Amtsgericht München
Az.: 142 C 13014/12
IM NAMEN DES VOLKES
In dem Rechtsstreit
T. N., Vereinigtes Königreich
I. Kläger -
Rechtsanwalt
gegen
R.
II. Beklagter -
Rechtsanwälte Robbert-Robbert-Höft, Stephanstrasse 16-18,47799 Krefeld
wegen Forderung
erlässt das Amtsgericht München durch den Richter am Amtsgericht Dr. K.
auf Grund der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 folgendes Endurteil
1. Die Klage wird abgewiesen.
2. Der Kläger trägt die Kosten des Rechtsstreits.
3. Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar. Der Kläger kann die
Vollstreckung des Beklagte durch Sicherheitsleistung in Höhe von 110 %
des aufgrund des Urteils vollstreckbaren Betrages abwenden, wenn nicht
der Beklagte vor der Vollstreckung Sicherheit in Höhe von 110 % des zu
Der Streitwert wird auf 903,80 € festgesetzt.
Tatbestand
Die Parteien streiten um Schadens- und Aufwendungsersatzansprüche wegen
unerlaubter Verwertung urheberrechtlich geschützter Inhalte in einer
Internet-Tauschbörse.
Der Kläger mahnte den Beklagten mit Schreiben vom 20.05.2011 wegen des
vermeintlichen Angebots eines pornografischen Filmes in einer
Internet-Tauschbörse ab und forderte ihn auf, eine strafbewerte
Unterlassungserklärung abzugeben und die Rechtsanwaltskosten zu
erstatten sowie Schadensersatz für die unrechtmäßige Nutzung zu leisten.
Als Zahlungsfrist bestimmte er den 30.05.2011. Der Beklagte gab darauf
hin eine modifizierte Unterlassungserklärung ab. Zahlung an den Kläger
lehnte er hingegen ab.
Der Kläger macht nunmehr als Schadensersatz 200,00 € im Wege der
Teilklage geltend, die außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten in Höhe
von 703.80 € berechnet er aus einem Gegenstandswert von 10.200,00 €
sowie einer 1.3-Geschäftsgebuhr zuzüglich Auslagenpauschale.
Der Kläger behauptet, es sei am 29.03.2011, um 22:57:00 Uhr. Über die
IP-Adresse xxxxxxx, die zu dieser Zeit dem Internetanschluss des
Beklagten zugewiesen gewesen sei, zum Angebot des Filmes „xxxx“ in einer
Intemet-Tauschbörse gekommen. Er behauptet weiter, hinsichtlich dieses
Filmes Inhaber der ausschließlichen Nutzungsrechte zu sein. Der Kläger
merkt an, dass der Anschluss des Beklagten laut einem Datensatz des
Internet-Providers (Anlage K5) zweimal jeweils mit unterschiedlicher
IP-Adresse beim Upload der entsprechenden Datei beobachtet worden sei
(Anspruchsbegründungsschrift S. 4). Er meint, der Beklagte sei als
Anschlussinhaber für die Rechtsverletzung verantwortlich.
Erstmals in der Verhandlung vom 13.112013 erklärte der Klägervertreter,
dass die streitgegenständliche Datei auch am 30.03.2011 um 22:42:28 Uhr
über die IP-Adresse xyxyxyxy verbreitet wurde, wobei der ermittelte
Anschluss nach Auskunft des Providers dem Beklagten zugeordnet worden
sei.
Der Kläger beantragt:
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 903,80 € nebst Zinsen in
Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 31,05.2011 zu
zahlen.
Der Beklagte beantragt:
Die Klage wird abgewiesen. Er rügt die örtliche Zuständigkeit des Amtsgerichts München.
Ferner bestreitet er die Rechtsverletzung und dass der gegenständliche
Film von seinem Anschluss zum Download angeboten wurde. Er bestreitet,
dass die vorliegend verwendete Ermittlungssoftware in der Lage ist,
Urheberrechtsverletzungen wie hier fehlerfrei aufzudecken. Fehler bei
der Erfassung durch die vom Kläger beauftragten Firma kämen regelmäßig
vor. Er behauptet, dass der angegebene Dateiname sowie der Hashwert
nicht dem streitgegenständlichen Film entsprächen. Bestritten wird
ferner die Aktivlegitimlation und das überhaupt eine Datei/ein Film mit
dem Namen "xxxx" existiert.
