Freitag, 21. Oktober 2011

LG Köln, Beschluss vom 31.08.2011, 33 O 202/11

Volltext

In den Erwägungen der 33.ten Zivilkammer aus Köln wird wortreich erläutert, weshalb eine eidesstattliche Versichung eines Bürgers weniger wert ist, als die eidesstattliche Versicherung einer Loggerbude:

"Dass die Ermittlungen der Firma Evidenzia fehlerhaft gewesen sind, erscheint angesichts der Tatsache, dass der Verstoß an ein und demselben Tag zu drei verschiedenen Zeitpunkten und darüberhinaus noch an einem anderen Tag festgestellt wurde, außerordentlich unwahrscheinlich. Dem steht auch nicht das von dem Antragsgegner vorgelegte Gutachten des Sachverständigen Langer (Anlage AG 4, Bl. 90 ff. d.A.) entgegen. Zwar hat der Sachverständige in diesem Gutachten ausgeführt, dass die eingesetzte Ermittlungssoftware der Firma Evidenzia unter ungünstigen Umständen dazu führen kann, dass die ermittelte Datei zum protokollierten Zeltpunkt nicht mehr dem Computer zugeordnet war, von dem der Download angeboten wurde. Vorliegend wurde der Rechtsverstoß jedoch insgesamt zu vier unterschiedlichen Zeitpunkten festgestellt. Wäre der Rechtsverstoß tatsächlich nicht von dem Internetanschluss des Antragsgegners begangen worden, so hätte die Ermittlungsfirma die streitgegenständliche IP-Adresse zu vier unterschiedlichen Zeitpunkten nicht nur fehlerhaft, sondern auch zufällig fehlerhaft immer dieselbe falsche IP-Adresse ermittelt. Eine derartige Häufung von Zufälligkeiten ist, insbesonders unter Berücksichtigung der Tatsache, das bereits ein fehlerhafter Verstoß ausweislich des Gutachtens unwahrscheinlich ist, lebensfern."

Die Häufung von angeblich beweissicher notierten Rechtsverletzungen stellt indes kein Qualitätsmerkmal dieser Loggerbude dar.

Einer von vielen Beweisen:

Der Beschluss ist insofern als auf fehlerhaften Vorstellungen basierend zu bezeichnen.

Dienstag, 11. Oktober 2011

OLG Köln - 6 U 67/11

"Der Weltraum. Unendliche Weiten. Wir schreiben das Jahr 2011. Dies sind die Abenteuer des Raumschiffs Abmahnwahn, dass mit seiner 2,0 Millionen Mann starken Besatzung fünf Jahre lang unterwegs war, um neue RechtsWelten zu erforschen, neues AnwaltsLeben und neue GerichtsZivilisationen. Viele Lichtjahre von der Erde entfernt dringt die Abmahnwahn in Galaxien vor, die nie ein Mensch zuvor gesehen hat."

Logbuch der Abwahn, Sternzeit 5 Jahre Abmahnterror, Commander Shual:

Auf dem Planeten OLGKöln6U6711 entdeckten wir heute in einem Hinweisbeschlusssumpf eine neue Lebensform. Wir benannten Sie mit: "Flüchtiger Gerechtigkeitsanfall". Die Lebensform ist noch ein kleines Pflänzchen, dass man schön giessen und pflegen muss:



Volltext

Fünf Jahre dauerte es bis ein höherrangiges Gericht mit dem Aufbau eines Abmahnsystems logisch beschäftigt. Schreibt zB der Abmahner Waldorf Frommer 800 Abmahnungen aus angeblichen Verletzungshandlungen eines Tauschbörsenscharms innerhalb einer Woche auf einem Kinofilm erhielt er durch Gerichte per Schätzung bestätigt, es entstünde im Einzelfall ein Schaden von zB 350,00€. Die bereits erfolgten Ersatzleistungen, also die bezahlten Abmahnungen, aber auch die Gesamtforderung wurden nie berücksichtigt. So entstand pro Abmahnwelle die unerträgliche Situation eines fiktiven, aber gerichtlich bestätigten Gesamtschadens im Beispiel von 280.000,00€, wobei nicht einmal zwischen versuchten, oder abgebrochenen Verletzungshandlungen und tagelangem Verbreiten unterteilt wurde.

