Dienstag, 21. Oktober 2014

BGH, Beschluss vom 15.05.2014 - I ZB 71/13


Heute wurde nun die von mir in diesem Bericht angekündigte Entscheidung des Bundesgerichtshofs im Verfahren I ZB 71/13 veröffentlicht.

Der Beschluss ist hier im Volltext abrufbar.

1.
Der BGH stuft die einer Abmahnung vorangehenden entstandenen Kosten für das Beauskunftungsverfahren nach § 101 UrhG als Kosten für die Vorbereitung eines Rechtsstreits gegen die später abgemahnte Person ein. Nach Abschluss des Verfahrens können diese Kosten nun im Sinne des § 91 ZPO, Abs. 1, Satz 1 als zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung in die Verfahrenskosten einbezogen werden. Dies betrifft insbesondere auch Vergleiche, in denen vereinbart wurde, dass die Beklagtenseite die Verfahrenskosten anteilig, oder ganz zu tragen hat.

2.
Jedoch kann von einer einzelnen abgemahnten Person nicht der entstandene Gesamtbetrag aus einem erwirkten Auskunftsbeschluss verlangt werden. Der spätere Beklagte ist hier nicht gesamtschuldnerisch haftbar. Die Kosten müssen nach der Anzahl der gesamten ermittelten IP-Adressen und der zu den späteren Beklagten geführten IP-Adressen geteilt werden.

Anmerkungen:
- Ich habe zwei Verfahren "im Ruhestand" vor dem AG Hamburg vorliegen, über deren Ausgang ich berichten werde.

- Ohne nähere Begründung stuft der BGH hier eine Beklagte nach Vergleich als "Verletzer" ein, um den Bezeichnungen in der zitierten Bundestagsdrucksache Rechnung zu tragen. Das ist allerdings sehr abenteuerlich, wenn man bedenkt, dass eine Vielzahl von Vergleichen gerade nicht "Verletzer", und noch nicht einmal "Störer" betreffen, die aus unterschiedlicher Motiviation heraus dem Vergleich zustimmten. Die relativ geringe Kostenbelastung (keine Gesamtschuldnerschaft) macht das nicht ungeschehen.

- Es ist allerdings nach dem Beschluss des BGH zu vermuten, dass der BGH auch andere Arten von Kosten als "zweckentsprechende Kosten der Rechtsverfolgung" erkennen mag. Dies würde zB Täter betreffen, die nach Abschluss eines ersten (erfolglosen) Verfahrens gegen eine abgemahnte Person mit den Kosten des ersten Verfahrens belastet werden. Sicherlich zählen aber auch die "Ermittlungskosten" selbst zu diesen Positionen.

Freitag, 17. Oktober 2014

LG Oldenburg, Versäumnisurteil - 5 S 53/14

Rechtsanwalt Volker Küpperbusch, Notar
Fachanwalt für gewerblichen Rechtschutz
Fachanwalt für Urheber- und Medienrecht
Fachanwalt für Handels- und Gesellschaftsrecht 
Kanzlei Dr. Stracke, Bielefeld
Dr. Stracke, Bubenzer & Kollegen
Rechtsanwälte und Notare


Große Freiheit bei der Festsetzung unheiliger Streitwerte


Urteil des Landgerichts Oldenburg vom 01.10.2014
Aktenzeichen 5 S 53/14.



Das Album "Große Freiheit" der Gruppe "Unheilig" war im Jahr 2010 das erfolgreichste Album des Jahres. Dies gilt nicht nur für die Chartplatzierung und den Verkauf, sondern ebenso für die seinerzeit veranlaßte Abmahntätigkeit für dieses Album. Eine große Zahl Abgemahnter wurde wegen angeblicher Verletzung von Urheber- bzw. Tonträgerrechten von der Hamburger Kanzlei Rasch Rechtsanwälte im Auftrag der Firma Universal Music abgemahnt und auf Unterlassung, sowie Zahlung angeblicher Kosten und Schadensersatz in Anspruch genommen. Regelmäßig geschah dies damals unter Nennung einer Vergleichsmöglichkeit in Höhe von 1.200,00 Euro.

