Einleitung
Letztlich
dürfte bei dem Beklagten, der sich hiermit bei seinem Team bedankt,
die Erleichterung über den dann doch schnellen Verfahrensabschluss
überwiegen. Dieses hätte aufgrund der Entwicklung des Rechtsstreits
durchaus noch Jahre dauern können. Besonderen Dank an FrauRechtsanwältin Simone Winkler, Kanzlei Schulz, Winterstein,
Schoreit, Buck, Harders, Ahrensburg.
Das
Ergebnis vorweg: Die Klägerin zog im November 2013 ihre Klage
zurück. Der Beklagte stellt jedoch keinen Kostenantrag nach § 269
ZPO, Abs. 2, Satz 3 und Abs. 4. Damit hat er nach RVG den Betrag von
352,50€ selbst zu erstatten.
Sachverhalt
und Verlauf 2012
Im
September 2009 soll es nach Angaben einer in der Schweiz firmierenden
Ermittlungsfirma zu einer Rechtsverletzung an einem Werk eines
Berliner Pornoherstellers über den Internetanschluss des Beklagten
gekommen sein. Er erhielt eine Abmahnung einer Hamburger
Kanzlei, die sich unter anderem auf Pornoabmahnungen spezialisiert
hat. Im weiteren Verlauf erhielt der Beklagte eine zweite
Pornoabmahnung, die allerdings im Verfahren keine besondere Rolle
spielen konnte (und die mittlerweile verjährt ist). Denn der Beklagte
befand sich zum angeblichen Tatzeitpunkt im September 2009 mit seinem
Sohn (Baby) alleine zu Hause. Seine Lebensgefährtin
verfügte zu diesem Zeitpunkt über kein internetfähiges Endgerät
und war zudem arbeiten. Der W-LAN-Router des Beklagten war
ordnungsgemäß verschlüsselt. Das Eindringen eines unbekannten
Dritten daher kaum möglich. Somit lag eine Konstellation vor, die
wenig für den Beklagten sprechen ließ.
Der
Beklagte jedoch, selbst Musiker und daher auch mit der
Urheberrechtsthematik befasst, wandte sich strikt gegen den Vorwurf
das streitgegenständliche Werk unerlaubt verbreitet zu haben. Er
bestritt die ordnungsgemäße Ermittlung der Tathandlung. Er bestritt
sowohl die ordnungsgemäße Beauskunftung, als auch die Legalität
des Vorgangs, da die Klägerin sich des berüchtigten „zweistufigen
Beauskunftungsverfahrens“ befleißigt hatte, also zuerst mit
Gerichtsbeschluss Daten eines Providers erlangte (Benutzerkennung),
um mit diesen Daten die personenbezogenen Daten des späteren
Beklagten über den Reseller ohne Gerichtsbeschluss einzuholen.
Die
Klägerin verlangte neben der Erstattung von 859,80€
Rechtsanwaltskosten für die Abmahnung noch 1.000,00€
Schadensersatz. Sie argumentierte, dass die Ermittlungen
ordnungsgemäß abgelaufen seien. Daher sei der Beklagte nach der
herrschenden Rechtsmeinung über den Weg einer „tatsächlichen
Vermutung“ für den Vorfall verantwortlich zu machen. Sein Vortrag
wäre nicht ausreichend, um diese „tatsächliche Vermutung“ zu
erschüttern.
Das
Gericht enthielt sich zuerst einer Meinung und beraumte eine
mündliche Verhandlung im Dezember 2012 an.
Verlauf
2013
Eine
gütliche Einigung in der mündlichen Verhandlung scheiterte. Hierauf
verfügte das Gericht, dass Beweis über die Behauptung der
Klagepartei zu erheben sei, dass zum Tatzeitpunkt im September 2009
über die IP-Adresse, die dem Beklagten zugeordnet wurde, die
streitgegenständliche Datei anderen Tauschbörsennutzern angeboten
wurde, dass diese Datei von der ermittelnden Stelle selbst herunter
geladen worden sei und es zu einem Vergleich mit dem Orginal kam.
Hierzu sei der Geschäftsführer der ermittelnden Firma wie von der Klägerin als Beweismittel angeboten als Zeuge zu
hören.
