sowohl die Anwälte der Musikindustriellen, als auch die Richterschaft, trotz eindeutiger Beweislage dem Beklagten die Tathandlung in die Schuhe zu schieben. Es wurde gerügt, dass die Ausführungen zu einem von drei fraglichen Tatzeitpunkten, einem Sonntag nicht ausreichend substantiiert seien. Nun ist dies schon unlogisch, denn der Beklagte hatte für zwei weitere Tatzeitpunkte ein "lückenloses Alibi". Dieses "Alibi" in Form von relevanten Arbeitsnachweisen wurde von der Prozeßgegnerschaft als "gefälscht" hingestellt. Die halbstündige ZumVergleichsprügelei half aber nichts. Der Beklagte verweigerte sich. Die Richterschaft tendierte zu einem vollständigen negativen Urteil.

Kurz danach konnte er jedoch glücklicherweise alte Belege aus dem Jahr 2007 eines Baumarktes auffinden, die ihn an zwei Zeugen erinnerten, die an fraglichem unsubstantiiert vorgetragenen Tag mit ihm die Wohnung tapezierten. Die Gegenseite reagierte in Schriftsätzen erbost (gelinde gesagt).

Der Richter hingegen setzte kurzer Hand eine Beweisaufnahme an. In dieser sollten vier Zeugen gehört werden.
1. Die Ehefrau des Beklagten. Zur Erinnerung: Der eigentliche Täter, ein mittlerweile unbekannt verzogener ehemaliger Mieter war durch den Beklagten zum Zeitpunkt der Abmahnungen noch auffindbar. Die Ehefrau hatte die telefoischen "Verhandlungen" mit dem Täter geführt.
2. Zwei Zeugen, die den Termin "Tapezieren" bestätigen konnten wurden aus Raum Aschaffenburg geladen. Darüber mag man sich nun schon streiten.
3. Die Ladung einer Zeugin aber belegt nur, dass Filesharingverfahren an manchen Gerichten eben nichts mehr mit "Zivilrecht" zu tun haben. Das Gericht lud die Chefin des Beklagten, da ja allen Ernstes im Raum stand, er habe Arbeitszeitnachweise gefälscht.

Ein weiterer Kritikpunkt ist es, dass die Gegenseite zwar allerhand Versicherungen und Zeugen anbot, aber faktisch nichts ausser widersprüchlichen Belegen und den Daten der Auskunftsverfahren vorlegen musste.

Nach der Zeugenvernahme wurde nochmals unüblicher Weise über eine Viertelstunde ein Vergleich diskutiert. Der Richter zeigte sich nun plötzlich unentschlossen. Er musste aber letztlich nach der Beweisaufnahme dem Beklagten ein günstiges Urteil ausstellen. Wie noch gezeigt werden wird (Volltext) hat der Beklagte als Vermieter dem Mieter über die Internetnutzung eine schriftliche Anweisung bezüglich illegaler Aktivitäten an den Mietvertrag geheftet. Letztlich ein mitentscheidender Punkt.

Zur Kostenbelastung

Hätte der Beklagte verloren, wären ihm folgende Kosten allein in der ersten Instanz erwachsen:

1. Gegenstandwert = 1.728,00€
2. Rechtsanwaltskosten = 771,97€ nach RVG
3. Gerichtskosten = 219,00€
4. Zeugengelder = 1.600,00€ nach Vorschuss
5. Reisekosten = ca. 600,00€ (incl. Übernachtungskosten von 4 Personen)

Summe = 4.918,97€

Die Strategie den Beklagten finanziell mit ruinösen Kostenexplosionen in einen Vergleich zu treiben ging nicht auf.

Sonntag, 19. Februar 2012

AG Frankfurt, Urteil vom 13.02.2012, Az.: 31 C 2528 (17)

Via Rechtsanwalt Marcus Dury, Saarbrücken

Kanzlei Kornmeier verliert in erster Instanz vor dem AG FFM - Az.: 31 C 2528/11 (17) (noch nicht rechtskräftig):

Urteil - Az.: 31 C 2528/11 (17) hier abrufen

Sachverhalt:
Klage wg. angeblichen Filesharings vor dem AG FFM. Unser Mandant wollte sich zunächst nicht gegen die Klage verteidigen, da ihm der Weg nach Frankfurt zu weit war und ihm die Sache schon lange genug auf die Nerven ging.

Nachdem das AG FFM aber mitgeteilt hatte, es sehe keinen Gerichtsstand in Frankfurt am Main begründet und zu einer mündlichen Verhandlung nach Frankfurt lud, wurden wir mit der rechtlichen Vertretung beauftragt. Die mündliche Verhandlung war gem. ZPO notwendig, da das Gericht die Klage nicht durch Beschluss ohne mündliche Verhandlung zurückweisen konnte. Dies sieht die ZPO so vor.

Zu der mündlichen Verhandlung erschienen wir aber nicht, da wir angesichts der Einschätzung des Gerichts hierzu keinen Anlass hatten.

Die Kanzlei Kornmeier beantragte für ihre Mandantin den Erlass eines Versäumniszurteils.

Wir beantragten nichts.

Die Klage wurde sodann durch das AG Frankfurt am Main im Rahmen eines sog. "unechten Versäumnisurteils" abgewiesen, da die Voraussetzungen für den Erlass eines VU nicht vorlagen, es fehlte nämlich an der örtlichen Zuständigkeit.

Es bleibt nun abzuwarten, ob die Gegenseite in die Berufung gehen wird.

Fazit:
Auch ohne die Anzeige der Verteidigungsbereitschaft kann man einen Prozess gewinnen. Es bleibt zu hoffen, dass sich das AG München und das AG Hamburg endlich einmal ein Beispiel am AG Frankfurt am Main nehmen.

Freitag, 17. Februar 2012

AG München 142 C 10921/11, Urteil vom 15.02.2012

Update - Offizieller Bericht von Dr. Bernhard Knies

Amtsgericht München, Az. 142 C 10921/11 Urteil vom 15.2.2012:

Keine Störerhaftung des Vermieters für seinen Mieter für illegales Filesharing:

Neues Urteil in Sachen Störerhaftung und Filesharing: Das Amtsgericht München hat mit einem durch unsere Kanzlei erstrittenen Urteil vom 15. Februar 2012 eine Klage von Waldorf Frommer im Auftrag eines großen Musiklabels abgewiesen und damit ein wichtiges Urteil zur Haftung von Vermietern gesprochen. Der Beklagte hatte nachweisen können, dass er für den illegalen Download und das Angebot von Musikdateien nicht selber verantwortlich war, sondern sein Mieter, dem er im Rahmen des Mietvertrages Zugang zu seinem W-LAN gewährt hatte. Zudem war der Mieter im Rahmen einer vertraglichen Vereinbarung zur Nutzung des W-LAN Netzes darauf hingewiesen worden, dass er über den Internet Anschluss keine Urheberrechtsverletzungen begehen dürfe.

Das Amtsgericht München hat hierzu geurteilt, dass in dieser Konstellation den Vermieter keine Störerhaftung trifft. Er muss insofern nicht für das Fehlverhalten seines Mieters einstehen.

Der Beklagte hat nach Auffassung des Amtsgerichts keine Prüfpflichten verletzt. Mit Aufnahme einer Klausel in den Mietvertrag, in dem sich der Mieter gegenüber seinem Vermieter zur rechtskonformen Nutzung des ihm überlassenen Netzzugangs verpflichtet, habe der Vermieter seinen Prüfpflichten ausreichend Rechnung getragen.

Das Urteil liegt auf einer Linie mit Urteilen, die die Haftung von Erwachsenen für Urheberrechtsverletzungen anderer Erwachsener kritisch sehen.

So hat etwa bei einem volljährigen Sohn das LG Mannheim mit Urteil vom 29.9.2006 (Az. 7 O 76/06 JurPC Web-Dok. 33/2007) die Meinung vertreten, dass die Eltern nicht auf Unterlassung in Anspruch genommen werden können. Kritisch äußert sich auch das OLG Köln beim gemeinsam genutzten Anschluss von Ehegatten (Beschluss vom 24.3.2011, Az. 6 W 42/11), hier gebe es wohl keine Überwachungspflichten.

Das vorliegende Urteil ist nicht rechtskräftig.

Newsticker

Neues Urteil zum Filesharing: Amtsgericht München vom 15.2.2012 Az. 142 C 10921/11: Keine Störerhaftung des Vermieters für Urheberrechtsverletzungen des Mieters, wenn dieser den Anschluß des Vermieters befugtermassen und nach Belehrung benutzen durfte

Besprechung folgt (im Übrigen ein Netzweltler) - Berufung 99,9% - Nicht rechtskräftig

Auf das Urteil weist hin:
Rechtsanwalt Dr. Bernhard Knies
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Rechtsanwälte Knies & Albrecht
Widenmayerstr. 34 - 80538 München

Update

Zum überraschenden Urteil des Amtsgerichts München vom 15.2.2012 Az. 142 C 10921/11 noch ein paar zusätzliche Informationen.

Interessant ist sicherlich die bislang einmalige Struktur des Vorgehens. Der Beklagte hatte sich nach einer Abmahnung der Kanzlei Waldorf ("Wir gewinnen in München immer"TM) im Jahr 2007 still und leise beständig in einem bekannten Verbraucherschutzforum mit Informationen versorgt. Er schrieb dort nur einen Beitrag, meldete sich jedoch im August 2011 bei den Verantwortlichen des Forums nach Eingang der Klagebegründung. Durch eine Bemusterung mit einem dort entwickelten Text konnte der Beklagte in diesem Bereich "selbst verteidigend" seine persönlichen Angaben, die im Rahmen der sekundären Darlegungslast vorzubringen sind eigenhändig ermitteln und eintragen. Er erarbeitete sich dabei die notwendige Beweisführung selbst. Dem Textautor verblieb die Rolle eines Supervisors. Er durfte den Text inhaltlich kontrollieren, absegnen und gab nützliche strategische Hinweise an den vertretenden Rechtsanwalt. Dieser konnte sich auf die juristischen Aspekte und die Verhandlungsführung konzentrieren. Obschon die Stimmung nach der "Vergleichsverhandlung" eher negativ war, zahlte sich dieses Vorgehen aus. Nicht nur unter neutralen rechtlichen Gesichtspunkten (wie man aus dem Volltext des Urteils sehen wird) ist die Entscheidung zu begrüßen. Sie rückt auch die Arbeit der beteiligten Elemente, die man offensichtlich an "kritischen" Gerichtsständen für gerechte Entscheidungen benötigt ins rechte Licht. Es darf also zu Recht von inem erneuten Meilenstein in der Kunst der Verteidigung in Filesharing-Verfahren gesprochen werden.

Für die Urteilsbegründung wird noch einige Zeit benötigt werden. Im Herbst sieht man sich dann vor dem Landgericht.

Hinzuweisen wäre noch darauf, dass dem Beklagten keinerlei finanzielle Zusagen Dritter gemacht wurden, oder er in seinen Entscheidungen in irgend einer Art beeinflusst wurde.