In der Folge wurde gegen Abgemahnte, die diese "Zahlungsvorschläge" nicht erfüllten, Forderungen geltend gemacht. Tatsächlich waren die dann gestellten Forderungen deutlich höher. Üblicherweise wurden angebliche Kosten aus einem Gegenstandswert von 50.000,00 Euro in Höhe von 1379,80 Euro und ein angeblicher Schadensersatz von 2.500,00 Euro geltend gemacht und vielfach gerichtlich eingefordert.

Dabei gibt es Gerichte, die dieser Streitwertvorstellung der Klägerin gefolgt sind.

Anders das Amtsgericht Oldenburg in seiner Entscheidung vom 18.12.2013, Aktenzeichen 1 C 1286/13, jetzt bestätigt durch Versäumnisurteil des Landgerichtes Oldenburg vom 01.10.2014, Aktenzeichen 5 S 53/14.

Das Landgericht Oldenburg hat die Berufung gegen die Teilabweisung die auf Erstattung angeblicher Kosten aus dem Gegenstandswert von 50.000,00 Euro gerichtet war insoweit abgelehnt, als ein Betrag oberhalb von 10.000,00 Euro Streitwert verlangt wurde. Die Berufung ist trotz Säumnis des Beklagten aus Rechtsgründen zurückgewiesen worden.

Das Landgericht Oldenburg hat damit bestätigt, dass der Klägerin kein höherer Ersatzanspruch zusteht. Die Kammer hat wie bereits vorher das Amtsgericht festgestellt, dass der Gegenstandswert der Abmahnung mit 10.000,00 Euro zutreffend und ausreichend bemessen ist.


Im Versäumnisurteil vom 01.10.2014 führt das Landgericht Oldenburg dazu folgendes aus:

"Die Kammer hat im Verfahren 5 O 3143/13, in dem die Klägerin ebenfalls beteiligt war, ausgeführt:

'Für den Unterlassungsantrag zu 1), der sich auf einen einzelnen Musiktitel bezieht, nimmt die Kammer einen Wert von 5.500,00 Euro an.

Die Kammer setzt für Unterlassungsklagen wegen Urheberrechtsverletzungen an Zeichnungen, Fotos, Bildern, einzelnen Büchern und Werbematerialien als Regelstreitwert 5.000,00 Euro an (Beschluss vom 06.07.06 - 5 O 1750/06; bestätigt durch OLG Oldenburg, Beschluss vom 25.07.06 - 1 W 49/06). Damit bewegt sie sich in der Größenordnung vergleichbarer Entscheidungen (OLG Köln GRUR 2004, 499 = AfP 2004, OLG Hamburg GRUR-RR 2004, 342):

Inzwischen geht die Kammer von einem durchschnittlichen Streitwert von 5.500,00 Euro aus (Beschl. vom 16.03.2012 - 5 O 296/12 best. durch OLG Oldenburg, Beschl. vom 03.07.2012 - 6 W 61/12). Dabei ist maßgebend, dass nicht allein auf die entgangenen Lizenzen abzustellen ist. Es muss viel mehr auch ein gewisser Abschreckungseffekt berücksichtigt werden. Zwar nimmt das OLG Schleswig den dreifachen Betrag einer zeitlich unbefristeten Lizenzerteilung als Größenordnung an (GRUR-RR 10, 126), da sich das Interesse des Gläubigers allein an der Unterlassung der Wiederholung des konkreten widerrechtlichen Eingriffs in sein Urheberrecht orientiere und der Streitwertfestsetzung keine Disziplinierungsfunktion hinsichtlich möglicher Nachahmer beikomme. Dem hält die Kammer entgegen, dass dem Betroffenen einer Urheberrechtsverletzung daran gelegen ist, jeden Eingriff in sein Recht nachhaltig abzuwehren. Jede Verletzungshandlung verwässert die ihm ggfls. auch ausschließlich zustehende Rechtsposition. Ist der Damm erst gebrochen, ist ein effektiver Rechtsschutz kaum noch möglich.

Für das Angebot eines einzelnen Musiktitels haben die Oberlandesgerichte Frankfurt (MMR 2011, 420) und Düsseldorf (CR 2013, 538) jeweils im einstweiligen Verfügungsverfahren einen Streitwert des urheberrechtlichen Unterlassungsbegehrens von 2.500,00 Euro angenommen. Die Kammer schließt sich den Erwägungen in den zitierten Entscheidungen an. Da die Kammer regelmäßig im einstweiligen Verfügungsverfahren die Hälfte des Wertes der Hauptsache ansetzt, folgt auch daraus für das hier vorliegende Hauptsacheverfahren der Wert von 5.000,00 Euro.'

