Mittwoch, 2. Juni 2010

Kurzanalyse - BGH I ZR 121/08

Mittlerweile wird eine Version des Volltextes des BGH-Urteils vom 12.05.2010, Az. I ZR 121/08 im Internet verbreitet.

Fazit: Das Urteil darf in wesentlichen Teilen als verspäteter Aprilscherz gelten. Das nicht etwa abwertend gemeint. Das Urteil ist in seiner Logik perfekt und daher allerdings für den Gebrauch in Massenabmahnsystem in einem Kernpunkt in der Praxis nicht anwendbar. Vor Allem muß man aber enttäuscht sein da keinerlei Aussagen zu den Normalfällen zu finden sind.

I - Anspruch auf Unterlassung

Die Klägerin hatte in der Abmahnung und in allen Instanzen nach Feststellung einer Rechtsverletzung beantragt den Beklagten nach § 97 UrhG, Abs. 1 zu verpflichten.


Der BGH hat jedoch diesen Antrag logischer Weise verworfen.


Die "konkrete Verletzungsform" bezieht sich also auf den Betrieb eines nicht ausreichend geschützten W-LANs/Internetanschluß über den es zu einer Rechtsverletzung kam. Insofern ist auch die Pressemitteilung des BGH nun zu verstehen: "Der Beklagte haftet deshalb nach den Rechtsgrundsätzen der sog. Störerhaftung auf Unterlassung und auf Erstattung der Abmahnkosten (nach geltendem, im Streitfall aber noch nicht anwendbaren Recht fallen insofern maximal 100 € an)."

II - Auswirkungen

Damit sind natürlich schlicht jegliche Argumentationsmuster zur 100€-Deckelung zusammen gebrochen. Die Bemessung der Rechtsanwaltskosten hängt in erster Linie nicht davon ab ob ein Lied oder ein Album/Film/Hoppelwestern/Hörbuch über den Anschluß verbreitet wurde. Sie hängt von der konkreten Verletzungsform ab. Damit gehören eigentlich jegliche "alten" Abmahntextbausteine", aber nicht auch das übliche System der "modifizierten Unterlassungserklärung" in die Tonne. Es ist nämlich überhaupt nicht möglich nach diesem Urteil eine ausreichend umfassende "Orginal Unterlassungserklärung" herzustellen, denn der Abmahner kennt die "konkrete Verletzungform" nicht.

III - Zukunftsaufgabe

Spannend wird zu beobachten sein ob man nicht doch den "aussenstehenden Dritten" mit einem "internen Nutzungsberechtigten" gleich setzen kann wenn es um das Thema der ungenügenden Vorsorge geht. So wäre die "konkrete Verletzungsform" eines Anschlußinhabers dessen 16-jähriger Zögling eine Rechtsverletzung begeht eigentlich nicht anders zu werten.

2 Kommentare:

  1. Logisch perfektes Urteil? Es gibt die erste umfassende Analyse, die erhebliche Fehler im Urteil offenbart:

    http://www.ferner-alsdorf.de/?p=2274

    Wenn ich dort lese und noch einmal nach hier blicke möchte ich zu diesem Urteil auch sagen: Aprilscherz, das trifft es am besten.

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  2. - Die Analyse von RA Jens Ferner wurde auch von mir schon anderweitig lobend erwähnt.

    - So richtig traut er sich aber auch nicht in der Logik des logischen Urteils zu denken. Es gibt da Vieles neu zu durchdenken. Man braucht jedoch nicht fatalistisch an die Sache gehen.

    Ich sehe da auch keine "gewisse Differenzen" zwischen Urteil und Pressemitteilung. Gerade nicht beim § 97a UrhG. Das Problem ist hier jedoch ob Richter Lust haben die Konsequenz zu ziehen, bzw. ob man die Konsequenz im Massenabmahngeschäft überhaupt umsetzen kann.

    Die Wirkung oder Nichtwirkung des § 97a UrhG wird an der konkreten Verletzungsform fest zu stellen sein. Besteht diese jedoch nur in der ungenügenden Vorsorge (Obliegenheitsverletzung) kann vom Anschlußinhaber nur der gedeckelte Betrag von 100€ verlangt werden. Ist er selbst der Täter, was eben nicht per Anscheinsbeweis zu ermitteln ist wird der volle angemessene Streitwert für die konkrete Verletzungsform fällig. Diese Logik deckt sich auch vollständig mit dem Sinn einer Abmahnung, die auch die Interessen des Abgemahnten berücksichtigen muß. Sie ist zudem ausgewogen, denn das Geschäftsmodell "Turn Piracy Into Profits" besteht nur wegen der Möglichkeit von Überzahlungen. Einer vernünftigen Verfolgung von unerlaubten Handlungen in Internettauschbörsen ist damit eigentlich der Weg bereitet.

    Der BGH kann sicherlich nichts dafür das es diesen Leuten eigentlich nur ums Geld geht und mancher Gerichtsstand politische AbschreckungsUrteile fällt. Deswegen wäre es auch besonders wünschenswert, wenn sich mehr Organisationen um die Abdeckung von Risiken bemühen. Auch könnte man sich nun ein Interesse von Rechtschutzversicherungen vorstellen. Da zudem die Verhandlung über den 3ten Korg des UrhG ansteht sollte man den netten Gesetzgeber daran erinnern, dass seine (zensiert) Ausgestaltung des 2ten Korbs ein vollkommener Fehlschlag war. Um Änderung wird gebeten!

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