Mittwoch, 8. Februar 2012

Video

Das erste offizielle Netzwelt Spendenaktions-Video von und mit Rechtsanwalt Marcus Dury (wirtschaflich Berechtigter des Spendenkontos und im Entscheidungsgremium)

Sonntag, 5. Februar 2012

Die Schlacht am Östlichen Teutoburger Wald

Kürzlich sorgte Rechtsanwalt Dr. Ralf Petring von der Kanzlei Dr Wendt & Partner GbR in Bielefeld für Aufsehen, als er einen überaus richterfreundlichen Bericht über die Zustände am Amtsgericht München veröffentlichte. Am Samstag, den 04.02.2012 legte er nun erläuternd nach. [Weiterführender Link]

Heute Abend konterte der Bielefelder Rechtsanwalt und Notar Volker Küpperbusch, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht von der Kanzlei Dr. Stracke, Bubenzer & Kollegen mit einer sehr kritischen Antwort, die hier im Volltext wieder gegeben wird:

Stellungnahme zum Artikel "Differenzieren und argumentieren lernen heißt siegen lernen" und "Überraschende Tauschbörse von Argumenten"

I. Zur Überschrift

Schon die Überschrift der erweiterten Stellungnahme von Rechtsanwalt Dr. Petring wirft erste Fragen auf. Der erste Artikel beschäftigte sich mit einer Verhandlung vor dem Amtsgericht München, welche in einem Vergleich endete, dessen tatsächlicher Inhalt nicht mitgeteilt sondern skizziert wird.

Ob dieser Vergleich ein Sieg oder eine Niederlage in wirtschaftlicher Hinsicht darstellt, insbesondere wenn man die Kosten des eigenen Anwalts und die Reisekosten mitrechnet (es soll Kostenaufhebung vereinbart worden sein, jeder trägt also seine Kosten selbst) bleibt offen.

Ein Vergleich jedenfalls ist grundsätzlich kein Sieg, sondern eine Vereinbarung, die zumindest teilweise auch eine Niederlage darstellt.


II. Zur Verhandlungsführung des Amtsgericht München

Der Schreiber dieser Zeilen nimmt für sich in Anspruch, eine Vielzahl von Prozessen geführt zu haben, die sich sowohl mit zivilrechtlichen Fragestellungen als auch mit urheberrechtlichen Fragestellungen befassten. Unter Anderem im letzten Jahr Verhandlungen vor dem Landgericht Hamburg und dem Landgericht Berlin, die nicht in Vergleichen, sondern in klageabweisenden Urteilen endeten.

In sämtlichen Prozessen waren die Richter selbstverständlich bereit, sich Argumente anzuhören. Dies ist keine Besonderheit, sondern richterliche Pflicht und in einem Rechtsstaat zu erwarten. Nicht umsonst gibt es den Grundsatz rechtlichen Gehörs.

Die Tatsache, dass es im Hinblick auf das Amtsgericht München besonderer Erwähnung bedarf, dass dies dort auch so gehalten wird, ist bereits bedenklich und zeigt ein gewisses Misstrauen in die dortige Rechtsprechung.

Es gab vor dem Bericht des Rechtsanwalts Dr. Petring mehrere Anlässe, die einen auch objektiven Anlass gaben, eine gewisse Tendenz des Amtsgerichts München im Bereich Filesharingfälle festzustellen.

Dazu zählt insbesondere die Pressemitteilung des Amtsgerichts selbst, in welcher sich eine ausweislich des Urteils des BGH vom 12.05.2010 "Sommer unseres Lebens" rechtlich völlig an der Sache vorbeigehende Vermischung von Täter- und Störerhaftung fand.
Link: http://www.justiz.bayern.de/gericht/ag/m/presse/archiv/2011/03259/index.php

Dort fand sich folgende erstaunliche Erkenntnis:

"Hatte er (der Anschlussinhaber) seinen Internetzugang nicht ausreichend gesichert, entsprach der Schutz zum Zeitpunkt der Einrichtung auch nicht dem Stand der Technik, kann er auch auf Schadenersatz verklagt werden. Dieser bemisst sich im Regelfall nach der ansonsten angefallenen Lizenzgebühr."

Dies ist falsch, zeigt aber die Tendenz des Amtsgerichts München in Urhebersachen eindrucksvoll auf. Natürlich kann er verklagt werden. An sich schuldet der Störer aber gerade keinen Schadensersatz, die Klage wäre also zwingend abzuweisen.

Wenn Dr. Petring diesbezüglich die Worte prägt, "bange machen gilt nicht", so fragt sich, welchen Sinn solche Pressemitteilungen eines Amtsgericht ansonsten haben sollten. Was veranlasst ein Amtsgericht zu Pressemitteilungen, deren rechtlicher Inhalt mit dem einschlägigsten Urteil des BGH zu diesem Thema nicht in Übereinstimmung zu bringen ist? Eine aus meiner Sicht interessante und völlig offene Frage.

Dr. Petring schließt zu diesem Thema selbst wie folgt:

"Schließlich verlangt eine differenzierte Betrachtung des Themas "Tauschbörsen vor Gericht" auch eine Differenzierung hinsichtlich der jeweils geltend gemachten unterschiedlichen urheberrechtlichen Ansprüche: Wer vielleicht urheberrechtlich Unterlassung einer zukünftigen öffentlichen Zugänglichmachung oder – davon zu unterscheiden – der zurechenbaren Ermöglichung einer urheberrechtwidrigen öffentlichen Zugänglichmachung durch Dritte – beanspruchen kann, dem steht dennoch keineswegs in jedem Fall der zusätzlich geltend gemachte Anspruch auf Erstattung vermeintlich entstandener Rechtsanwaltskosten zu (oder in der verlangten Höhe zu). Und der kann schon gar nicht in jedem Fall verschuldensabhängige Schadensersatzansprüche (zumal in unangemessener Höhe) durchsetzen. Die Abmahnungslobby vermischt in dem Zusammenhang gerne Täter- und Störerhaftung. Auch hier heißt es manches Mal: Differenzieren und argumentieren lernen heißt siegen lernen."

Vor allen Gerichten in Deutschland ist zu verzeichnen, dass man sich zunehmend differenziert mit den Fragen nach berechtigten Ansprüchen, Streitwerthöhen und der Frage nach Störer oder Täter einer Handlung auseinandersetzt. In München dagegen wird sogar eine Pressemeldung verbreitet, die ausschließlich zu rechtlicher Verunsicherung betroffener Verbraucher führt und die Tendenz zeigt, Störer- und Täterhaftung als gleich anzusehen.

Es ist also richtig, dass eine differenzierende Betrachtung vonnöten ist. Inwieweit man allerdings außerhalb von Vergleichsgesprächen tatsächlich Gehör findet und welche Tendenz dem Grundsatz nach durch das Gericht gewählt wird, erscheint angesichts der Pressemeldung in München und dortiger Verhandlungen zweifelhaft.

Insofern erscheint höchst fraglich, ob nicht die von Dr. Petring als so angenehm beschriebene Verhandlung tatsächlich der wirkliche Einzelfall ist und teilweise darin begründet liegt, dass letztlich der Vergleich geschlossen wurde.

Interessant wird die Verhandlung in München vor allem, wenn ein Vergleichsschluss abgelehnt wird.

In zeitlicher Nähe zur beschriebenen Verhandlung habe ich eine völlig andere Erfahrung der Verhandlungsführung gemacht, wobei ich nicht nur das eigene Verfahren geführt, sondern auch weitere 4 Verfahren als Zuschauer erleben konnte.

Hier bestätigte sich zwar, dass unterschiedlicher Vortrag zu unterschiedlichen Ergebnissen führen kann. Gleichsam bestätigte sich die eher kritische Berichterstattung Dritter über Verfahren vor dem Amtsgericht München.

Innerhalb von Vergleichsgesprächen wurde stets – ausnahmslos – davon ausgegangen, dass die "Kostenerstattung" sowieso geschuldet sei. Dabei wurden Argumente "ausgetauscht" bzw. vom Gericht eingeführt, die teilweise gleichen rechtlichen Gehalt wie die Pressemitteilung hatten. Ansonsten ging es stets fast nur noch um die Frage, wie hoch Schadensersatz zu zahlen sein wird.

Unangenehm wird die Sache dann, wenn sich ein Beklagter traut, den Vorschlag zur Zahlung abzulehnen. In diesem Fall versteht das Gericht sich auch in der Ausschöpfung der "Möglichkeiten der Sachverhaltsaufklärung", indem etwa 700 km entfernt wohnende Beklagte persönlich geladen werden und gleichzeitig festzulegen, dass eine Vertretung nicht erfolgen können – man möge bitte zwingend selbst erscheinen. Im konkreten Fall haben einige weitere Punkte der Verfügung und Äußerungen des Richters Anlass gegeben, den zuständigen Richter wegen Besorgnis der Befangenheit abzulehnen. Dieser Antrag (der zweite in meiner ganzen beruflichen Laufbahn, in Urhebersachen der erste) ist vom Amtsgericht München zurückgewiesen worden. Um ein kostenmäßig völlig unverhältnismäßiges Ausufern des Verfahrens zu verhindern, wurde letztlich auch hier ein Vergleich geschlossen.

Diese Tendenz galt für alle Verfahren, denen ich auch als Zuschauer beiwohnen durfte. Bei allen Verfahren wurde ein Teil Schadensersatz mit vereinbart, obwohl aus objektiver Sicht unter Berücksichtigung des Ausschlusses von Schadensersatz bei reiner Störerhaftung wohl einige Male keiner geschuldet gewesen wäre. Unter Anderem einmal mit dem "Argument": "Dann war's eben der Ehepartner" – wohl kaum rechtlich wirklich haltbar.

Hierzu stellt Rechtsanwalt Dr. Petring folgendes fest:

"Trotz der nicht selten geringen Substanz in der Abmahnung verlangen die für die "Rechte-Inhaber" agierenden Rechtsanwälte regelmäßig vom Abmahnungsempfänger nicht nur oft unmögliche und/oder unzumutbare sachverhaltliche und technische Darlegungen unter dramatisierendem Hinweis auf eine sogenannte "sekundäre Darlegungslast"; zusätzlich möchten die Formular-Juristen auch noch gerne die Beweislast hinsichtlich der "festgestellten" Rechtsverletzung und hinsichtlich eines vermeintlichen "Verschuldens" dem Anschlussinhaber bzw. der Anschlussinhaberin zuweisen. Um eine Angabe bzw. Zitierung "eindeutig" anwendbarer gerichtlicher Entscheidungen (s.o.) ist man dabei zumeist nicht verlegen. Demgegenüber hängt die gerichtlich sorgfältig abzuwägende Verteilung der Darlegungslast und der davon zu unterscheidenden Beweislast stattdessen stets von einer Vielzahl von konkreten Umständen bzw. Indizien des jeweiligen Einzelfalls ab. Diese sind im Rahmen des prozessualen Vortrags argumentationsstark aufzuzeigen – das ist kein Durchmarsch, weder für die Kläger-, noch für die Beklagten-Seite."

Betrachtet man die Klagen vor dem Amtsgericht München, so ist der Klagevortrag stets nahezu identisch.

Ohne ganz umfänglichen dezidierten und bis ins kleinste Detail ausgearbeiteten Sachvortrag in der Klageerwiderung ist tatsächlich in München nichts zu erreichen. Das aber ist ausschließliche Aufgabe des Beklagten. Die Klage befasst sich regelmäßig mit Allgemeinerwägungen angeblicher Schädlichkeit von Filesharing und enthält kaum tatsächlichen Einzelvortrag. Dieser wird von Abmahnern auch nicht verlangt. Hier reicht zunächst einmal wie innerhalb der Abmahnung die wiederholte Verwendung von Allgemeinerwägungen, kombiniert mit eingefügten Daten des Abgemahnten und angeblichen Verstoßzeiträumen.