An diesen Ausführungen ist festzuhalten. Für die Kammer scheint es auf der Hand zu liegen, dass bei der Verbreitung eines gesamten Albums - vorliegend mit 16 Titeln - der Wert nicht anhand einer simplen Multiplikation errechnet werden kann. Für den durchschnittlichen Musikliebhaber sind in aller Regel lediglich 2 - 3 Titel eines Albums so weit von Interesse, dass er bereit ist, Geld dafür auszugeben. Nicht selten anzutreffen ist die sog. "One-Hit-Wonder", also Künstler, bei denen ein einziger Titel breites Interesse trifft, und dir trotzdem auch Musikalben verkaufen. Die Phänomenologie der Musikalben reicht demnach von solchen schlichten Verkaufsvehikeln, bei denen die Bekanntheit eines (radiotauglichen) Titels kommerziell ausgewertet wird bis zu Konzeptalben, die gar nicht auf die Verwertung einzelner Titel angelegt sind, sondern erst als Gesamthörererlebnis ihre künstlerische Wirkung entfalten. Ihnen allen ist aber gemein, dass ihr kommerzieller Wert nicht aus der Multiplikation des Wertes der Einzeltitel errechnet werden kann, sondern es einen eigenen Wert des Albums als Ganzes gibt. Bei dem aktuellen Chart-Erfolg "Prayer in C" der Gruppe "Lilly Wood & the Prick" wird eine 2-Titel-CD für 2,99 Euro vermarktet, während das Album mit 16 Titeln für 9,99 Euro zu erwerben ist (Quelle: amazon, de; 24.09.2014). Der Wert der Unterlassung ist daher mit dem Doppelten des Einzeltitels, also 10.000,00 Euro, angemessen geschätzt."



Das Landgericht geht also in seiner Begründung davon aus, dass tatsächlich längst nicht alle Titel eines Albums von gleichem Interesse sind, sondern sich Hitstatus im Grunde nur auf einige Titel bezieht. Trotz des großen Erfolges des Albums "Große Freiheit" der Gruppe "Unheilig" geht das Landgericht davon aus, dass der Streitwert von 10.000,00 Euro ausreichend ist.

Bedenklich ist dabei allerdings die wiederholte Annahme des Landgerichts innerhalb der Begründung, dass ein Streitwert auch durch einen "gewissen Abschreckungseffekt" beeinflusst werde. Ein allgemeiner Abschreckungseffekt ist bei richtiger Betrachtung keine Grundlage der Bemessung eines Gegenstandswertes, bei dem es um die Frage der konkreten Unterlassung des jeweils in Anspruch Genommenen geht.


Zuzustimmen ist dem Landgericht Oldenburg aber darin, dass trotz des Erfolgs des Albums "Große Freiheit" der Künstlergruppe "Unheilig" der konkrete Streitwert von 10.000,00 Euro ausreichend hoch ist. Das Landgericht hat hierzu konkret noch folgendes festgestellt:

"Eine andere Wertfestsetzung ist auch nicht deshalb geboten, weil es sich bei dem hier zugrunde liegenden Album "Große Freiheit" - unstreitig - um ein wirtschaftlich besonders erfolgreiches Album handelt. Diese Sonderstellung ist der Kammer bekannt und bewusst. Die Kammer bezieht sich hierbei auf das von der Klägerin selbst vorgelegte Urteil des OLG Hamburg vom 07.11.2013, Az. 5 U 222/19, in dem ausgeführt wird:

'Der Versuch, für jeden denkbaren Musiktitel einen individuellen ausgestalteten Schadenersatzbetrag zu finden, der den Besonderheiten dieses einzelnen Musikstücks gerecht wird (Alter, Hitparadenplatzierung, Verkaufszahlen, Bekanntheit der Gruppe usw.) kann angesichts der Vielzahl der verfügbaren Musiktitel nach Auffassung des Senats nicht gelingen bzw. würde einen unangemessen hohen zeitlichen Aufwand mit sich bringen. Deshalb muss sich die Bemessung an einer gewissen Pauschalierung des Schadensersatzbetrages pro Titel orientieren, um die Beurteilung handhabbar zu machen (...) Vor diesem Hintergrund kann es nicht entscheidend darauf ankommen, dass die Klägerinnen gerade zwei besonders bekannte Musikstücke zum Gegenstand ihres Schadensersatzbegehrens im vorliegenden Rechtsstreit gemacht haben. Dieser Umstand rechtfertigt hier keinen höheren Schadensersatzbetrag. In diesem Zusammenhang hat das Landgericht zwar zurecht darauf abgestellt, dass gerade altere Musiktitel erfahrungsgemäß wesentlich seltener heruntergeladen werden als hochaktuelle Aufnahmen. (...) es entspricht allgemeiner Erkenntnis, dass selbst bei demselben Künstler keineswegs alle eingespielten Titel (auch nicht diejenigen ein und desselben Albums) gleichermaßen attraktiv erscheinen und deshalb in ähnlicher Weise im Filesharing heruntergeladen werden.'

Die Kammer tritt diesen Ausführungen bei. Die angefochtene Entscheidung ist daher vollumfänglich zu bestätigen."



Beachtlich ist an dem Urteil, dass das Landgericht Oldenburg damit seiner eigenen erst kürzlich ergangenen jüngeren Rechtssprechung widerspricht. Noch bis vor kurzem ist auch das Landgericht Oldenburg von einem überhöhten Streitwert von 50.000,00 Euro ausgegangen. Dieser wurde hier jetzt korrigiert.

Das Landgericht Oldenburg befindet sich damit auf eine Linie mit dem Beschluss des OLG Dresden vom 05.11.2013, Aktenzeichen 14 W 348/13. Auch das OLG Dresden ist von einem Streitwert von 10.000,00 Euro für das erfolgreiche Album im Rahmen des sogenannten Filesharing ausgegangen.

Noch unberücksichtigt ist im Urteil des Landgericht Oldenburg, dass tatsächlich selbst für den Fall, dass ein Album angeboten worden ist lediglich kleine Teile eines Werkes von einzelnen Teilnehmern solcher sogenannter Tauschbörsen angeboten werden und angesichts der niedrigen Uploadgeschwindigkeit niemals die Verantwortung eines einzelnen Teilnehmers für ein Gesamtangebot des Albums bzw. dessen Download besteht.

Durch diese Urteile des Amtsgerichts und Landgerichts Oldenburg bestätigt sich aber die zu begrüßende Tendenz, dass die Streitwerthöhen von den Gerichten zunehmend kritischer beurteilt werden und tendenziell die Streitwerte im Verhältnis zu den Jahren 2007 bis 2011 heute erheblich zurückgehen und sich damit einer sachgerechten gerichtlichen Beurteilung zumindest nähern.

Freitag, 10. Oktober 2014

AG Bad Saulgau und der § 104a UrhG - Kosten


Im letzten Bericht konnte über einen Erfolg am AG Bad Saulgau berichtet werden. Nun betrachten wir ihn allein durch die Kostenbrille und setzten den Bezug zu "früher". Durch die erfolgte Klagerücknahme hat hier die Klägerin die Verfahrenskosten zu tragen. Es fanden keine Zeugenvernahmen, etc... statt. Außergerichtliche Kosten werden nicht aufgeführt - wir rechnen nach dem RVG und ohne Mehrwertsteuer.

I - Von Hamburg nach Bad Saulgau 

Die Reform des Urheberrechts zum 09.10.2013 beinhaltet den § 104a UrhG, nach dem die Klägerin mit Sitz in Köln nun zum Zeitpunkt der Klageerhebung am 07.05.2014 nicht mehr wie "gewohnt" die Klage am AG Hamburg einreichen konnte. Durch eigenes Verschulden (§ 4, Abs. 2 GKG) reichte die Klägerin zunächst am nicht zuständigen AG Stuttgart Klage ein. Die Gerichtskosten sind nun von dem AG Bad Saulgau zu veranschlagen (§ 4, Abs. 1 GKG). Es ging dann an das richtige Gericht - AG Bad Saulgau.

Die Ersparnis durch den § 104a UrhG ist hier sehr theoretisch. Der Begriff der "Waffengleichheit" bedeuted hier, dass dem Beklagten bei einem einmaligen Termin kaum zumutbar gewesen ist die beschwerliche Reise nach Hamburg anzutreten. Eine Geldersparnis kommt hier nicht zum Tragen. Hätter der Beklagte jedoch teinehmen wollen, hätte er sicher an die 400,00€ als Minimum kalkulieren müssen. Heute "spaziert" zu den Terminen - unschätzbare "Waffengleichheit".