Der Beschluss des OLG Köln hier mehr Transparenz zu schaffen ist vollinhaltlich zu unterstützen.

Quelle: RA Christian Solmecke

Freitag, 7. Oktober 2011

LG Nürnberg, 3 O 7469/10

Die Mitte des Jahres 2011 gegründete und hiermit wärmstens empfohlene Kanzlei Lohschelder - Leisenberg - Rechtsanwälte, München wies diesen Blog nun auf den Abschluss einer Abgelegenheit hin, die ich bereits im November 2010 unter dem Titel "Manchmal frißt der Böse Wolf das Rotkäppchen doch" besprochen habe.

In dieser an Peinlichkeit kaum zu überbietenden Angelegenheit verfolgte wie berichtet der Beklagte "Künstler", dessen Massenabmahner "Rotkäppchen" eine Abmahnung zu viel versandt hatte das Ziel der Kostenreduktion nach dem der Abgemahnte eine negative Feststellung bezüglich der überschüssigen Abmahnung vor Gericht per Anerkenntnis des "Künstlers" erstritten hatte.

Per Beschluss vom 23.12.2010 legte jedoch das Landgericht Nürnberg den Streitwert aus dem sich die Rechtsanwaltskosten für die Abwehr (wohlgemerkt) einer zweiten und unberechtigten Abmahnung für einen Abgemahnten ergeben auf genau 10.000,00€ = 651,80€ + MwSt. fest. Der Beklagte hatte sich auf einen Streitwert von 1.200,00€ = 130,50€ + MwSt. verstiegen.

Der weitere Verlauf entwickelte sich mit der kanzleimarkenzeichenhaften Dramatik: Schriftsätze wurden ausgetauscht (wegen 521,30€ + MwSt.). Es kam zur Ansetzung eines Termins zur Mündlichen Verhandlung, wobei der Beklagte sich "mit Händen und Füßen" gegen die Verfügung zum persönlichen Erscheinen wehrte. Erschienen ist aber zum Verhandlungstermin nach Ankündigung am Vortag ... keine Person der Beklagtenseite. Statt dessen erhielt das Gericht (aber natürlich nicht der Kläger) einen Schriftsatz. Dieser suchte dem Gericht mitzuteilen, dass die Klage insgesamt unschlüssig sei (um ein Versäumnissurteil zu verhindern). Das sahen aber die Richter vollständig anders und gaben der Klage vollumfänglich statt. Im Anschluss daran geschah das Wunder und die Gelder incl. der Verfahrenskosten wurden vollständig überwiesen.

Um dieser Posse die Spitze aufzusetzen, ist zu bemerken, dass es sich ja um eine Klage wegen einer Samplerabmahnung (Musiktitel/Textdichter) handelte. Eben, am 20.12.2010 hatte das OLG Frankfurt den Streitwert solcher Abmahnungen gegen einen Störer auf 3.000,00€ fest gelegt. Wie auch immer sah sich das Landgericht Nürnberg nicht in der Lage diesem Wert im Verlauf der obigen Angelegenheit zu folgen.

Montag, 3. Oktober 2011

AG München - Extrateil "Kommentar"

Durchaus von Interesse sind stets die Begründungen, die Richter in Filesharing-Fällen vorbringen, um die Wirksamkeit des § 97a, Abs. 2 abzulehnen. Die folgende des AG München beinhaltet erstaunliche Gedanken:



Als schlechten Scherz empfindet der neutrale Betrachter den Hinweis, eine Massenabmahnung indiziere bereits eine erhebliche Rechtsverletzung. Das Gegenteil ist der Fall, bedenkt man vornehmlich die Profitsituation die aus Massenabmahnsystemen entstehen. Die These, eine Rechtsverletzung in einer Tauschbörse wäre überhaupt Anlass für einen Rechteinhaber Unterlassungsansprüche zu entwickeln geht vollständig fehl. Es geht allein um die Erwirtschaftung zusätzlicher Geldeinnahmen. Gerade die Kunden der Kanzlei Waldorf Frommer setzten ihre Unterlassungsansprüche, vielmehr aber ihre Zahlungsansprüche nicht im geforderten Rahmen um und betreiben mutmaßlich betrügerische, in jedem Fall standesrechtlich verwerfliche Abrechnungsmodelle. (Sag nicht ich, sondern Richter denen allein die Beweislage noch nicht ausreicht um deutlicher zu werden.)