Auch dezidierter Vortrag dagegen, wie er vor anderen Gerichten recht schnell zur Klageabweisung führt, wenn nicht vertiefender Vortrag der Kläger folgt (siehe Landgericht Hamburg; Landgericht München, Landgericht Stuttgart, Landgericht und OLG Frankfurt) führt vor dem Amtsgericht München bestenfalls dazu, sich "dezidiert damit auseinander zu setzen" oder dem Beklagtenvertreter zuzuhören ("in Vergleichsverhandlungen eine Tauschbörse an Argumenten").

Für einen Beklagtenanwalt sollte es wiederum eine Selbstverständlichkeit sein, dezidiert und umfänglich nach den Regeln anwaltlicher Kunst vorzutragen. Wer als Abgemahnter alleine sein Heil sucht, ist in solchen Fällen verloren. Der Glaube, das Gericht werde schon erkennen, worum es geht, verkennt, dass ein Gericht im Zivilverfahren nur berücksichtigen darf, was als Sachverhalt in den Prozess richtig und wahrheitsgemäß eingeführt (vorgetragen) wurde. Einen Vergleich bekommt man vielleicht sogar hin, aber kaum einen günstigen und schon gar keinen Sieg. Weder in München, noch vor anderen Gerichten.

Betrachtet man aber etwa mal genauer, welche Abmahnungen etwa der Kanzlei Waldorf Frommer aus den Jahren 2007 und 2008 betroffen sind, so führt dies zur Erkenntnis, dass man auf Seiten des Gerichts auch noch ganz anders damit umgehen könnte, wenn man denn kritischer betrachten wollte. So hat schon das OLG Köln (Beschluss vom 20.05.2011 (Az. 6 W 30/11)) zu solchen Abmahnungen folgende Worte gefunden:

"Insoweit ist jedenfalls von einem gewerblich tätigen und rechtlich beratenen Gläubiger zu verlangen, dass er dem Schuldner keine Hinweise erteilt, die den Schuldner von der Anerkennung des Anspruchs abhalten können. Geschieht dies gleichwohl, kann der Gläubiger – nach objektiven Maßstäben – aus einer unterbliebenen Reaktion des Schuldners auf die Abmahnung nicht schließen, dass eine gerichtliche Inanspruchnahme erforderlich ist. Der Senat verkennt nicht, dass diese Einschätzung bisher – wie die Antragstellerin dargelegt hat – in der Literatur nicht vertreten worden ist. Es lässt sich den angeführten Literaturnachweisen jedoch nicht entnehmen, dass diese sich mit den hier gegebenen Besonderheiten auseinandergesetzt haben. Dass Privatpersonen wegen Urheberrechtsverletzungen in Anspruch genommen werden, kommt nämlich erst in jüngerer Zeit in einem früher kaum vorstellbaren Umfang vor."

Dies bedeutet, dass es sich bei solchen Abmahnungen um eine Tätigkeit handelt, die nicht erforderlich und notwendig zur außergerichtlichen Rechtsdurchsetzung ist, sondern vielmehr um dazu gerade nicht geeignete Leistungen. Wenn aber weder erforderliche noch angemessene notwendige außergerichtliche Kosten anfallen, sind diese nicht erstattungsfähig, mal abgesehen von der weiterhin offenen Frage tatsächlicher Zahlung von Rechteinhabern an Rechtsvertreter.

(Vergleichbar auch die Entscheidung OLG Düsseldorf vom 14.11. 2011, Az. I-20 W 132/11 – unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung)

Mit solchen Argumenten etwa findet man bisher beim Amtsgericht München kein Gehör.


III. Schlussfolgerung

Im Ergebnis nach langem Kampf in einem Urteil ausnahmsweise aus der Schadensersatzhaftung herauszukommen ist eben sowenig ein Sieg wie ein Vergleichsschluss und ganz sicher kein Beleg für die Fairness oder die Tendenz eines Gerichtes, vor allem nicht, wenn wie üblich hoch eingeklagt wird und/oder die Kosten des Beklagten die dieser selbst zu tragen hat, den Nutzen (Senkung des Betrages durch Vergleich oder Teilabweisung) wieder aufzehren.

Mir ist kein Fall persönlich bekannt, in dem vor dem Amtsgericht München ein Abgemahnter wirklich gewonnen und nicht nur einen Vergleich geschlossen hätte, was aus wirtschaftlichen Gründen angesichts der ansonsten drohenden Vorgehensweise häufig Sinn macht.

Die furchtbare Folge des fliegenden Gerichtsstandes – explosionsartig anwachsenden Kosten für weit entfernt wohnende Abgemahnte – zeigt hier ihre volle Wirkung, wenn erst mal zur Vergleichsverhandlung geladen wird, dann nach Ablehnung zur zweiten Verhandlung und ansonsten vor allem der Wink mit dem erforderlichen Gutachten (Zitat des Richters: "5.000 Euro wird das schon kosten") erfolgt. "Günstig" wirkt sich für solches Vorgehen auch die Randlage des Gerichts in München aus, viele Abgemahnte müssen weit reisen, das macht die Erzeugung wirtschaftlichen Drucks auf Abmahnerseite leichter.

Die Tatsache, dass ein Gericht sich Argumente auch des Beklagten anhört, ist für einen Rechtsstaat ein Mindestmaß an Selbstverständlichkeit und nicht der geringste Grund, ein solches Gericht gesondert lobend zu erwähnen. Wenn das Gericht dezidierte Urteile unter Berücksichtigung des gesamten Vortrages und der Prüfung der Richtigkeit beiderseitigen Vortrages und umfänglicher manches mal auch rechtlich schwieriger Begründung findet, ist dies eine andere Qualität und verdient besondere Erwähnung.

Die Tatsache, dass die lobenden Worte über ein Gericht wiederholt wurden, weil dieses zuzuhören oder "Argumente auszutauschen" bereit war, bedurfte aus meiner Sicht einer Erwiderung. Die umfassende Gewährung rechtlichen Gehörs sollte auch in Filesharingfällen eine Selbstverständlichkeit gerichtlicher Verfahren sein bzw. werden.

Links
6 W 30/11
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=6%20W%2030/11

I-20 W 132/11
http://dejure.org/dienste/vernetzung/rechtsprechung?Text=20%20W%20132/11

Freitag, 3. Februar 2012

Systematische Abmahntätigkeit IV

Vorwort

Heute beschäftigt sich der Autor mit der Debcon-Situation. Tausende Abgemahnte der Kanzlei U+C erhielten seit Ende Januar 2012 Zahlungsaufforderungen dieser Inkassofirma, nachdem die Kanzlei U+C eine Versteigerung von Forderungen plakatiert hatte. Die folgenden Daten sind jedoch "spekulativ". Es ist unmöglich genaue Vorhersagen zu treffen, da U+C Mehrfachabmahnugen von bis zu 20 Stück verschickt, und insofern die nun durch das Inkasso vorgebrachten Summen stark mit den real einklagbaren Werten differieren. Hinzu kommt, dass die Gesamtgröße des Pakets nicht klar ist und wir es mit vier unterschiedlichen Ermittlungsfirmen zu tun haben, die auch unterschiedliche Ermittlungskosten gegen über den Rechteinhabern gelten machen.

Das Gesamtpaket

Zu beachten ist hierbei, dass selbst eine eigene Inkasso-Abteilung Schwierigkeiten haben wird das Gesamtpaket auf einmal abzuwickeln. Es wird also mutmaßlich ein Stufensystem bestimmte Tranchen abwickeln. Die Nichtzahlerquote dürfte bei U+C verhältnissmäßig hoch anzusetzen sein, auch bedingt durch die hohe Anzahl am Mehrfachabgemahnten.

Auszugehen ist von absoluten Zahlen (Quelle princess15114) für
2009 - 23 300 (Regelporno-)Abmhanungen = 16 890 Nichtzahler
2010 - 55 700 (Regelporno-)Abmahnungen = 40 380 Nichtzahler
Gesamt Nichtzahler 57 270
Die amerikanischen Pornohersteller (Digiprotect), die keine Verfolgungen vornehmen sind berücksichtigt.

Nun setzten wir den Nominalwert einer Pornoabmahnung unter Berücksichtigung eines Faktors 3 für Mehrfachabmahnungen im Durchschnitt 3 in der Anzahl an und kommen zum Ergebniss
- Einfach-Abgemahnte Nichtzahler 34 362 x 851,80€/Stück = 29.269.551,60€
- Dreifach-Abgemahnte Nichtzahler 22 908 x 1.605,40€/Stück = 36.776.503,32€
Schadensersatzanteil und Ermittlungs/Auskunftskosten sind beinhaltet.

Gesamtpaketwert = 66.046.054,80€

Die Kosten der Rechtsverfolgung

Zu nennen wären die Ermittlungsfirmen
Copyrigth Solution
Digirigths Solution
Digitracing
BHIP.
Es liegen hier aus Verfahren Rechnungen von bis zu 80,00€ netto pro verwertbarer IP-Adresse vor. Wir nehmen im Mittel 50,00€, so dass ein Wert in Höhe von 2.863.500,00€ abzuziehen wären.

Kosten der Auskunftsverfahren (incl. Strafanzeigen)

Da wir die einzelnen Aktengrößen nicht kennen (die Telekom AG rechnet nach IP-Anzahl ab) legen wir im Mittel nochmal 50,00€ für die Durchschnittabmahnung an Telekom-AG-Kundenverratsgeld fest, also nochmals 2.863.500,00€. Die Kosten für die gerichtlichen oder staatsanwaltschaftlichen Verfahren sind nur mit durchschnittlich 8,00€ zu bewerten = 458.160,00€.

Es verbleibt damit von der Gesamtforderung noch ein Betrag von ca. 59.861.000,00€.

Bewertung der Rechtsanwaltskosten

Nach jüngsten Berichten liegt der aktuelle Vergleichswert, den das Inkasso anbietet bei 390,00€. Wie schon im Fall der Schalast-Sonderangebote liegt damit nahe, dass die RA-Kosten pro Auskunftspaket/Abmahnwelle definiert werden. Hierbei schwankt der Satz beträchtlich. Wir tun gut daran hier mal ca. 120,00€ im Durchschnitt anzusetzten, so dass eine Forderung/Anwaltskosten bei einem Sofort-Vergleichszahlerwert von ca. 15% der Nichtzahler anzusetzen ist. Bei Mehrfachabgemahnten ist noch kein relevanter Wert aufgetaucht. Wir setzen das Doppelte an.

Man erhält von Einfach-Abgemahnten 2.010.177,00€ und von Mehrfach-Abgemahnten 2.680.236,00€ = 4.690.413,00€.