Die
Beweisaufnahme fand Ende Januar 2013 statt. Auf Seiten des Beklagten
gesellte sich als sachverständige Person ein Informatikprofessor aus
Hamburg hinzu. Bekannter Maßen ermittelt die im Herbst 2009 in
Tauschbörsen für die Klägerin tätige schweizer Firma durch die
Teilnahme an den Rechtsverletzungen mittels eines Filesharing-Clients
(Shareaza) und fertig über die durch diesen Client angezeigten
„Peer“-Listen Screnshots zu einer jeweiligen Sekunde an. Das Fazit
des Gerichts: Die Aussage des Zeugen „reicht indes für sich
genommen nicht aus, die Richtigkeit der Ermittlungen der X. AG zur
hinreichenden Überzeugung des Gerichts zu beweisen. Fragen zum
technischen Hintergrund der Ermittlung von IP-Adressen durch das
Programm „Shareaza“ konnte der Zeuge, eigenen Angaben nach kein
IT-Experte, nicht hinreichend beantworten.“ Ein zwischenzeitlich
eingereichtes „Parteigutachten“ eines „Betriebswirts“ und
„Internetdiensteanbieters“ wurde nicht als Beweisangebot
anerkannt. Der Rechtsstreit wurde zu diesem Punkt durch das Gericht
als nicht entscheidungsreif bezeichnet.
Zuvor
jedoch das Gericht zu den fraglichen Ermittlungen ein unabhängiges
Sachverständigengutachten in Auftrag geben wollte, sollten zu der
Thematik der „ordnungsgemäßen Ermittlung“ Zeugen vernommen
werden. Zuletzt hatte die Klägerin noch hierzu unter anderem den
Zeugen Ralph Dommermuth benannt, worauf hin das Gericht nachfragen
musste, ob die Klägerin glaube, dass diese Person Auskunft über die
kommende Beweisfrage geben könne.
Hierauf
fanden Verhandlungen zwischen den Parteien statt, die zu dem
erwähnten Ergebnis führten.
Persönliches
Fazit
Es
mag sich jeder selbst fragen, wie er in der Konstellation
„Pappa/Anschlusinhaber allein zu Hause“ auf das Angebot/Ergebnis
reagiert hätte. Bis zum Zeitpunkt des Endes des Verfahrens wurden
jedenfalls beklagtenseits die richtigen Fragen durch die richtigen
Personen gestellt. Ein solches Verfahren kann man auch mit Urteilen
gewinnen.
Jedoch
nahm dieses Verfahren die gleichen grotesken Züge an, wie das
Verfahren AG Köln 125 C 602/09. Prognostizierte Dauer 4,5 Jahre,
hier ein Ermittlungs-Kronzeuge der vor Gericht durchfällt, ein
Vorstandsvorsitzender, der über die Beauskunftung in seinem Haus
Zeuge stehen soll, ein recht verunsichertes und nicht
handlungsstarkes Gericht.... jeder mag sich hierzu seinen Teil
denken. Gerne wird an Verfahren wie an die Logistep-Verfahren am LG
Berlin 15 O 1/11 + 15 O 2/11 erinnert, in denen das Gericht aus
eigener Sachkunde heraus handlungsstark und zügig urteilte.So etwa shat weiterhin seltenheitswert.
Ein
Ablaufbeispiel sei zum Abschluss erwähnt, damit man sich eine
Vorstellung über den verwendeten Begriff „groteske Züge“ machen kann.
„Die … verwendete Uhr wird automatisch per Internet jeweils
alle 30 Minuten mit dem Atomzeitserver der physikalisch-technischen
Bundesanstalt in Braunschweig ...“ Tatsächlich. Aus diesem
Muster-Textbausteinauszug einer Begründung geht nicht hervor, WAS
die „verwendete Uhr“ nun mit dem ptb-Server alles so
anstellt. Geimeint ist, dass die Uhrzeit mit dem Server
synchronisiert wird. Die „verwendete Uhr“, ein
noname-Freeware-Programm wurde beim Ermttlungsvorgang eingeblendet,
damit der Ermittler (und später das Gericht) die korrekte Uhrzeit
der Ermittlungshandlung angezeigt bekommt. Der Beklagte wandte uA
ein, dass ein Zeitraum von 30 Minuten für eine Zeit-Synchronisation
zu weit gefasst sei (Intoleranzen). Die „Konkurrenz“ arbeite
löblich mit 5 Minuten-Abständen. Die „Freeware-Uhr“ wurde in
Bezug zur Systemzeit als bedenklich eingestuft (Intoleranz-Beleg).
Die Klägerin gab im Verlauf an, dass nicht die „verwendete Uhr“
sondern die Systemzeit selbst mit dem ptb-Server synchronisiert wird.
Als Beweis legte die Klägerin einen Screenshot vor. Die
Synchronisation fand demnach über das normale Windows-Modul hierfür
statt und insofern alle 24 Stunden (sofern der Rechner überhaupt zu
diesem Zeitpunkt an war, also eventuell eher alle zwei Wochen). Der
Beklagte unterwies danach die Klägerin, wie man die im Jahr 2009
behauptete Synchronisation richtig hätte machen können, wenn man
den speziellen Anweisungen des Betriebssysteme-Herstellers gefolgt
wäre, welche von der Klägerin nun eben mal nicht vorgetragen sind und daher auch nicht 2009 implementiert sein konnten.
Nun...
irgendwie verständlich, dass die Klägerin hernach die Klage zurück
zog.
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