Zu empfehlen war es natürlich dann auch in Verfahren am AG Hamburg Hamburger Rechtsanwälte einzuschalten. Hier entfielen dann - auf beiden Seiten die Reisekosten.

Heute aber "bezahlt" man die theoretische "Waffengleichheit" mit den Kosten einer Terminsvertretung für die Klägerin (sofern man das Verfahren verliert). Klar - Hamburger Rechtsanwälte schippern nicht nach Bad Saulgau - egal wie schön es da unten ist. 

II - Verfahrenskosten 

Die Klägerin hielt trotz Hinweis des Gerichts den Gegenstandswert des Verfahrens bei 965,60€. Das Gericht dürfte ihn nun nicht ändern.

Beklagtenseite und Klägerseite entstehen jeweils 220,00€ an Rechtsanwaltsgebühren. Es wird eine dreifache Gerichtsgebühr veranschlagt (ohne AG Stuttgart) = 159,00€

Beklagtenseits entstehen zusätzlich Fahrtkosten (Ravensburg) iHv 21,00€ und Abwesenheitsgeld unter 4 Stunden ihV 20,00€.

Klägerseits entstehen für die Terminsvertretung 148,00€ an Rechtsanwaltskosten und zusätzliche Fahrtkosten (Ulm) iHv 45,00€ und Abwesenheitsgeld unter 4 Stunden ihV 20,00€.

Die Verfahrenskosten betragen damit nach RVG 853,00€.

Der Unterschied zu "früher" am AG Hamburg mit Hamburger Rechtsanwälten beträgt also immerhin 254,00€.

Fazit: § 104a UrhG bringt also nicht nur spürbare, jedoch oftmals rein theoretische Entlastungen. Er erhöht auch das Kostenrisiko (um hier im Beispiel immerhin 42,4%).

III - Warnung vor der Kostenfalle "deutschlandweit" - besonders bei "Pauschalanwälten"

Selbstverständlich weiß ein normal denkender Mensch, dass die Beauftragung einer eigenen nicht ortsansässigen Vertretung durch einen Rechtsanwalt Mehrkosten verursacht, die er im Verlustfall zu tragen hat. Ganz besonders schlimm wird es aber im Bereich der Vergleiche mit Gerichtstermin - und noch schlimmer, wenn man berüchtigte Pauschalanwälte beauftragt.

Naturgemäß bricht nun 2014 den Hamburger Rechtsanwaltskanzleien durch den § 104a UrhG ein ganzer "Markt" weg. Bei "Spitzenkanzleien" stehen gerne sechsstellige Summen pro anno zur Debatte. Auch aufgrund der verbesserten Rechtssprechung (wie "unser! BGH-Bearshare"-Urteil) möchte man immer noch im Geschäft bleiben. Das ist nur verständlich. Allerdings existieren leider "Werbemodelle" im Internet, die wortreich die Mehrkostenbelastung verschleiern (!Nachtzüge/Zahnbürsten/Leichtes Gepäck/Bahncard"-Werbemodell). Dabei dürfte zu 100% sicher sein, dass kein Rechtsanwalt sein Geschäft zwei Tage liegen läß, nur um an einer Verhandlung im schönen Oberschwaben teilzunehmen - wobei die Kosten hierfür auch noch untragbar wären. Er schickt einen Terminsvertreter.

Mehrkostenliste 

Zu den bereitsermittelten 853,00€ an Verfahrenskosten kommen 148,00€ für eine eigene Terminsvertretung "Ravensburg" hinzu. Mehrbelastung zu "früher" = 402,00€.

Vergleicht man aber bei "Kostenaufhebung" sind wir bei eigenen Kosten iHv 539,50€ (zu dem Vergleichsbetrag). Mehrkosten zu "früher" 189,00€. 

Beauftragt man gar einen "Hamburger Pauschalanwalt", der idR 400,00€ verlangt kommen weitere 180,00€ hinzu = Mehrbelastung zu "früher"+"RVG-Anwalt"  = 582,00€. Für einen Vergleich mit Kostenaufhebung bezahlt man hier dann 719,50€ an eigenen Rechtsanwaltskosten (zu dem Vergleichsbetrag).