Dem Gesamtpaket werden dabei genau 6.872.400,00€ an Rechtsanwaltskosten eingebucht. Es besteht also noch ein Schuldverhältnis in Höhe von - 2.181.987,00€. Dieses dürfte aber durch die bereits geleisteten Zahlungen von Abgemahnten im Bereich von 6.500.000,00€ (Einfach-Abgemahnte) und 8.700.000,00€ (Mehrfachabgemahnte) = 15.200.000,00€ (abzüglich der obigen Ermittlungs- und Auskunftskosten ergo 2.400.000,00€ - Rest 12.800.000,00€) erledigt sein. Wir träfen dort auf einen Überschuss (RA-Kosten-Gesamt abziehen) von knapp 8.000.000,00€. Dieser dürfte wiederum brav zwischen Rechtsanwaltskanzlei und Rechteinhaber aufgeteilt werden.

Der Inkasso-Wert

Aus den Sofortzahlern wird sich das Inkasso 20% schnappen = 938.082,60€.

Es verbleibt aber noch eine Forderungsgröße in Höhe von 55.170.587,00€.

Es wird dabei sicherlich im Bereich von 3.000.000,00€ Zwischenzahler geben, bis eine Mahnbescheidwelle in Gang gesetzt werden wird. Erfahrungsgemäß brechen hier nochmals eine Vielzahl von Haushalten ein, oder verabsäumen Fristen. Ich schätze die hierdurch zu erzielende Masse derzeit mit 9.000.000,00€ ein = 12.000.000,00€ zusätzlich bis zur Verjährung der Forderungen. Brüderliche Teilung der Eingänge durch drei.

Fazit

Bei der immer noch exorbitanten Restforderungssumme in Höhe von 43.170.587,00€ sind Unwägbarkeiten natürlich nicht ausgeschlossen. Sollte das Inkasso den Druck massiv erhöhen ist noch bei Weitem mehr drin als die hier anzusetzenden 16.700.000,00€.

Rechnen tut sichs auf alle Fälle.

Donnerstag, 19. Januar 2012

Rechtsschutzamateure schlagen wieder zu

Hinweis: Nach dem Erhalt einer Abmahnung ist allein die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung nach 'Hamburger Brauch' als Reaktion zu empfehlen. Im Anschreiben sind keine weiteren Informationen nötig. Im Anschluss an die fristgerechte Abgabe der modUE kann sich jeder der Abgemahnten ausführlich in Verbraucherschutzforen informieren. Die Einbezugnahme von Scheidungsanwälten, Tantenanwälten, Freundschaftsanwälten, Verbraucherschmutz, Rechtsschutzversicherungshotlines, etc... führt normalerweise in die mögliche finanzielle Katastrophe.

Erneut ist eine deutliche Warnung an abgemahnte Haushalte dringend geboten. Viele Personen, die sich teils unberechtigten Forderungen der Unterhaltungsindustrie in Sachen "Filesharing" ausgesetzt sehen, denken sie könnten sich bei ihrer Rechtsschutzversicherung über das richtige Vorgehen nach dem Erhalt einer Abmahnung informieren. Es mag sicher sogar in den Hotline-Schleifen Rechtsanwälte gegeben, die sich auskennen. Die Erfahrung sagt aber, dass überwiegend fehlerhafte bis vernichtende Falschberatungen vorkommen. die folgen für die Abgemahnten können dramatisch sein. Sowohl die mitgesandten "Erklärungen", als auch empfohlene "Texte" weisen haarsträubende Fehler auf, die in Schuldeingeständnissen münden. Gemeinhin ist damit dem Abgemahnten in künftigen Verfahren verwehrt sich zu verteidigen. Er muss bezahlen.

Heute ein Exterembeispiel. Das folgende vorgefertigte Produkt wird von einer RSV Abgmahnten "zum aufüllen" angeboten. Die Erklärung stellt schlichtes Harakiri dar. Der Vordruck einer "modifizierten Unterlassungserklärung" ist unanwaltlich und idiotisch. Hände weg!!! --- Die Fehler sind markiert. Besprechung würde Monate dauern. Es ist eigentlich alles falsch.


Name, Adresse, Datum

per Einwurfeinschreiben
Name und Adresse der abmahnenden Anwaltskanzlei

Betreff: Abmahnung/Unterlassung

Sehr geehrte Damen und Herren,

Ihr Schreiben vom habe ich erhalten.

Hierzu nehme ich Stellung wie folgt:

Nach gründlicher tatsächlicher Überprüfung des vorgeworfenen Urheberrechtsverstoßes ist unklar, durch wen und von welchem Computer aus die streitgegenständliche Musikdatei/Filmdatei zum Download angeboten wurde. Weder ich selbst noch die den Internetanschluss nutzenden Familienangehörigen/Dritte haben die streitgegenständliche Datei heruntergeladen bzw. zum Upload angeboten, noch war diese zu irgendeinem Zeitpunkt auf dem von mir genutzten Computer installiert.

Nach alledem ist wahrscheinlich, dass ein Dritter sich unberechtigt Zugriff auf das von mir genutzte WLAN-Netzwerk verschafft hat und die streitgegenständliche Datei so im Internet Dritten zugänglich gemacht worden ist.
Zwar habe ich mein WLAN-Netzwerk im üblichen Rahmen mittels ausreichend langen und individualisierten Passworts gegen unbefugten Zugriff von außen abgesichert, gleichwohl kam es mutmaßlich zu der missbräuchlich Verwendung meines Internetanschlusses durch unbekannte Dritte.

Von den in Ihrem Schreiben geltend gemachten Rechtsverfolgungskosten bin ich bereit, im Interesse einer zeitnahen Erledigung der Angelegenheit EUR 100,00 zu bezahlen. Die Kosten der Abmahnung dürfen gemäß § 97 a Abs. 2 UrhG maximal EUR 100,00 betragen. Diesen Betrag habe ich heute angewiesen.

Zur weitergehenden Zahlung eines pauschalierten Schadensersatzes gemäß § 97 Abs. 1 UrhG bin ich mangels Verschulden nicht verpflichtet. Insofern bitte ich um Verständnis, dass Zahlungen nur auf die Kosten der Abmahnung geleistet werden.

Als Anlage übersende ich die von Ihnen angeforderte und von mir modifizierte sowie unterzeichnete Unterlassungserklärung. Diesbezüglich ist noch darauf hinzuweisen, dass die Gefahr weiterer Rechtsverletzungen von vornherein nicht besteht, da sich die streitgegenständliche Musikdatei nie auf meinem Computer befunden hat. Zudem habe ich mein bislang verwendetes Passwort für mein WLAN-Netzwerk nach Erhalt Ihres Schreibens umgehend geändert und mich mit meinen Internetanbieter in Verbindung gesetzt, um künftig unbefugten Zugriff auf mein WLAN-Netzwerk auszuschließen.

Für Rückfragen stehe ich Ihnen gerne zur Verfügung.

Mit freundlichen Grüßen

Unterschrift


Anlagen: Unterlassungserklärung


Strafbewehrte Unterlassungserklärung

Anschlussinhaber Adresse
__________________
__________________
__________________
- im folgenden Unterlassungsschuldner -
verpflichtet sich hiermit gegenüber dem/der
Rechteinhaber Adresse

__________________
__________________
__________________
- im folgenden Unterlassungsgläubiger -


es ab sofort zu unterlassen, … (z. B. das/den Musikalbum/Musikstück/Film der Künstlergruppe/des Künstlers) ohne die erforderliche Einwilligung des Unterlassungsgläubigers im Internet Dritten verfügbar zu machen oder auf sonstige Weise auszuwerten

sowie

für jeden schuldhaften Verstoß gegen diese Verpflichtung eine Vertragsstrafe an den Unterlassungsgläubiger zu zahlen, die in das billige Ermessen des Unterlassungsgläubigers gestellt wird, und im Streitfall von der zuständigen Gerichtsbarkeit zu überprüfen ist.



__________________________
Ort, Datum


__________________________
Unterschrift

Samstag, 14. Januar 2012

AG München, Urteil vom 29.12.2011, Az.: 142 C 19273/11

Update: Volltext des Urteils

Kurzbesprechung

Sachverhalt

Zwei Rechteinhaber aus der Hörbuchindustrie hatten im Jahr 2007 Rechtsverletzungen in einer Internet-Tauschbörse an zwei Werken der Klägerin R.H. GmbH und einem Werk der Klägerin B.L. GmbH & Co. KG fest gestellt. Jeweils wurde ein Anschlussinhaber als Quelle der Rechtsverletzung durch die STA München ermittelt. Der Vorwurf war zutreffend.

Der in der Folge abgemahnte Anschlussinhaber hatte zudem eine vorbehaltlose Unterlassungserklärung abgegeben und sich dahin gehend geäußert "Kinder" hätten die Tahandlung begangen. Er führte in der Beweisaufnahme an, dass diese falsche und nicht entscheidungserhebliche Aussage einer schweren Grippe und seiner Panik entstammen würde.

Tatsächliche Täterin war seine Schwester A., die zu den Tatzeitpunkten im Haus des Beklagten weilte. Diese war bekannter Maßen internetsüchtig, darüber verschuldet, in psychologischer Behandlung, und trotz eingehender Gespräche mit dem Bruder begang sie die Tathandlungen.

Es sei an dieser Stelle nicht unerwähnt, dass die von der Schwester begangene Rechtsverletzung Werke betrafen, die im drastischen Fall ein 2002 veröffentlichtes Hörbuch betrafen, so dass der Schreiber dieser Zeilen beim besten Willen die dümmlichen (Verzeihung ... rutschte so raus) ... wohl durchdachten Schätzungen des spezialisierten Gerichts in München zum Thema Schadensersatz nicht notwendiger Weise nachvollziehen kann.

Nun war also die Frage zu stellen, in wie weit in dieser Konstellation dem Anschlussinhaber Kontrollpflichten auf zu erlegen seien. Richtig ist, dass er von der Suchtkrankheit, an der kein Zweifel bestand wußte.

Das Gericht urteilte allen Ernstes, dass die internetsüchtige Schwester im Bewußtsein der strafbaren und unerlaubten Handlung die Tat begangen habe. Es ist sicherlich richtig, dass jeder Junky, oder Alkohol-Abhängige für seine Taten verantwortlich ist. Das die Küchenpsychologen vom AG München hier aber der Frau die volle Verantwortung für ihre Sucht zuschreiben, grenzt nicht mehr an einen Skandal. Dort kann man Leute im Suff halb tot schlagen, und mit sanften Urteilen rechnen. (Kuckst Du hier)

Der Anschlussinhaber wurde dahingehend verpflichtet mit der im Verlauf des Verfahrens als Beklagte eingestuften Schwester gesamtschuldnerisch die Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung zu übernehmen, da er seiner Schwester aufgrund ihrer ihm bekannten Vorgeschichte (Kazaa) niemals einen unkontrollierten Internetzugang gestatten haben durfte. Er habe damit seinen Prüfpflichten (Blödsinn .. Sorgfaltspflichten) nicht genüge getan. Allerdings würde er sowieso haften, da er die orginale Erklärung unterschrieben habe.

Die Beklagten wurden zur Kostenübernahme von
666,00€ an Rechtsanwaltskosten und dem unschlagbaren Betrag i.H.v.
900,00€ an Schadensersatz
gerichtlich verpflichtet

Der Teiler für die Verfahrenskosten wurde bei 29% für die Klägerinnen fest gelegt.

Den Beklagten ist anzuraten dieses Urteil durch das Landgericht Müchen bestätigen zu lassen.

Da war doch was....