Daneben wendet er sich gegen die Höhe der geltend gemachten Ansprüche.
Das Gericht hat Beweis erhoben durch Einholung eines schriftlichen
Gutachtens des Sachverständigen xy. Zur Ergänzung des Tatbestands wird
auf die gewechselten Schriftsätze der Parteien nebst Anlagen, die
Protokolle der mündlichen Verhandlungen sowie den übrigen Akteninhalt,
insbesondere das Gutachten des Sachverständigen xy vom 30.09.2013, Bezug
genommen.
Entscheidungsgründe
Die zulässige Klage ist unbegründet.
Die Klage ist zulässig, insbesondere ist das Amtsgericht München
auch örtlich zuständig gemäß § 32 ZPO. Dies folgt daraus, dass der
Kläger (auch) Schadensersatzansprüche aus § 97 UrhG geltend macht und
sich das streitgegenständliche Angebot in der Tauschbörse auch an
Interessenten in München richtete und hier im Internet abgerufen werden
konnte. Dabei kommt es nicht darauf an, wo sich der Computer des
Beklagten befand, sondern darauf, wo die Tauschbörse, auf der das
Angebot erfolgte, bestimmungsgemäß aufgerufen werden sollte. Zu dem
Schaden, der nach § 97 UrhG geltend gemacht werden kann, zählen auch die
im Zusammenhang mit der Abmahnung angefallenen Rechtsanwaltskosten, so
dass auch insoweit der Gerichtsstand des § 32 ZPO eröffnet ist. Am
Gerichtsstand der unerlaubten Handlung ist dann der geltend gemachte
Anspruch unter allen rechtlichen Gesichtspunkten zu prüfen. Das "Gesetz
gegen unseriöse Geschäftspraktiken" ist auf den vorliegenden "Altfall“
nicht anwendbar, vgl. § 261 Abs. 3 Nr. 2 ZPO.
Die Klage ist jedoch unbegründet.
1.
Ein Schadensersatzanspruch besteht nicht, da der Kläger beweisfällig
geblieben ist für seine entscheidungserhebliche Behauptung, dass der
Beklagte das gegenständliche Werk über seinen Internetanschluss in einer
Internet-Tauschbörse öffentlich zugänglich gemacht hat bzw. dass das
entsprechende Angebot auch nur über den Internetanschluss des Beklagten
erfolgte.
Insoweit bezieht sich das Gericht auf das überzeugende und in sich
stimmige Gutachten des Sachverständigen xy vom 30.09.2013, dem im
Übrigen auch der Kläger nicht entgegengetreten ist.
Der Sachverständige hat das Ermittlungssystem „xxxx“ das die vom Kläger
zur Ermittlung von Rechtsverletzungen beauftragte Fa. L. GmbH verwendet
hatte, im Rahmen eines Ortstermins ausführlich untersucht. Zu den
Ergebnissen seiner Beobachtung hat der Sachverständige u.a. ausgeführt,
dass zur Zeit der streitgegenständlichen Rechtsverletzung (29.03.2011)
die Zeitsynchronisation des Ermittlungssystems ungenügend implementiert
gewesen sei. Der Sachverständige führt aus, er habe festgestellt, dass
die von der Klägerseite beauftragte Firma, anders als bei vergleichbaren
Ermittlungssystemen üblich, keine Stratum-2-Schicht von eigenen
Zeitservern im Firmennetzwerk eingerichtet habe. Überdies sei in der
verwendeten Version keine Überprüfung auf korrekte Uhrzeit vor
Speicherung der Zeitstempel aktiv gewesen. Vor diesem Hintergrund, so
der Sachverständige xy weiter, könne nicht ausgeschlossen werden, dass
unter bestimmten Umständen (wie längerer Ausfall der Verbindung zum PTB
Server) Kommunikationsdaten mit inkorrekten Zeitstempeln zum
gegenständlichen Zeitpunkt gespeichert worden seien. Es könne nicht
ausgeschlossen werden, dass das Ermittlungsystem eine von der
offiziellen Atomuhrzeit zu stark abweichende Uhrzeit habe. Ob zu der
Zeit ein Kommunikationsproblem mit dem PTB-Zeitserver bestand, habe
aufgrund nicht mehr vorhandener System-Logdateien nicht geklärt werde
können. Dem Sachverständigen sei seitens der Ermittlungsfirma mitgeteilt
worden, dass das System erst seit dem Jahr 2012, also nach der
gegenständlichen Rechtsverletzung, über eine zusätzliche Überprüfung auf
eine korrekt durchgeführte Zeitsynchronisation verfüge.
