In dem Rechtsstreit
des Herrn [Name],
Kläger und Berufungsklägers,
Prozessbevollmächtigte: Rechtsanwälte .rka Reichelt Klute, Johannes-Brahms-Platz 1, 20355 Hamburg,
gegen
Herrn [Name],
Beklagten und Berufungsbeklagten
Prozessbevollmächtigte: [Name],
hat die 20. Zivilkammer. des Landgerichts Bielefeld auf die mündliche
Verhandlung vom 28.02.2017 durch den Präsidenten des Landgerichts[Name],
die Richterin am Landgericht [Name] und den Richter am Amtsgericht
[Name]
für Recht erkannt:
Auf die Berufung des Klägers wird das am 23.06.2015 verkündete Urteil
des Amtsgerichts Bielefeld (Aktenzeichen 42 C 704/14) abgeändert.
Der Beklagte wird verurteilt, an den Kläger 898,17 EUR nebst jährlichen
Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem jeweiligen Basiszinssatz
aus 750,00 EUR seit dem 19.02.2011 und aus weiteren 148,17 EUR seit dem
04.07.2014 zu zahlen.
Der Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.
Das Urteil ist vorläufig vollstreckbar.
Gründe:
I.
Wegen des Tatbestandes wird auf die nicht ergänzungsbedürftigen
Feststellungen des erstinstanzlichen Urteils Bezug genommen (§ 540 Abs.1
Nr.1 ZPO).
II.
Die zulässige Berufung hat Erfolg und führt zur Abänderung des angefochtenen Urteils.
1.
Die Berufung ist zulässig.
Die Berufungsfrist des § 517 ZPO und die Berufungsbegründungsfrist des § 520 Abs.2 S.1 ZPO sind eingehalten.
Das unterbrochene Verfahren hat der Kläger als Partei kraft Amtes nach § 85 InsO wieder aufgenommen.
2.
Die Berufung hat in der Sache Erfolg.
Dem Kläger als Partei kraft Amtes steht ein Anspruch der
Gemeinschuldnerin aus §§ 97 Abs. 2 Satz 1, 3 UrhG, 97a Abs. 1 UrhG in
der Fassung bis zum 08.10.2013 auf lizenzanalogen Schadensersatz in Höhe
von 500,00 EUR, 350,00 EUR Rechtsanwaltskosten und 48,17 EUR Kosten des
Auskunftsverfahrens zu.
a)
Die Aktivlegitimation des Klägers, insbesondere die Rechteinhaberschaft
der Insolvenzschuldnerin ist zu bejahen. Diese ist in der
Berufungsinstanz bestritten, so dass diese als unstreitig anzusehen ist.
b)
Die Kammer vermochte keine fehlerhafte Zuordnung der IP-Adresse zum Anschluss des Beklagten festzustellen.
Der Beklagte bestreitet die richtige Zuordnung der IP-Adresse zu seinem
Anschluss und die entsprechenden Ermittlungen durch die Fa. [Name].
Hierzu trägt er mögliche bestehende Probleme beim Zuordnungsverfahren in
allgemeiner Natur ohne Bezug zum konkreten Fall vor.
Der Kläger legt indes seinerseits die umfangreichen
Ermittlungsunterlagen vor. Dabei wurden zweifelsfrei dem Anschluss des
Beklagten Verstöße über zwei verschiedene dynamische IP-Adressen ([IP 1]
und [IP 2]) durch Zurverfügungstellung desselben Filmwerks am selben
Tag zugeordnet.
Die Begehung von Rechtsverstößen über einen bestimmten Internetanschluss
ist anzunehmen, wenn das Anbieten desselben Computerspiels innerhalb
kurzer Zeit unter zwei verschiedenen von der Berechtigten ermittelten
dynamischen IP-Adressen jeweils demselben zuvor unbekannten.
Anschlussinhaber zugeordnet wurde. Denn dass es kurz nacheinander
zweimal zu Fehlern bei der Erfassung und Zuordnung gekommen sein könnte,
liegt so fern, dass Zweifel an der Richtigkeit der
Anschlussidentifizierung schweigen (§ 286 ZPO) (OLG Köln, Urteil vom 16.