"Die Dateien können gemeinfrei oder mit einer allgemeinen Lizenz versehen sein. So ist es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, dass Interpreten ihre Stücke zur freien Verbreitung in das Internet einstellen."

(OLG Düsseldorf)


"Habe ich niemandem eingeräumt" - einem kleinen Textschreiber unter vielen "Miturhebern" das Wort "niemandem" in den Mund zu legen muß zum Rohrkrepierer werden. Zwar hat am 09.01.2009 Matthew Tasa das Produkt unterschrieben, mußte allerdings in Kentniss eines Umstandes sein, der einen Rechtsverletzer seiner Angaben im Bereich von aktuell 772.000 Abrufen demaskiert. Die ... Musikgruppe selbst erlaubte sich wie üblich auf dem eigenen YouTube-Channel das Musikwerk "ungenehmigt" und gegen Tasas Willen am 10.12.2008 das Werk unentgeltlich vor dem offiziellen Verkaufsstart öffentlich zugänglich zu machen und so nebenbei einen vollständig legalen und kostenlosen Download des Musikwerks und des Videos zu ermöglichen. Hinzu kommt die von der Mitrechteinhaberschaft eingeräumte Möglichkeit den Titel einer unbegrenzten Anzahl von Internetusern weltweit auf eigenen Webseiten nicht nur zu präsentieren, sondern auch über die Webseite des "Dritten" einen kostenlosen Download zu ermöglichen.

http://vsberg.blogspot.com/2010/02/sachverhaltsdarstellung-08022010.html

OLG Düsseldorf, I-20 W 132/11, Beschluss vom 14.11.2011

Erster Teil - Besteiten mit Nichtwissen

Das OLG Düsseldorf musste sich in diesem Rechtsstreit mit einer Beschwerde einer Beklagten beschäftigen, der zuvor vom Landgericht Düsseldorf Prozesskostenhilfe versagt worden ist. Volltext am Ende der Besprechung.

I - Bestreiten mit Nichtwissen

Nach § 138, Abs. 4 ZPO ist eine Erklärung mit Nichtwissen nur über Tatsachen zulässig, die weder eigene Handlungen der Partei noch Gegenstand ihrer eigenen Wahrnehmung gewesen sind. Erstmalig hat nun ein Gericht im Bereich des Filesahring diese Form des Bestreitens einer Beklagten zugestanden.

Der BGH hatte sich am 12.05.2010 im Urteil I ZR 121/08 wie folgt fest gelegt: "Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. OLG Köln MMR 2010, 44, 45; GRUR-RR 2010, 173, 174)."

Diese "sekundäre Darlegungslast" wurde bislang auf alle mögliche Fallkonstellationen übertragen, also auch diejenigen die von dem obigen Vorgang abweichen ("Jemand anderes wars...").

Unter dem Begriff der "sekundären Darlegungslast" finden sich sämtliche Elemente, die zu dem Betrieb eines Internetanschlusses zu den vorgeworfenen Tatzeitpunkten gehören. Neben dem Thema der Sicherung des üblichen Funknetzwerkes (WLAN) gegen einen unberechtigten Zugriff von aussen, soll datailiert Auskunft über die Nutzungsberechtigten des Anschlusses, ihre Aussagen zum Vorwurf, allgemeines Nutzerverhalten, lückenlose An- und Abwesenheitsdarstellung, Konsumentenverhalten gegeben werden, sollte man dem Gericht mitteilen, man selbst habe die Tathandlung nicht begangen. Ausführlichst soll über die Einhaltung von Prüf-, Sorgfalts- und Verkehrssicherungspflichten berichtet werden.

Ein Vorgang der ohne professionelle Unterstützung einem Normalverbraucher vollständig unmöglich ist. Dies führte auch unweigerlich in für Endverbraucher teils absurde "Hürden", die von Richtern aufgestellt wurden (Portsperren, Zugriffskonten für Nutzer, Dauerüberwachung von Kindern und Strafandrohung). Es entstand an verschiedenen Gerichtsständen zudem ein Wildwuchs, der sich stets auf die "Beweise" der Kläger berief und aus dem BGH-Urteil pauschal ein Verschulden des jeweiligen Beklagten, ohne Berücksichtigung seiner Argumente anheim stellte.

Die Beklagte hingegen im Fall in Düsseldorf bestreitet die Richtigkeit des gesamten Vorgangs ("Onlineermittler, Provider"). Ob sie dies nun perfekt im Sinne der "sekundären Darlegungslast" tat oder noch tun wird war für die Richter am OLG nicht von Belang, da diesen bereits ein begründetes Bestreiten mit Nichtwissen ausreicht. Logischer Weise reicht eben auch hier kein "Ich wars nicht!".

Grundsätzlich wird in Filesharing-Verfahren gerne aufgrund der "Glaubhaftmachung" durch die klägerseits vorgelegten Beweise (Auskunftsverfahren, Loggerbeweise, Parteigutachten) von den Beklagten verlangt etwas zu leisten zu dem sie nicht in der Lage sind: Belege für einen Fehler bei zu schaffen. Das OLG hierzu: "Die Beklagte hat keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerinnen, des "Onlineermittlers" und des Internetproviders." Dieser Gedankengang (wie in den Urteilen des LG Berlin und auch beim OLG Köln) setzt sich mittlerweile nach langem Kampf durch.

Der Beschluss des OLG Düsseldorf ist jedoch weit reichender. Es geht zudem und vorerst allein um die Zulässigkeit eines Bestreitens der Tathandlung über den eigenen Anschluss selbst. Zulässig bedeuted in der Umkehr "nicht zulässig", dass die Tatsachen die von den Klägerinnen vorgetragen werden als zugestanden gelten, falls keine andere Form des Bestreitens gewählt wird, womit wir wieder bei der "sekundären Darlegungslast" angekommen wären.

Diese kann von Einzelpersonenhaushalten (berüchtigt ist ja das aktuelle Urteil des AG Münchens, an dem die Richter einer "bettlägerigen Oma ohne Computer" per tatsächlicher Vermutung zusprachen einen Hooligan-Film in Tauschbörsen angeboten zu haben), von Vermietern, WG-Anschlussinhabern, Firmeninhaber, etc... oftmals nicht geleistet werden, da die Tathandlung selbst keine eigene Handlung, oder Gegenstand ihrer Wahrnehmung sein konnte. Auf einem anderen Blatt steht, was zur Verhinderung eines Missbrauchs eines Internetanschlusses getan werden muss.

Würde sich der Gedanke des OLG Düsseldorf durchsetzten, wäre eine Vereinfachung zum Prozessbeginn möglich, die der eigentlichen Beweisaufnahme nach Scheitern einer Güteverhandlung mehr Raum gibt. Das dürfte vielen Richtern nicht schmecken, da man massenhaft Verfahren vor der Beweisaufnahme abschmettern konnte, sprich man sehr wenig Aufwand und viele Vergleiche produzieren konnte, ohne sich mit den eigentlichen Rechtsfragen, oder Sachverhalten beschäftigen zu müssen.

Enorm wichtig ist auch der Einklang dieser Form des Bestreitens mit der bewilligten Prozesskostenhilfe.

Der zweite Teil behandelt die Aussagen des Gerichts zu den Rasch-Abmahnungen (alt) und dem Zusammenhang zu den aktuellen Münchner Waldorf-Verfahren.

Oberlandesgericht Düsseldorf, I-20 W 132/11
Datum: 14.11.2011

Beschluss

Tenor: Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten wird der Beschluss des Landgerichts Düsseldorf vom 26. Mai 2011 abgeändert.

Der Beklagten wird für das Verfahren in erster Instanz rückwirkend ab dem 8. April 2011 Prozesskostenhilfe bewilligt. Zugleich wird ihr Rechtsanwalt A. zur vorläufigen unentgeltlichen Wahrnehmung der Rechte in dieser Instanz rückwirkend ab dem 8. April 2011 beigeordnet.

G r ü n d e :

Die sofortige Beschwerde der Beklagten vom 8. Juni 2011, mit der sie sich gegen die Versagung von Prozesskostenhilfe für ihre Rechtsverteidigung in erster Instanz wendet, ist zulässig und hat auch in der Sache Erfolg. Das Landgericht hat eine hinreichende Erfolgsaussicht der Rechtsverteidigung zu Unrecht verneint.

Gemäß § 114 ZPO erhält eine Partei, die nach ihren persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen die Kosten der Prozessführung nicht, nur zum Teil oder nur in Raten aufbringen kann, auf Antrag Prozesskostenhilfe, wenn die beabsichtigte Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung hinreichende Aussicht auf Erfolg bietet und nicht mutwillig erscheint.

Die beabsichtigte Rechtsverteidigung der Beklagten bietet eine hinreichende Aussicht auf Erfolg. Es steht nicht fest, dass die Beklagte die ihr vorgeworfenen Urheberrechtsverletzungen begangen oder zu vertreten hat. Das Landgericht hat die die Beklagte treffende Substantiierungslast verkannt. Die Beklagte ist nicht gehindert, die Aktivlegitimation der Klägerinnen, das Anbieten der streitgegenständlichen Musikdateien über die IP-Adresse … und die Zuordnung dieser IP-Adresse zu ihrem Anschluss mit Nichtwissen zu bestreiten. Die Beklagte hat keinen Einblick in den Geschäftsbetrieb der Klägerinnen, des "Onlineermittlers" und des Internetproviders. Die weitere Substantiierung des Klägervortrags ist für die Zulässigkeit des Bestreitens mit Nichtwissen irrelevant.

Soweit sich die Beklagte gegen die Verpflichtung zur Erstattung der Abmahnkosten wendet, hat ihre Rechtsverteidigung unabhängig vom Ausgang der Beweisaufnahme hinreichende Aussicht auf Erfolg. Die Abmahnung der Klägerinnen genügte den an eine Abmahnung zu stellenden Mindestanforderungen nicht. Zur Abmahnung gehört, dass der Abmahnende seine Sachbefugnis darlegt, also kundtut, weshalb er sich für berechtigt hält, den zu beanstanden-den Verstoß zu verfolgen (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.13; Ahrens/Deutsch, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl. Kap. 1 Rn. 35). Die Abmahnung muss mit hinreichender Deutlichkeit zum Ausdruck bringen, welches konkrete Verhalten beanstandet wird. Auch wenn der Gläubiger Unterlassung nicht nur der konkreten Verletzungsform begehrt, muss er doch den Anlass der Beanstandung ganz konkret bezeichnen, damit der Schuldner weiß, was genau für den Gläubiger den Stein des Anstoßes bildet (Köhler/Bornkamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.15; OLG Stuttgart, WRP 1996, 1229, 1230). Um ihren Zweck zu erfüllen, muss in der Abmahnung der Sachverhalt, der den Vorwurf rechtswidrigen Verhaltens begründen soll, also die begangene Handlung, genau angegeben und der darin erblickte Verstoß so klar und eindeutig bezeichnet sein, dass der Abgemahnte die gebotenen Folgerungen ziehen kann (OLG Köln WRP 1988, 56; Ahrens/Deutsch, a.a.O. Rn. 45).