Fazit

Der neue § 104a UrhG bringt also nicht nur Verbesserungen. Man hat die neue Konstellation im Verhältnis zu den Klägern zu beachten - darf aber auch nicht auf "billigen" Werbemüll reinfallen. Es bleibt wie schon vor dem 09.10.2014 - überall und deutschlandweit gibt es hervorragende Urheberrechtskanzleien - auch im schönen Oberschwaben. Diese sind daher aus Kostengründen zu bevorzugen.

Denn frei nach einem bekannten Werbeträger: "Wer billige Werbung zahlt, kauft dreifach!"

Mittwoch, 8. Oktober 2014

AG Bad Saulgau - 1 C 172/14 - Klagerücknahme vom 17.09.2014


Im schönen Oberschwaben fand ein beispielhafter Rechtsstreit statt, der die aktuellen Entwicklungen in Filesharingklagen zusammenfasst. 

Die Klägerin behauptete Inhaberin ausschließlicher Nutzungs- und Verwertungsrechte für den deutschen Sprachraum an einem C-Horrorstreifen zu sein. Sie legte als Beweis einen nicht unterzeichneten "Vertrag" mit einem amerikanischen Produzenten vor. Die Klägerin habe die deutschsprachige Fassung des Werks am 23.03.2010 übersetzen lassen. Das Werk sei dann am 29.01.2010 (???) erstveröffentlich worden. Die Firma Guardeley habe am 22.02.2010 (???) eine Rechtsverletzung über eine Filesharing-Tauschbörse fest gestellt, welche in einem späteren Beauskunftungsverfahren dem Internetanschluss des Beklagten zugeordnet worden sei. Der Beklagte habe - so die beweiserleichernde tatsächliche Vermutung der Klägerin - die Rechtsverletzung selbst begangen. Die Klägerin verlangte 807,80€ (1,3-Gebühr aus einem Gegenstandswert iHv 19.000,00€) an Rechtsanwaltskosten aus der erfolgten Abmahnung. Zudem sei ihr ein lizenzanalogischer Schadensersatz iHv 157,80€ zuzusprechen. Dies ergäbe einen vorläufigen Streitwert ihV 1007,80€ (???). 


Bereits mit Beschluss vom 08.07.2014 verfügte das Gericht jedoch zunächst ein vereinfachtes Verfahren nach § 495a ZPO, da der Streitwert die Grenze von 600,00€ nicht überschreiten würde. Eine mündliche Verhandlung fände nur auf Antrag der Parteien statt. Das Gericht erläuterte, dass es zwar zunächst den Schadensersatzbetrag iHv 157,80€ als angemessen einstufen würde. Nach vorläufiger Sicht des Gerichts würde jedoch der angemessene Gegenstandswert für die Abmahnung mit 2.000,00€ = 229,50€ (Mittelgebühr 1,5-Faktor für umfangreiche und schwierige Fälle! + 30,00€ Auslagen) betragen. Das Gericht führte hierzu aus, dass es die Entscheidung des OLG Hamm, Beschluss vom 26.03.2013 – 22 W 42/13 auch für diesen Rechtsstreit heran zu ziehen sei. Weiter könne auf den § 97a UrhG, Abs 3 – neu zur Orientierung verwiesen werden. Zwar sei dieser zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung nicht in Kraft gewesen. Der Gesetzgeber habe jedoch mit der Reduzierung des Gegenstandtswertes auf 1.000,00€ zu erkennen gegeben, dass er Gegenstandswerte iHv 19.000,00 als überhöht ansähe.

Der Beklagte suchte sich zunächst selbst zu verteidigen und erhielt dabei professionelle Unterstützung aus den Reihen der "Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn". Der Beklagte ging auf die rechtlichen Gegebenheiten des gegnerischen Vortrags im Bereich der "Aktivlegitimation" ein. Er fühlte sich bemüßigt die ordnungsgemäße Ermittlung der Rechtsverletzung zu bestreiten. Zur Sache gab er an, dass er die Tathandlung nicht begangen habe. Er selbst sei nicht alleiniger Nutzer des Anschlusses. Neben seiner Ehefrau seien auch drei erwachsene Kinder Nutzer des Anschlusses gewesen. Der Anschluss sei gegen einen unberechtigten Zugriff eines Dritten von außen abgesichert  gewesen (etc...). Mit seinem Vortrag sah der Beklagte die tatsächliche Vermutung er selbst sei für die Rechtsverletzung verantwortlich erschüttert. Seiner sekundären Darlegungslast und ebenso Recherchepflichten nach dem Erhalt der Abmahnung sei er mit seinem Vortrag nachgekommen. 

