Note: Eine erweiterte Fassung wird erst nach anwaltlicher Freigabe veröffentlicht. Update folgt.
Gerichtstermin vom 01.12.2009 am Amtsgericht Musterhausen
Auf freundliche Einladung durch Frau Rechtsanwältin Nicole Schneiders von der Kanzlei Harsch & Kollegen in Rastatt besuchte ich am 01.12.2009 eine mündliche Verhandlung in einem "Filesharing-Verfahren".
Das Erstaunlichste des Termin war das Ergebniss. Beide Parteien stimmten einem richterlichen Verleichsangebot zu. Der Beklagte verpflichtete sich der Klägerin den Betrag von 200€ in 10 Monatsraten zu bezahlen.
Die Klägerin hatte jedoch zuvor über einen Rechtsanwalt im Raum Karlsruhe eine Forderungshöhe von 981,00 € geltend gemacht. Der Klägerin seien "diese Kosten enstanden". Durch Nichtzahlung der Forderung war die Einschaltung eines Inkassobüros notwendig geworden, was die Forderung .... auf 751,80€ verringerte. (Die Geschäftsgebühr VV2300 wurde mutmaßlich von einem 1,0-Wert aus der Abmahnung auf einen 0,666-Wert herabgestuft.) Vorgerichtliche Mahnauslagen und Kosten für die Einschaltung eines zweiten Rechtsanwalts, der schließlich die Klage führte wurden nicht beziffert und geltend gemacht. Natürlich liegt nun noch kein Kostenfestsetzungsbeschluß des zuständigen AG vor. Man einigte sich auf eine Vergleichslösung was die Kosten der Streitsache vor Gericht angeht: 2/7tel soll der Beklagte tragen, die Klägerin 5/7tel.
Der enorm erfahrene (im positiven Sinne) Richter am Amtsgericht in Musterhausen leitete diesen Vergleichsvorschlag (offensichtlich) wie sogleich folgt ab. Einleitend der Satz des Tages zum Thema Deckelung nach § 97a Abs. 2 Urhg : (sinng.) Einfach gelagert sei ein Fall natürlich dann, wenn derjenige welcher ihn vor sich liegen hat Erfahrung in solchen Fällen hat. Dem ist nichts hinzuzufügen.
- Die Klägerin, eine Firma die im Farbfilmverleih unternehmerisch tätig ist hatte wegen einer durch eine beauftragte Rechteverfolgungsfirma (L.) fest gestellten Verletzung von Leistungsschutzrechten eines Filmtitels K. in sog. p2p-Tauschbörsen einen Schadensersatz in Höhe von 200€ geltend gemacht. Das erkennende Gericht bemängelte, es könne keinen Betrag dieser Größenordnung ohne Darlegungung über die Herkunft des Betrages bewerten. Die Klägerin suchte dem ausweislich einer losen Aneinanderreihung von Daten hinter denen eine sog. Internet-Protkoll-Adresse geschrieben war, und die einen Zeitraum von über 16 Stunden und einer damit verbundenen unbegrenzten und weltweiten Verbreitung des Werks suggerierte nachzukommen um den Schaden in Höhe von 200€ darzulegen. Das Gericht erkannte jedoch eine "stichpunktartige" Vorgehensweise und konnte sich den Erläuterungen nicht anschließen.
- Die Klägerin hatte zudem einen Streitwert zur Berechnung der Rechtsanwaltsgebühren in Höhe von 25.000€ als angemessen betrachtet. Der vorsitzende Richter konnte aus dem Vortrag der Klägerin nicht einmal erkennen wie dieser sich zusammensetzt. Die Klägerin hatte zur Begründung ein veraltetes LG Köln-Urteil aus dem Juli 2007 bei dem Streitwerte von Musiktiteln bewertet wurden als übertragbar eingeführt und argumentiert das der dort bezifferte Streitwert pro Musiktitel in Höhe von 15.000€ für einen abendfüllenden Spielfilm nach oben zu korregieren sei. [Note: In Köln werden jeher 10.000€ pro Musiktitel als angemessener Streitwert betrachtet, jedoch zumeist nach Multiplikation mit den entsprechend angebotenen Titeln ein deutlich niedrigerer Wert pauschalisiert. Dieser wird bis zu einem Drittel der Ursprungssumme 10.0000€ oder gar darüber hinaus reduziert werden müssen um richterlich als angemessen betrachtet zu werden.] Das erkennde Gericht forderte hier nähere Darlegungen, wie sich der Streitwert zusammen setzt. Die Klägerin wollte dies nochholen.
- In beiden Punkten verwies der vorsitzende Richter auf einen Wunsch der Klägerin. Das Gericht wurde von dieser gebeten die Summen nach § 287 ZPO zu schätzen, da der Beklagte die Angaben anzweifelte. Das Gericht sah sich in diesem Einzelfall ausser Stande dieses zu tun und wies diesen Wunsch zu diesem Verfahrenzeitpunkt strikt zurück.
- Schließlichlich bewertete das Gericht den geltend gemachten Anspruch "Kosten Durchführung Ermittlungsverfahren durch die Firma L. in Höhe von 75€", der auch nach § 287 ZPO geschätzt werden sollte vollständig abschlägig.
- Jedoch konnte das erkennende Gericht gegenüber der Beklagtenseite nicht verhehlen, dass es eine grundsätzlich Haftung des beklagten Anschlußinhabers nicht ablehnen könne. Obschon dieser im Rentenalter und nicht als Täter in Frage kommend gab es im Haushalt jugendliche Mitbenutzer des Internetanschlusses. Diese bezeugten zwar die Tat nicht begangen zu haben, jedoch war die Beweisführung des Beklagten eingeschränkt. Es handelte sich nicht um eine W-LAN-Router-Anlage, sondern um ein Kabel-Modem. Die Sicherhungsmaßnahmen erschienen dem Gericht nicht ausreichend, ebensowenig wurde der Bereich der Prüf- und Sorgfaltspflichten der richterlichen Meinung ensprechend ausreichend abgedeckt. Wohl und mutmaßlich aus seiner weitreichenden Lebenserfahrung heraus wollte der vorsitzende Richter nicht von keiner dem Anschlußinhaber zurechenbaren Verletzung einer Rechtspflicht ausgehen und mußte somit eine Haftung als Störer erkennen.
Salomonisch und durchaus angemessen bot er den Parteien ein richterliches Vergleichsangebot an, dass den Betrag 200€ bezifferte. Die Parteien nahmen den Vergleich an.
Mittwoch, 2. Dezember 2009
Abonnieren
Kommentare zum Post (Atom)
Keine Kommentare:
Kommentar veröffentlichen