Vor diesem Hintergrund geht das Gericht mit dem Sachverständigen davon
aus, dass die Möglichkeit besteht, dass zur angeblichen Tatzeit die für
die Beweiserhebung relevante Aufzeichnung, Speicherung und Archivierung
des Netzwerkdatenverkehrs durch das Ermittlungssystem des Klägers
hinsichtlich der Protokollierung korrekter Zeitstempel nicht
ordnungsgemäß erfolgte. Aufgrund möglicherweise falsch protokollierter
Uhrzeiten kann somit auch eine falsche IP-Adresse und damit auch ein
falscher Anschlussinhaber ermittelt worden sein.
Diesen in sich schlüssigen und nachvollziehbaren Ausführungen ist die
Klägerseite nicht entgegengetreten. Aufgrund der Ausführungen des
Sachverständigen ist das Gericht nicht davon überzeugt im Sinne des §
286 ZPO, dass die Ermittlungen der Klägerseite hinsichtlich der
angegebenen Zeit der Rechtsverletzung und damit der IP-Adresse
zutreffen. Es besteht vielmehr die Möglichkeit, dass aufgrund
fehlerhafter Zeitangaben der Beklagte nicht zutreffend als
Anschlussinhaber ermittelt wurde. Die insoweit verbleibenden Zweifel
gehen zulasten der Klägerseite, der es - wie dem Gericht aufgrund von
Gutachten zu vergleichbaren Ermittlungssystemen anderer Anbieter aus
anderen Verfahren bekannt ist - überdies ohne weiteres möglich gewesen
wäre, durch geeignete Maßnahmen sicher zu stellen, dass den
protokollierten Netzwerkdaten hinsichtlich der Zeitstempel vertraut
werden kann.
Diese Zweifel verbleiben auch dann, wenn es - wie der Kläger erstmals in
der mündlichen Verhandlung vom 13.11.2013 ausdrücklich ausgeführt hat -
einen weiteren Zeitpunkt 30.03.2011, 22:42:28 Uhr gab, in dem das
Ermittlungssystem Rechtsverletzungen festgestellt hat, die dem Anschluss
des Beklagten zugeordnet werden konnten. Die vom Sachverständigen
herausgearbeitete mögliche Fehlerquelle besteht auch dann fort. Es
erscheint aufgrund der Ausführungen des Sachverständigen möglich, dass
das Ermittlungssystem in der zur Tatzeit verwendeten Version zu
verschiedenen Zeiten Netzwerkdaten mit falscher Uhrzeit protokollierte
und dass dies dazu führte, dass irrtümlich zweifach der Anschluss des
Beklagten unrichtig beauskunftet wurde.