Vorliegend sind weder die Aktivlegitimation noch der Verstoß hinreichend dargelegt. Das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen stellt alleine noch keinen Urheberrechtsverstoß da. Nicht jedes Angebot einer Audiodatei zum Herunterladen verletzt fremde Urheberrechte. Die Dateien können gemeinfrei oder mit einer allgemeinen Lizenz versehen sein. So ist es inzwischen nicht mehr ungewöhnlich, dass Interpreten ihre Stücke zur freien Verbreitung in das Internet einstellen. Zudem ist das Urheberrecht ein Ausschließlichkeitsrecht. Es ist jedem Inhaber von Urheberrechten selbst überlassen, ob er seine Rechte im konkreten Fall ausübt oder ob den Verletzer gewähren lässt. Ein Dritter kann diese Rechte nicht geltend machen. Von daher verfängt auch das Argument, eine Berechtigung der Beklagten an den Titeln sei jedenfalls nicht ersichtlich, nicht. Entscheidend ist allein, ob und an welchen Titeln den Klägerinnen Rechte zustehen. Ohne die Angabe der Titel, durch deren Angebot die Rechte gerade der Klägerinnen verletzt worden sind, konnte die Beklagte der Abmahnung daher nicht entnehmen, welches Verhalten sie in Zukunft unterlassen soll. Zur generellen Unterlassung des Anbietens von Audiodateien zum Herunterladen ist sie eben nicht verpflichtet, sondern nur zur Unterlassung des Angebots der Titel der Klägerinnen. Der zur Unterlassung verpflichtende Verstoß war folglich nicht das Anbieten von 304 Audiodateien zum Herunterladen, sondern - die Aktivlegitimation der Klägerinnen unterstellt - das Angebot der vier im Klageantrag genannten Musiktitel der Klägerinnen. Dieser Verstoß hätte in der Abmahnung dargelegt werden müssen, wobei zum notwendigen Vertrag der Aktivlegitimation zumindest auch die Zuordnung der Titel zu einzelnen Klägerinnen gehört hätte.

Ohne eine solche Darlegung war der Beklagten die Abgabe einer wirksamen Unterlassungserklärung gar nicht möglich. Die Liste der zum Herunterladen angebotenen 304 Audiodateien besteht vorwiegend aus Stücken anderer Berechtigter und kann schon von daher nicht Gegenstand einer gegenüber den Klägerinnen erklärten Verpflichtung sein. Eine auf die darin enthaltenen Musiktitel der Klägerinnen oder gar - wie von ihnen in ihrer Abmahnung verlangt - auf ihr gesamtes Repertoire gerichtete Unterlassungserklärung konnten die Klägerinnen in Ermangelung einer Individualisierung dieser Stücke nicht verlangen. Es kann dahinstehen, ob die Verletzung der Rechte an einzelnen Musiktiteln einen Anspruch auf eine das ganze Repertoire der Gläubigerin umfassende Unterlassungsverpflichtung vermittelt. Die Klägerinnen selbst machen vorliegend mit ihrer Klage nur noch eine Unterlassungsverpflichtung bezüglich der vier nach ihrem Vortrag tatsächlich zum Herunterladen bereitgestellten Musiktitel geltend. Eine auf das gesamte Repertoire erstreckte Unterlassungsverpflichtung setzt jedenfalls die Beifügung einer Repertoireauflistung voraus.

Ein entsprechender Unterlassungsantrag wäre ohne eine solche Repertoireliste nicht hinreichend bestimmt. Gemäß § 253 Abs. 2 Nr. 2 ZPO muss die Klageschrift einen bestimmten Antrag enthalten. Ein Verbotsantrag darf nicht derart undeutlich gefasst sein, dass sich der Beklagte nicht erschöpfend verteidigen kann und es in der Zwangsvollstreckung, wenn dem im Erkenntnisverfahren gestellten Antrag Rechnung getragen würde, die Entscheidung darüber, was dem Beklagten verboten ist, dem Vollstreckungsgericht überlassen wäre (BGH, GRUR 1998, 489, 491 - Unbestimmter Unterlassungsantrag III). Allein die Klarstellung, dass der Antrag und die Verurteilung sich nur auf die zum Repertoire der Klägerinnen gehörenden Musiktitel bezieht, ermöglicht es dem mit einem Vollstreckungsverfahren befassten Gericht nicht, im Falle eines Streits der Parteien zu beurteilen, ob es sich bei dem Musiktitel, wegen dessen Verbreitung durch die Beklagte die Klägerinnen die Verurteilung zu einem Ordnungsgeld begehren, um einen zum Repertoire der Klägerinnen gehörenden Musiktitel handelt (vgl. BGH, GRUR 2008, 357 Tz. 23 - Planfreigabesystem). Steht nicht eindeutig fest, welche Musiktitel im Einzelnen gemeint sind, ist der auf die Verpflichtung zur Unterlassung der Verbreitung gerichtete Antrag nur dann hinreichend bestimmt, wenn diese individualisierend beschrieben werden, was durch eine Bezugnahme auf einen Ausdruck oder einen Datenträger erfolgen kann (vgl. BGH, GRUR 2008, 357 Tz. 24 - Planfreigabesystem).

Der Gläubiger eines Unterlassungsanspruchs kann vom Schuldner als Unterlassungserklärung nicht mehr verlangen, als was er durch eine Titulierung erreichen könnte. Eine Unterlassungserklärung, die auf das gesamte, nicht durch eine beigefügte Liste konkretisierte Musikrepertoire des Gläubigers gerichtet ist, verlagert das Risiko, ob ein unbekanntes Musikstück zum Repertoire des Gläubigers gehört, vollständig auf den Schuldner und benachteiligt ihn daher gegenüber einer titulierten Unterlassungsverpflichtung unverhältnismäßig. Im Falle einer vom Gläubiger für eine Vielzahl von Fällen vorformulierten Unterlassungserklärung ist eine gleichwohl abgegebene Verpflichtung daher nach § 307 Abs. 1, Abs. 2 Nr. 1 BGB unwirksam. Vom Unterlassungsgläubiger vorformulierte Unterlassungs- und Vertragsstrafeverpflichtungserklärungen unterfallen den Regelungen des Rechts der Allgemeinen Geschäftsbedingungen (BGH, NJW 1993, 721, 722).

Von daher kann eine Erstattung der Abmahnkosten auch nicht auf einen eventuellen Schadensersatzanspruch gestützt werden. Es ist bereits zweifelhaft, ob die Abmahnkosten als ein Schaden verstanden werden, der auf der in der Vergangenheit liegenden Verletzungshandlung beruht. Mit der Abmahnung wird nicht eine bereits geschehene Gesetzesverletzung außergerichtlich verfolgt; die Abmahnung richtet sich vielmehr gegen die Gefahren, die aus zukünftiger Handlung des Abgemahnten drohen. Solche zukünftigen Handlungen sollen verhindert werden (Ahrens/Scharen, Der Wettbewerbsprozess, 6. Aufl., Kap 11 Rn. 13). Die Abmahnung dient folglich der Verhinderung zukünftiger Verstöße, während der Schutzzweck des Schadensersatzanspruchs darauf gerichtet ist, Vermögenseinbußen auszugleichen, die aus der abgeschlossenen Verletzungshandlung herrühren. Allein die adäquate Verursachung der Abmahnkosten durch die Verletzungshandlung reicht für Schadenszurechnung nicht aus. Die Lehre vom Schutzzweck der Norm erschöpft sich nicht in einer Anwendung der Adäquanzlehre; sie begründet vielmehr ungeachtet der Kausalität eine normative Begrenzung der Schadenszurechnung (Bornkamm in Köhler/Born-kamm, UWG, 29. Aufl., § 12 Rn. 1.88).

Dies kann jedoch vorliegend dahinstehen, da eine Abmahnung, die den Verstoß nicht erkennen lässt und auch den bereitwilligsten Schuldner nicht in die Lage versetzt, eine wirksame Unterlassungsverpflichtungserklärung abzugeben, eine völlig unbrauchbare anwaltliche Dienstleistung darstellt. Zwar befreien Mängel der Leistung den Dienstberechtigten noch nicht vom Vergütungsanspruch des Dienstverpflichteten. Dies gilt jedoch nicht für eine Leistung, die für den Dienstberechtigten völlig unbrauchbar ist. Eine derartige Leistung steht der Nichtleistung gleich. In einem solchen Fall kann der Dienstberechtigte die Zahlung des Honorars verweigern oder die Rückerstattung des bereits gezahlten Honorars verlangen (KG, NJOZ 2011, 905 m. w. Nw.). Ein Grund, warum dieser im Bereich ärztlicher und zahnärztlicher Leistungen seit langem anerkannte Grundsatz auf anwaltliche Dienstleistungen keine Anwendung finden sollte, ist nicht ersichtlich. Von daher fehlt jedenfalls insoweit an einem endgültigen Schaden der Klägerinnen.

Eine Kostenerstattung findet nicht statt, § 127 Abs. 4 ZPO.

Donnerstag, 12. Januar 2012

Anerkenntnisurteil nach Beratung durch Rechtsschutzversicherung

Es wird mal wieder Zeit, die hervorragenden Leistungen eines bekannten deutschen Rechtschutzversicherers zu loben.

Im April des Jahres 2011 erhielt ein Internetanschlussinhaber eine Abmahnung der Kanzlei S.. Diese behauptete, eine angeblich spezialisierte Ermittlungsfirma habe beweissicher fest gestellt, dass es über den Internetanschluss des Abgemahnten zu einer rechtswidrigen Verbreitung eines Billig-Amateur-Pornos gekommen war.

Im Hause des Abgemahnten brach der übliche Stress aus. Die Tochter des Abgemahnten rief umgehend eine Hotline einer Rechtsschutzversicherung an. Der dortige Rechtsanwalt ließ sich den Fall schildern und empfahl die Unterzeichnung der Orginalen Unterlassungserklärung, mit einem Zusatz: "Die Abgabe der Unterlassungserklärung erfolgt ohne Anerkennung einer Rechtspflicht, aber gleichwohl rechtsverbindlich."

Nach einigen Monaten erhilt der Abgemahnte eine Klage des Rechtsanwalts S.. für den Amateurponovertreiber.

Ihm blieb nichts anderes übrig als ein Anerkenntnis abzugeben. Kostenpunkt dürfte bei 1.107,07€ liegen.

Ein Bestreiten war dem Beklagten nicht mehr möglich, da er in der Unterlassungserklärung sich zur Zahlung von 750,00€ verpflichtet hatte. Zudem entsprach der Zusatz nicht den Normen, die für die Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung gelten.

Nun wird man sehen, in wie weit sich der Versicherer an den Kosten des Verfahrens beteiligt. Hierüber wird man einen update veröffentlichen, der Roß und Reiter nennt.

PS: Besonderes Schmankerl... Die Tochter des Beklagten hatte sich in einem Verbraucherschutzforum informiert, als es bereits zu spät war. Der dort mitlesende Rechtsanwalt S. lehnte im Verlauf der Angelegenheit Vergleichsverhandlungen daher ab. (Man liest richtig.)

Mittwoch, 11. Januar 2012

OLG Köln, 6 W 256/11, Beschluss vom 22.11.2011

Im Rahmen einer Streitwertbeschwerde äußerte sich das OLG Köln allgemein zum Thema der Entwicklung der Wertbemessung in Urheberrechts­streitigkeiten.