Die Klägerin wandte sich gegen den Beschluss des Gerichts vom 08.07.2014 (Rechtsanwaltskosten) und beantragte die Durchführung der mündlichen Verhandlung. Der Beklagte beantwortete zwei Schriftsätze der Klägerin mit einem eindeutigen Schriftsatz. 

Für die mündliche Verhandlung am 03.09.2014 und das weitere Verfahren nahm der Beklagte dann die Unterstützung der von der Interessengemeinschaft gegen den Abmahnwahn empfohlenen Kanzlei Krafft, Gschwind & Kozicki, Ravensburg, namentlich RA Mark Kozicki in Anspruch, welcher kurzfristig den Termin wahrnahm. Hierfür auf diesem Wege besonderer Dank. 

Tatsächlich fand die mündliche Verhandlung statt. Die Klägerin entsandte eine Terminsvertretung aus Ulm. Das Gericht stellte aus verschiedenen Gründen eine Klageabweisung in den Raum.

Die Verkündung des klageabweisenden Urteils sollte am 24.09.2014 statt finden. 

Dem kam die Klägerin durch Rücknahme der Klage am 17.09.2014 zuvor. 

Der Beklagte beantragte nun der Klagerin die Kosten des Rechtsstreits mit einem Steitwert ihv 965,60€ aufzuerlegen.  

PS vom 09.10.2014: Vor diesem Update möchte ich bitten, dieses Detail als "Einzelfallentscheidung" des Gerichts zu werten. Auf andere Fälle oder Konstellationen ist dies nicht zu übertragen! 

Der noch recht junge und auch technische offensichtlich sehr kompetente Richter in diesem Verfahren handelte überaus pragmatisch. Letztlich ging es denn doch in erster Linie "nur" um die Frage, ob wie die Klägerin behauptete, der Beklagte die Tathandlung begangen habe, und ob er seinen Recherchepflichten zu dem Vorfall nachgekommen sei. Neben dem Vortrag in eigener Sache standen im vorliegenden Rechtsstreit vier Zeugen zur Verfügung. 

a)  die Ehefrau zB zu den "Nutzungsgewohnheiten",
b) zwei erwachsene Kinder (zB Recherchepflichten und Aussagen),
c) ein technisch sehr begabter, erwachsener Sohn, der den Computer des Beklagten 'gewartet' hat (zB als Zeuge gegen auffällige Programmnutzungen). Darüber hinaus war c) auch für die Installation und Betrieb des Funknetzwerkes zuständig.

Sämtliche Nutzer stritten gegenüber dem Beklagten desweiteren ab, die Tathandlung begangen zu haben. 

Aus einer Vielzahl von Verfahren kennen wir aber die "Strategie" der Klägervertreter, Prozesse bis zum bitteren Ende auszureizen. Das "Argument" ist schlicht: "Wenns keiner war - wars doch der Beklagte - man muss alle angebotenen Zeugen hören." (Hierzu mal bspw. AG Köln, Urteil vom 14.08.2014 - 137 C 140/14 - identischer Kläger, und/oder AG Düsseldorf, Urteil vom 19.11.2013 - 57 C 3144/13 - Rn20, usw...). 

Das AG Bad Saulgau jedoch verkürzte die Angelegenheit nach meinem Empfinden vorbildlich. Das Gericht erachtete die bisherigen Schriftsätze als ausreichend, um eine Entscheidung fällen zu können. Eine Einvernahme der angebotenen Zeugen sei nicht erforderlich, da diese Zeugen in der Vernahme nach § 383 ZPO das Zeugnis (komplett) verweigern könnten. Auch dann bliebe für das Gericht überwiegend wahrscheinlich, dass der Beklagte weder als Störer noch Täter haftbar zu machen sei. Die Beklagtenseite agierte entsprechend. Die Terminsvertetung der Klägerin konnte auch dieses Ergebnis den Bevollmächtigten der Klägerin nur "mitteilen". Eine Reaktion per Schriftsatz ist nicht erfolgt.