Vor diesen Hintergrund kommt es nicht mehr darauf an das das (insoweit
wie dargestellt unerhebliche) Vorbringen des Klägers hinsichtlich der
weiteren Zeitpunkte ohnehin gem. § 296 Abs, 2 ZPO zurückzuweisen war:
Der Kläger hat den weiteren Zeitpunkt bis zum Termin am 13.11.2013 nie
zum Inhalt seines Sachvortrags gemacht. In der Anspruchsbegründung wird
lediglich eine Rechtsverletzung am 29.03.2011 erwähnt. Der dort
enthaltene pauschale Hinweis, wonach der Beklagte laut einem als Anlage
beigefügten Datensatz insgesamt zweimal mit unterschiedlichen (aber nur
in einem Fall näher spezifizierten) IP-Adressen beobachtet worden sei,
reicht nicht aus, um einen weiteren (nicht näher spezifizierten)
Tatzeitpunkt als Sachvortrag einzuführen. Es ist vielmehr am Kläger,
hinreichend konkret die Tatsachen mitzuteilen, die er zum Gegenstand des
Verfahrens machen möchte und die im Bestreitensfalle (wie hier) vom
Gericht zum Gegenstand eines Beweisbeschlusses und vom Sachverständige
zum Gegenstand seiner Begutachtung gemacht werden sollen. Es ist weder
die Aufgabe des Gerichts noch des Sachverständigen, sich aus Anlagen
weitere angebliche Verletzungszeiten und IP-Adressen selbst
herauszusuchen und sich so weiteren Sachvortrag des Klägers
"zusammenzubasteln". Dies wäre im Übrigen auch mit dem im Zivilprozess
herrschenden Beibringungsgrundsatz nicht vereinbar und war für den
Klägervertreter, der sich nach Kenntnis des Gerichts in zahlreichen
Verfahren mit ähnlichen Sachverhalten beschäftigt, auch ohne Weiteres
erkennbar. Eine Erweiterung des Sachvortrags auf einen weiteren
Zeitpunkt erfolgte insbesondere auch nicht in der mündlichen Verhandlung
vom 30.11.2012. Und selbst auf den Beweisbeschluss des Gerichts hin,
der sich ebenfalls auf einen, nämlich den einzigen In den Schriftsätzen
des Klägers bezeichneten, Zeitpunkt beschränkte, erfolgte keine
Mitteilung des Klägers, dass er einen weiteren Tatzeitpunkt zum
Gegenstand seines Vortrags machen wolle und dieser damit zum Beweisthema
werden solle. Entsprechendes geschah auch nicht im Rahmen der den
Parteien gesetzten Frist zur Stellungnahme zum Gutachten. Nachdem der
Beklagte die Ermittlungen der Klägerseite von Anfang an insgesamt
bestritten hat, hätte hinsichtlich des weiteren Sachvortrags erneut eine
Beweisaufnahme erfolgen müssen, die zu einer erheblichen Verzögerung
des Rechtsstreits geführt hätte. Nachdem der Sachverständige die sich
bisher stellende Beweisfrage in seinem Gutachten wie oben dargestellt
abschließend beantwortet hat, war die Sache ohne den neuen Vortrag
entscheidungsreif. Da von einer Verzögerung im Sinne des § 296 ZPO
auszugehen ist, wenn der Rechtsstreit allein durch die Zulassung des
verspäteten Vorbringens länger dauern würde als bei seiner Zurückweisung
(Thomas/Putzo,§ 296 ZPO, Rz. 12), rügte der Beklagte daher zurecht
Verspätung. Das späte Einfuhren des weiteren Tatzeitpunktes durch den
Kläger war auch grob nachlässig, da es diesem einleuchten musste, dass
er den weiteren Tatzeitpunkt, der ihm von Beginn des Rechtsstreits an
bekannt war, spätestens mit Beauftragung des Sachverständigen hätte
einführen müssen, um seiner Prozessförderungspflicht nachzukommen.
Auch das Beweisangebot des Klägers im Schriftsatz vom 11.11.2012
erfolgte vor diesem Hintergrund verspätet und nach der mit Verfügung vom
30.09.2013 gesetzten Frist.
Es war aber auch ungeeignet, da der Sachverständige entgegen dem
Verständnis der Klägerseite aufgrund der oben angeführten Mängel der
Ermittlungen sehr wohl zu dem Ergebnis kommt, dass Daten mit Inkorrektem
Zeitstempel gespeichert und aufgrund der falsch protokollierten Uhrzeit
ein falscher Teilnehmer ermittelt worden sein könnte. Die Frage einer
Manipulation der Zeitstempel stellt sich nicht, da der Fehler nach den
Feststellungen des Sachverständigen zur Tatzeit systemimmanent war.
Nachdem der Kläger bereits nicht die Verletzung seiner Rechte an dem
Streitgegenständlichen Film darlegen und beweisen konnte, hat er auch
keinen Anspruch auf Schadensersatz oder Erstattung vorgerichtlicher
Rechtsanwaltskosten nach §§ 97 Abs. 2, 97 a Abs. 1 UrhG.
Somit war die Klage insgesamt abzuweisen.
Die Kostenentscheidung beruht auf § 91 Abs. 1 ZPO. Die Entscheidung
zur vorläufigen Vollstreckbarkeit folgt aus §§ 708 Nr. 11, 711 ZPO. Die
Streitwertfestsetzung beruht auf § 63 Abs. 2 GKG.
Donnerstag, 16. Januar 2014
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