Zuvor hatte das OLG Köln im Beschluss 6 W 234/11 vom 17.11.2011 den Streitwert für ein einzelnes Musikstück im Fall eines rechtswidrigen Angebots in einer p2p-Tauschbörse auf 3.000,00€ fest gelegt.

Nun wurde im Rahmen der Bewertung einer rechtswidrigen Nutzung eines Bildes auf der Handelsplattform ebay durch einen gewerblichen Anbieters wie folgt argumentiert:

"Die zulässige Beschwerde der Antragsgegnerin gibt dem Senat Anlass, seine bisherige – vom Landgericht im Nichtabhilfebeschluss vom 15.11.2011 zutreffend wieder­gege­bene und angewendete – ständige Rechtsprechung zur Wertbemessung in Urheberrechts­streitigkeiten der vorliegenden Art im Lichte der neueren technischen und wirtschaft­li­chen Entwicklung zu überprüfen und den im Laufe der Zeit gewandelten Anschauungen anzupassen.
Die Nutzung des Internet als Kommunikationsforum und Marktplatz breiter Bevölkerungskreise hat in den vergangenen Jahren nochmals an Umfang und Bedeutung gewonnen. Ohne die wirtschaftliche Bewertung dabei vorkom­mender Verletzungen immaterieller Schutzrechte durch private Internetnutzer zu bagatellisieren, muss dies im Ergebnis dazu führen, das Gewicht eines einzelnen Verstoßes heute eher geringer zu bewerten.
Im Gesamtgefüge der vom Senat für die Verfolgung von Rechtsverletzungen im Internet – sei es auf Handelsplattformen wie ebay, sei es beim Filesharing in Peer-to-Peer-Netzwerken (sogenannten Tausch­börsen), sei es bei anderen urheberrechtsrelevanten Formen der Internetnutzung – heute als angemessen angesehenen Gegenstandswerte erscheint insbesondere das objektive Interesse der in ihrem Leistungsschutzrecht aus § 72 UrhG beeinträchtigten Licht­bildner an der Unterbindung von Verletzungshandlungen der hier in Rede stehenden Art mit Regelbeträgen von etwa 6.000,00 € nicht mehr angemessen bewertet.
Geht es wie im Streitfall darum, gemäß §§ 97, 15 Abs. 2, 19a UrhG die weitere ungenehmigte Verwendung eines vom Antragsteller im Rahmen eines eigenen Warenangebots ohne Kopierschutz und ausdrücklichen Rechte­vorbe­halt ins Internet gestellten, nicht als Lichtbildwerk nach § 2 Abs. 1 Nr. 5, Abs. 2 UrhG geschützten Fotos durch privat oder kleingewerblich tätige Dritte zu verhindern, wird eine deutlich geringere Wertbemessung in der Regel ausreichen. Für den damit keineswegs als völlig unbedeutend, sondern lediglich entsprechend seinem wirt­schaftlichen Gewicht realistisch eingeordneten Rechtsverstoß der Antragsgegnerin im Rahmen einer nachvollziehbar als Privatverkauf bezeichneten ebay-Auktion hält der Senat die Festsetzung auf 3.000,00 € für angemessen und ausreichend.
"

Volltext der Entscheidung

Dieser Beitrag erscheint auch aufgrund der neueren Tendenz (neben den bereits bekannten Rasch-Abmahnungen zum Thema) Massenabmahnungen mit Schock-Streitwerten zu versenden. Jüngstes Beispiel sind die 420.000 EUR Streitwert für eine Filesharing-Abmahnung des Berliner Rechtsanwalts Daniel Sebastian, der für die bekannte DigiRigths Administration GmbH Abmahnungen mit einem Streitwert in Höhe von 420.000,00€ versendet.

Aus der Sebastian-Abmahnung würden Rechtsanwaltskosten in Höhe von 3.608,00€ resultieren.

Nun gibt es noch keine Entscheidung zu solchen Exzessen. Denkbar wäre das
- Modell 42 x 3.000,00€ = 126.000,00€ Streitwert = 1.980,40€ RA-Kosten
- Modell "3 Musikalben" = 30.000,00€ Streitwert = 1.005,40€ RA-Kosten
- Modell "1 Sampler" = 10.000,00€ Streitwert = 651,80€ RA-Kosten

Man wird abzuwarten haben, wie sich die Gerichte hierzu stellen.

Donnerstag, 15. Dezember 2011

LG Berlin - Fortsetzung

Teil V - Aktivlegitimation 15 O 1/11

Wikipedia: "Die Aktivlegitimation bezeichnet die Befugnis des Klägers, den eingeklagten Anspruch geltend zu machen. Aktivlegitimiert ist derjenige, der Inhaber des geltend gemachten Rechts ist. Fehlt sie, so wird die Klage als unbegründet abgewiesen, da die Aktivlegitimation Teil des materiellen Rechts (der Begründetheit einer Klage) ist."

Das Landgericht Berlin wies die Klage als unbegründet ab, da die Klägerin nicht dargetan habe, dass sie Inhaberin der ausschließlichen Nutzungsrechte am Werk "X." ist.

Das Gericht führte nach Feststellung der Urheberrechtsfähigkeit des Werkes (Computerspiel) aus:

Diese durchgehende "Lizenznehmerkette" wurde von der Klägerin schon beim ersten Schritt zurück nicht dargetan. Die Klägerin behauptete, sie habe für die deutsche Version des Werks Rechte von ihrer österreichischen Schwesterfirma übertragen bekommen. Der Beklagte hingegen hatte schon diesen Vorgang wirksam mit nichtwissen und konkretisiert bestritten. Auf dieses Bestreiten hin legte die Klägerin weder einen Vertrag vor, noch "was wann vereinbart worden sein soll". Als ein Unternehmen, welches für sich in Anspruch nähme, ein erfahrener, optimaler und führender Vermarkter von digitalen Entertainmentprodukten zu sein, wäre es bei lebensnaher Betrachtung auszuschliessen, dass solche Rechteübertragungen nicht schriftlich fest gehalten würden, so die Richter am LG Berlin. Die Klägerin hatte auch nicht behauptet, es gäbe keinen Vertrag, sondern sie behauptete, sie könne keine Verträge vorlegen, da es sich um "Interna" der Firmen E. Ltd. (nach dem Vortrag der Klägerin zunächst Spielentwickler), W. B. (Publisher) und D.C. (Markeninhaberin) handeln würde. Dies sorgte für Unverständnis, da die Klägerin an zwei dieser Firmen beteiligt sein will.

Die Klägerin verwies auf eine Anlage, die den Titel "Eidesstattliche Versicherung" trug (... in dem ein Vertrag erwähnt wurde). Hier verkenne die Klägerin das deutsche Prozessrecht, nach dem in Zivilprozessen der Strengbeweis gelte. Eine Glaubhaftmachung gelte nicht. Davon unabhängig hatte die Klägerin nur eine Kopie eingereicht, womit man nur belegen könne das es ein solches Papier gäbe.

Von wesentlicher Bedeutung erkannte das Gericht einen schweren Widerspruch im Sachvortrag der Klägerin: Einerseits habe die Firma E. Ltd. der österreichischen Schwestergesellschaft der Klägerin ein nicht übertragbares Recht ("non-transferable") übertragen. Andererseits wollte die Klägerin eben Rechte übertragen bekommen haben.

In Bezug auf die Vermutungswirkung des § 10 UrhG, Abs. 1 könne die klägerin sich nicht mit Erfolg hierauf berufen, da diese Norm sich nur auf Urheber, jedoch nicht auf den Inhaber ausschließlicher Nutzungsrechte beziehe. Die Wirkung des § 10 UrhG, Abs. 3, Satz 1 bezihe sich allein auf den Einstweiligen Rechtsschutz und die Geltendmachung von Unterlassungsansprüchen, welches beides hier nicht der Fall sei.

Das Gericht stellte auch fest, das die oben erwähnte Angabe der Klägerin, die E. Ltd. sei "Spielentwickler", sich durch die Vorlage einer Webseitenkopie nicht belegen liesse, da dort als Spielentwickler eine ganz andere Firma genannt sei. Dort würde man die E. Ltd. als Publisher führen. Selbst wenn man diesen Vermerk als ausreichend ansähe eine tatsächliche Vermutung auszulösen, bezöge sich diese allein auf die E. Ltd. und nicht auf die Klägerin. Durch die gesetzgeberische Eingrenzung des § 10 UrhG dürfte aber auch für die E. Ltd. diese Vermutung zu weit gehen. Zum letzten Schritt einer Rechtekette könne eine solche Vermutung jeden falls nichts beitragen.

Das Zwischenfazit:

In dieser Situation käme eine Beweisaufnahme mit den durch die Klägerin angebotenen Zeugen nicht in Betracht, da dies auf eine prozessual unzulässige Ausforschung hinausgelaufen wäre. Die Klägerin habe zudem Zeit genug gehabt, sich nach dem Bestreiten des Beklagten ausreichen ohne richterlichen Hinweis zu erklären.

Die selben Gründe würden sinngemäß auch dazu führen, dass der vorletzte Schritt der Rechtekette nicht dargetan sei. Zwar könne die Klägerin aus dem Vertrag der österreichischen Schwestergesellschaft mit der E. Ltd. zitieren, könne aber diesen nicht vorlegen, weil er "Interna" der E. Ltd. sei. Es sei auch nicht fest zu stellen, dass die Firma E. Ltd. berechtigt sei Lizenznehmerverträge zu vergeben.

(Aktivlegitimation - 15 O 2/11 demnächst...)

LG Berlin - Fortsetzung

Teil III - Schadensersatz und Auskunft

Die Absicht der Klägerinnen vom Beklagten mehrere Tausend Euro Schadensersatz zu erlangen, scheiterte schon im Ansatz, denn der Beklagte verfügte zu den Tatzeitpunkten im Privathaushalt über keine "internetfähigen Endgeräte". Die einzigen Geräte im Haushalt waren das Eigentum des im Haushalt wohnenden Sohns D.. Weder der Beklagte, noch seine Ehefrau nutzten diese Computer, hingegen eine vorhandene Schwester den Internetanschluss nur sporadisch.

Die Berliner Richter lehnten eine Haftung als Täter oder Teilnehmer auf Grundlage des § 832 BGB (Aufsichtspflicht) insofern ab, da der "allein noch als Täter in Betracht kommende Sohn" zu den Tatzeitpunkten volljährig war und auch nicht wegen seines geistigen oder körperlichen Zustandes der Beaufsichtigung bedurfte.

Eine mittäterschaftliche Haftung nach § 830 BGB unter dem Aspekt der Verletzung von Verkehrspflichten, also der sogenannten Störerhaftung, die es ermöglicht habe, dass der Sohn (oder ein Dritter) die unerlaubte Handlung begangen habe scheide auf Basis der aktuellen Rechtsprechung des BGH aus. Der BGH habe im Urteil "Sommer unseres Lebens" - I ZR 121/08, vom 12.05.2010 deutlich gemacht, dass für eine täterschaftliche Haftung nicht allein der Eintritt eines bestimmten Verletzungserfolges ausreiche, sondern (hier) ein Internet-Anschlussinhaber selbst einen handlungsbezogenen Verletzungstatbestand verwirklicht haben muss. Der Rechtsgedanke der Verletzung einer Verkehrspflicht könne daher im Urheberrecht nicht zu einer täterschaftlichen Haftung führen.