Mai 2012 - I-6 U 239/11 -, Rn. 4, Juris).
So liegt der Fall hier. Zudem erfolgte nach dem erneuten Vortrag des
Klägers unter Vorlage von aussagekräftigen Unterlagen kein weiteres
substantiiertes Bestreiten des Beklagten, das die Zuordnung schlüssig
angreift.
c)
Der Beklagte haftet für die streitgegenständliche Rechtsverletzung als Täter.
Die Klägerseite trägt nach den allgemeinen Grundsätzen als
Anspruchsteller die Darlegungs- und Beweislast dafür, dass die
Voraussetzungen des geltend gemachten Anspruchs auf Erstattung von
Abmahnkosten erfüllt sind. (BGH, Urteil vom 15. November 2012 - I ZR
74/12, GRUR 2013, 511 Rn. 32 = WRP 2013, 799 Morpheus; Urteil vom 8.
Januar 2014 -1 ZR 169/12, BGHZ 200, 76 Rn. 14 - BearShare). Allerdings
spricht eine tatsächliche Vermutung für eine Täterschaft des
Anschlussinhabers, wenn zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung keine anderen
Personen diesen Internetanschluss benutzen konnten. Eine die
tatsächliche Vermutung ausschließende Nutzungsmöglichkeit Dritter ist
anzunehmen, wenn der Internetanschluss zum Verletzungszeitpunkt nicht
hinreichend gesichert war oder bewusst anderen Personen zur Nutzung
überlassen wurde.
In diesen Fällen trifft den Inhaber des Internetanschlusses jedoch eine
sekundäre Darlegungslast. Diese führt zwar weder zu einer Umkehr der
Beweislast noch zu einer über die prozessuale Wahrheitspflicht und
Erklärungslast (§ 138 Abs. 1 und 2 ZPO) hinausgehenden Verpflichtung des
Anschlussinhabers, dem Anspruchsteller alle für seinen Prozesserfolg
benötigten Informationen zu verschaffen. Der Anschlussinhaber genügt
seiner sekundären Darlegungslast vielmehr dadurch, dass er dazu
vorträgt, ob andere Personen und gegebenenfalls welche anderen Personen
selbstständigen Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter
der Rechtsverletzung in Betracht kommen. In diesem Umfang ist der
Anschlussinhaber im Rahmen des Zumutbaren zu Nachforschungen
verpflichtet. Entspricht der Beklagte seiner sekundären Darlegungslast,
ist es wieder Sache der Klägerseite als Anspruchsteller, die für eine
Haftung des Beklagten als Täter einer Urheberrechtsverletzung
sprechenden Umstände darzulegen und nachzuweisen (BGHZ 200, 76 Rn. 15
ff. - BearShare, m.w.N.).
Den Beklagten als Inhaber des Internetanschlusses trifft im Hinblick auf
die Frage, ob zum Zeitpunkt der Rechtsverletzung andere Personen den
Anschluss nutzen konnten, eine sekundäre Darlegungslast, der er nur
genügt, wenn er vorträgt, ob und welche anderen Personen selbstständigen
Zugang zu seinem Internetanschluss hatten und als Täter in Betracht
kommen. Diesen Anforderungen wird die pauschale Behauptung der bloß
theoretischen Möglichkeit des Zugriffs von im Haushalt des Beklagten
lebenden Dritten auf seinen Internetanschluss nicht gerecht. Vorliegend
trägt der Beklagte keine ernsthafte Möglichkeit eines Zugriffs durch
einen anderen Nutzungsberechtigten vor.
Der Beklagte trägt zum Geschehen am Tattag lediglich vor, dass er
zusammen mit seiner Frau wegen des Namenstags seiner Mutter zu seiner
damalig 89-jährigen Mutter gefahren und erst am 22.11.2010, einem
Montag, abends zurückgekehrt sei. Er trägt weiter vor, dass am
20.11.2010 in seiner Schule der Tag der offenen Tür gewesen sei,
weswegen er am Montag als Ausgleichstag einen freien Tag gehabt habe. in
seinem Haushalt lebten er und seine Ehefrau. Seine erwachsenen Söhne
hätten ebenso Zugang zum WLAN. Das WLAN selbst sei WPA 2 gesichert und
mit einem 16-stelligen Passwort geschützt. Die Familienangehörigen seien
nach einer "frontal 21"-Sendung eindringlich hinsichtlich der Gefahren
des Filesharing belehrt worden. Auch nach Zugang des Abmahnschreibens
sei in der Familie noch einmal darüber gesprochen worden. Alle hätten
versichert, den Verstoß nicht begangen zu haben. Seine erwachsenen Söhne
seien auch auf der Familienfeier gewesen.