Die Argumentation des Beklagten in Sachen Schadensersatz ist zu befürworten. Durch den ermittlerisch nachgewiesenen und zugestandenen Vorgang erlaubt sich eine echte Schadenstaxierung, die bei Musikalben im zweistelligen Rahmen verbleibt. Die richterliche Vorstellung von Tauschbörsen entspricht nicht der Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, in dem sie eine sehr diffuse "Ermöglichung einer Vervielfältigungshandlung" als anspruchsbegründend qualifiziert (vgl. BGH, Urteil vom 22. April 2009 - I ZR 216/06).

So wird also nach guter bayrischer Tradition zigfach abgemolken: Ein Abgemahnter bezahlt 350,00€ für die "Ermöglichung" einer Verletzungshandlung, die ein anderer begeht, der wiederum anderen ... so wird eine Tauschbörsenschwarm-Verletzungshandlung, die einen angeblichen Schaden im Wert von von mir aus 7500,00€ bedeuted, in einer Abgemahntengeneration von 500 Abgemahnten auf 175.000,00€ richterlich geschätzt.

Sonntag, 2. Oktober 2011

AG München, Urteil v. 28.07.2011, 161 C 2221/11

Mit dem Wochenende wurde ein Urteil der Spezialabteilung "Filesharing" des Amtsgerichts München vom 28.07.2011 in Sachen "Waldorf Frommer" bekannt.

Es handelt sich hierbei aber nicht um ein Urteil aus dem Pool der Verjährungsklagen. Denn die Leistungsklage der Kanzlei resultierte aus einer (nicht nachvollziehbaren) Negativen Feststellungsklage eines Abgemahnten.

Sachverhalt
Ein Internetanschlussinhaber lud sich noch im Jahr 2009 ein Musikalbum in einer Tauschbörse herunter. Er ging nach eigenen Angaben von einem legalen Angebot aus. Er habe nicht gewußt, dass er mit der Nutzung des Filesharing-Clients Dritten das Werk zur Verfügung stellt und damit verbreitet. Eine folgende Abmahnung beantwortete der spätere Beklagte mit einer Unterlassungserklärung, die durch seinen Rechtsanwalt hergestlellt wurde. Er bezahlte die Zahlungsforderungen nicht und erhob im weiteren Verlauf eine Negative Feststellungsklage. Im Anschlus erhob die Kanzlei Waldorf Frommer für die Musikindustrie am Amtsgericht München Klage.

Entscheidung
Erwartungsgemäß wurde der Beklagte zur Zahlung von 856,00€ (Rechtsanwaltskosten + 350,00€ Schadensersatz) verpflichtet. Es wäre dem Beklagten in Bezug auf den Schadensersatz zumindest Fahrlässigkeit vorzuwerfen. Er habe die im Verkehr notwendige Sorgfalt ausser Acht gelassen, da er das Angebot in der Tauschbörse nicht ausreichend geprüft habe. (§ 276 BGB, Abs. 2) Da die Abmahnung insofern berechtigt war, sind natürlich auch die Rechtsanwaltkosten zu erstatten. (Eine Auseinandersetzung mit dem Beschluss des OLG Köln 6 W 30/11 vom 20.05.2011 erfolgt nicht.)

Abgelehnt wurde zudem die Anwendbarkeit des § 97a UrhG, Abs. 2 ("100€-Deckelung"). Der Schadensersatzansatz wurde ebenso bestätigt wie der Streitwert zur Berechung der Rechtsanwaltskosten.