Mit dieser Begründung wurden natürlich auch die beantragten Auskunftsansprüche abgelehnt.

Teil IV - Aktivlegitimation - Part I

Im Verfahren 15 O 1/11 wurde bei den Ermittlungen des Falls auf Beklagtenseite Erstaunliches zu Tage gefördert:

Das Folgende ist ein privater Kommentar des Verfassers. Er stellt seine alleinige persönliche Meinung dar.

Nun führt uns dieses kleine "Juwel" wieder in die Diskussion der Prüfung von Auskunftsanträgen am Landgericht Köln, oder wie hier vorliegend LG Bielefeld. Sogar wenn man annähme, dem Rechteinhaber würde in der Berufung gelingen ausschließliche Rechte am Werk darzulegen, was bislang gescheitert ist, fehlt tatsächlich sogar jeder Sachvortrag zum obigen Thema.

Eine Ermittlungsfirma erhält den Auftrag ein bestimmtes Werk von einem bestimmten Rechteinhaber zu überwachen. Nach den Versicherungen an Eides statt wäre ein Vorgang von obiger Dimension unvorstellbar, da man behauptet die jeweiligen Dateien nicht nur herunter zu laden, sondern auch zu prüfen, ob diese der dem Rechteinhaber zugehörigen Orginal-Version gleicht. In diesem Fall wurde aber nicht einmal die unterschiedliche Sprache für erheblich erachtet, sondern nur wahllos IP-Adressen produziert. Dieser Skandal an sich läßt uns hinterfragen, welchen Kriterien die abmahnende Kanzlei denn bitte schön bei der Abmahnerei zur Prüfung anwendet. Genau: Keine, es wird nur abgemahnt. Von einer "Rückrufaktion" der deutlich erkenbaren unberechtigten Abmahnungen, oder gar einer Rückzahlung der unberechtigt einkassierten Gelder habe ich noch nichts gehört.

Damit ist dieser Bereich (vorerst) abgeschlossen. Im letzten Teil der Serie wird man den Bereich "Aktivlegitimation" erneut aufzugreifen haben, da es beiden Klägerinnen nicht gelungen ist darzulegen, dass sie ausschließliche Rechte an den jeweiligen Werken geltend machen können.

Dienstag, 13. Dezember 2011

LG Berlin 15 O 1/11 + 15 O 2/11, Urteile vom 29.11.2011

Bevor ich zu den wohl mit erstaunlichsten Urteilen im Bereich der Filesharing-Abmahnungen im Jahr 2011 komme, möchte ich dem Herrn Rechtsanwalt Volker Küpperbusch, Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz, Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht herzlichst zu der Bestellung zum Notar gratulieren. Ich wünsche ihm weiterhin viel Erfolg und alles Gute.

Die Urteile des Landgerichts Berlin sind nicht rechtskräftig. Es dürfte im Frühjahr 2012 zur Berufung vor dem Kammergericht Berlin kommen. Aufgrund der rechtlichen Dimension ist eine Revision des Bundesgerichtshofs nAdV absolut zwingend.

Die Klagen selbst weichen stark vom üblichen Muster von Filesharingklagen ab. Daher sind intensive Besprechungen der einzelnen Bereiche notwendig. Nach dieser Einleitung wird ausführlich über den Bereich "Ermittlungen" zu sprechen sein, der unabhängig von den weiteren Teilen zu sehen ist. Das bedeuted, die Klägerinnen verloren den Rechtsstreit in jedem der einzelenen Bereiche (wie Täterhaftung, Aktivlegitimation). Ende der Woche folgt der zweite Teil des Berichts.

Teil I - Anträge

Eine Feststellung des Streitwerts ist nicht erfolgt. Es ist allerdings davon auszugehen, dass das Gericht den Streitwert beläßt: Der Streitwert zu 15 O 1/11 läge bei 5.982,00€; zu 15 O 2/11 bei 6.150,00€. Hierbei lagen handelsübliche "Computerspiel-Abmahnungen" den Klagen zu Grunde. Es kann sich bei diesen Summen jeder denken, welche Signalwirkung ein Scheitern des Beklagten bedeuted hätte. Von daher war es absolut die richtige Entscheidung des Beklagten vollständig professionell arbeitende Vertreter mit der Führung des Verfahrens zu betreuen. An dieser Stelle auch der Dank für das Vertrauen.

Die Klagen wurden vom Landgericht Berlin vollständig abgewiesen. Beantragt wurde von der jeweiligen Klägerin:

1. festzustellen, dass der Beklagte verpflichtet ist, der Klägerin allen Schaden zu ersetzen, der dieser dadurch entstanden ist, dass der Beklagte das Computerspiel "X." ohne Einwilligung der Klägerin in P2P-Netzwerken zum Herunterladen bereit gehalten hat.
2. den Beklagten zu verurteilen, der Klägerin über den Umfang der Verletzungshandlungen geordnet Auskunft zu erteilen und zwar unter der Angabe
a)~ soweit bekannt - von Dritten, die das Computerspiel "X." von dem Beklagten erhalten haben, dies unter Datumsangabe und namentlicher Nennung derselben und deren Anschriften,
b) der Verbreitungswege, insbesondere der Filesharingbörsen, auf denen das Computerspiel "X." von dem Beklagten zum Herunterladen bereit gehalten wurde,
c) die Zeiträume, in denen das Computerspiel "X." von dem Beklagten zum Herunterladen bereit gehalten wurde.
3. den Beklagten zu verurteilen, an die Klägerin einen Teischadensersatz über 650,00€/468,00€, nebst Zinsen ... seit Rechtshängigkeit zu zahlen.


Die Klage war erkennbar auf eine eigene Täterschaft oder Teilnahme an der Rechtsverletzung, nicht aber auf eine Haftung des Beklagten als Störer gestützt. Wer nun denkt, es hätten der Klägerin Indizien vorgelegen, die eine solche Klagefassung gerechtfertigt hätten, liegt falsch. Der Beklagte hatte kein Schuldeingeständnis in welcher Form auch immer geäußert. Er hatte auch eine modifizierte Unterlassungserklärung abgegeben und nicht das vom Abmahner mitgesandte Orginal verwendet. Die Klage wurde insofern "ins Blaue hinein" gegen eine Person gerichtet, ohne das der Abmahnkanzlei bekannt war, wie die tatsächlichen Verhältnisse liegen, was die Verteidigung erschwerte, wenn man bedenkt wie verschiedene Urteile des LG Köln aussehen.

Teil II - Die Ermittlung

Voran gestellt sei, dass dieses Gericht sich überaus intensiv mit den Beweismitteln, die die Klägerinnen anboten beschäftigt hat. Die Richter sahen sich auch in der Lage ohne die andernorts üblichen Ausreden (Sachverständigengutachten) Beweismittel logisch einzuordnen.

Das Landgericht Berlin stellte in den Urteilen fest: Gegen die Bedenken des Beklagten zum Thema "öffentliche Zugänglichmachung" i. S. d. § 19a UrhG, bestünde kein Zweifel, dass das Bereithalten eines Computerspiels in einer sog. Tauschbörse zum Herunterladen ein solcher Fall wäre. Erste Vorraussetzung eines auf diesen Vorgang gestützten Schadensersatzanspruchs sei aber die Feststellung, dass das Computerspiel tatsächlich über den Internetanschluss des Beklagten zum Herunterladen angeboten wurde. Die Klägerinnen seien aber Ihrer Last, die dafür erforderlichen Umstände darzulegen nicht nachgekommen. Das Vorbringen der Klägerinnen ließe nicht auf ein sicheres Funktionieren und Ablaufen des Ermittlungsverfahrens schließen.

Man ließt richtig. Es sind zudem Paralellen mit der aktuellen Lage "in München" zu erkennen. Wie auch bei den dortigen Klagen der "Musik- und Hörbuchindustrie" suchten die Klägerinnen in Berlin mit der Vorlage einer Reihe von Zeitpunkten ("Sekundenzeiträumen") dem Gericht darzulegen, es sei über eine Verletzungshandlung "über Tage hinweg" gekommen. Die Berliner Richter konnten aus dem Vortrag nicht erkennen, ob es sich bei dem fest gestellten Angebot um eine voll funktionsfähige Version des Werkes handelte, oder etwa ein mehr oder weniger kleiner Ausschnitt. Sie rügten, dass sich die Eidesstattliche Versicherung eines Mitarbeiters der bekannten und vom BGH "geadelten" L. AG nur auf einen Teil der Ermittlungen beziehe. Sie stellten zudem fest, dass keine tatsächlichen Ahnhaltspunkte vorlägen, der angebotene Zeuge habe sämtliche der in Frage kommenden Überprüfungsschritte höchstpersönlich vorgenommen. Auch sei offen geblieben, wie der Zeuge durch einen "manuellen Abgleich" einer im Internet aufgefundenen Datei mit einem bestimmten Hashwert mit einer Orginal-Datei feststellen will, dass es sich bei der angebotenen Datei um eine voll funktionsfähige Version des Werkes handeln würde.

Im Weiteren wurde den Richtern des LG Berlin zu Folge durch die Klägerinnen nicht substantiiert dargetan, dass die vermendete Software unter den Umständen des Einzelfalls zuverlässig funktioniert. Die Richter stellten fest, dass die als Anlage bei gelegte "Funktionsbeschreibung" des Programms nicht als Gutachten gelten könne. Es handle sich hierbei vielmehr um ein "vom Verwaltungsrat der Anwenderin erstelltes Papier, dass die Qualifikation des Verfassers für derartige Äusserungen offen lasse". Die "Funktionsbeschreibung" umfasste die Netzwerke "Gnutella und EDonkey", hingegen habe die Tathandlung über einen "u-torrent-client" statt gefunden. Es sei daher nicht festzustellen, dass die Funktionsbeschreibung auf für diesen Einzelfall Geltung beanspruchen könne. In der Folge bedeutete das Gericht den Klägerinnen, dass die Erwähnung von Gutachten in anderen ("irgendwelchen") Fällen und Gerichtsvefahren nicht geeignet sei ein Präjudiz zu schaffen oder konkreter Sachvortrag im vorliegenden Fall zu ersetzen sei.

Zum Thema des Bestreitens einer Ermittlung äußerte das Gericht deutlich, dass ein Bestreiten mit Nichtwissen nach § 138 Abs. 4 ZPO absolut zulässig sei. Die Funktionsweise eines Programmes sei nicht Gegenstand seiner eigenen Wahrnehmung. Der Beklagte habe mangels Offenlegung der Programme auch keine andere Möglichkeit des Bestreitens. Als Bestreitensbasis wurde zudem der Aufsatz von Morgenstern, CR 2011, Seite 203ff zugelassen, dem zu entnehmen sei, das die Zuverlässigkeit der Ermittlungssoftware der L. AG differenziert zu betrachten sei und zudem bekannt gewordene Begutachtungen der Software als technisch unzureichend beurteilt werden. Der Beklagte habe sich hier nicht näher mit Hilfe externen Expertenwissens einzulassen.

En detail führte das Gericht weiter aus,




... womit der Teil - II nun abgeschlossen ist.

Kommentar: Es wäre natürlich wünschenwert gewesen, wenn sich bereits andere Gerichte mit den teils schlampigen, teils gutsherrlichen Vorträgen im Bereich Ermittlung so intensiv beschäftigt hätten.