Damit legt der Beklagte keine ernsthafte Möglichkeit eines Zugriffs
durch einen anderen Nutzungsberechtigten dar. Er haftet daher aufgrund
der tatsächlichen Vermutung als Täter.
d)
Der Anspruch auf lizenzanalogen Schadensersatz in Höhe von 500,00 EUR
folgt aus §§ 97 Abs.2 Satz 1, 3 UrhG, 97a Abs.1 UrhG a.F. bis zum
08.102013. Die Höhe wird von dem Beklagten nicht angegriffen.
Die Anwaltskosten in Höhe von 350,00 EUR kann der Kläger aus §§ 683, 670
BGB beanspruchen. Die Abmahnung war berechtigt, denn der Beklagte
haftet als Täter. Die zugrunde gefegten Streitwerte für die Abmahnung
sind angemessen.
Die Deckelung nach § 97a Abs.2 UrhG a.F. auf 100,00 EUR für die erste
Abmahnung kommt hier nicht in Betracht. Hier handelt es sich nicht um
einen einfach gelagerten Fall. Streitgegenständlich sind 13
Rechtsverletzungen, so dass der Umfang der Angelegenheit nicht mehr für
eine einfach gelagerte Sach- und Rechtslage spricht.
Die Kosten des Auskunftsverfahrens i.H.v. 48,17 EUR kann der Kläger nach
§ 97a Abs.1 S.2 UrhG a.F. beanspruchen. Die Höhe der Kosten wird von
dem Beklagten nicht angegriffen.
Die berechtigte Abmahnung erfolgte mit Fristsetzung zum 31.01.2011, daher
hat der Kläger einen Anspruch auf Zinsen bzgl. des Lizenzschadens über
400,00 EUR und hinsichtlich der Anwaltskosten in Höhe von 350,00 EUR
jedenfalls ab dem 19.02.2011 (§§ 286, 288 Abs.1 BGB).
Im Übrigen kann der Kläger Prozesszinsen ab Rechtshängigkeit (§ 291 BGB)
und zwar erst ab Zustellung der Anspruchsbegründung am 04.07.2014
beanspruchen, da im Mahnbescheid nur 400,00 EUR Lizenzschaden und 350,00
EUR Anwaltsgebühr geltend gemacht wurden und die weiteren Beträge
erstmals mit der Anspruchsbegründung beansprucht wurden.
e)
Der Anspruch ist auch durchsetzbar. Die geltend gemachten Ansprüche sind nicht verjährt.
Es kann offen bleiben, ob die Ansprüche auf Ersatz des linzanalogen
Schadens der 10-jährigen Verjährungsfrist unterliegen (so BGH, Urteil
vom 12. Mai 2016 - I ZR 48/15 -, Rn. 97, juris), denn auch die
regelmäßige Verjährungsfrist von drei Jahren begann erst mit dem Schluss
des Jahres 2011 zu laufen, da der Kläger mit Zugang des Schreibens vom
11.01.2011 (BI. 152 der Gerichtsakte) Kenntnis von der Person des
Anschlussinhabers und damit des Anspruchsgegners erlangte (§§ 195, 199
Abs.1 BGB). Mit Zustellung der Anspruchsbegründung am 03.07.2014 war die
Verjährungsfrist noch nicht abgelaufen.
f)
Die Nebenentscheidungen beruhen hinsichtlich der Kosten auf § 91 ZPO und
hinsichtlich der vorläufigen Vollstreckbarkeit auf §§ 708 Nr.10, 711,
713 ZPO, § 26 Nr.8 EGZPO.
Dienstag, 28. März 2017
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