Bericht – Amtsgericht München, Az.: 142 C 14721/10
Hinweisbeschluss vom 20.08.2010
Auf dieses Verfahren wurde dieser blog von der ...
Rechtsanwaltskanzlei DURY
Inh. Rechtsanwalt Marcus Dury LL.M.
Beethovenstr. 24
66111 Saarbrücken
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... hingewiesen.
Vorwort
Die Angelegenheit wurde zwischenzeitlich durch einen umfassenden Vergleich vor der mündlichen Verhandlung erledigt. Der Beklagte mußte aus gesundheitlichen Gründen von einer weiteren Auseinandersetzung abesehen. Die Klägerin legte dem keine Steine in den Weg.
Im Folgenden werden die zwei maßgeblichen Punkte des am 20.08.2010 verfügten Hinweisbeschlusses im Verfahren besprochen. Es kann sich somit nur um eine persönliche Meinung über den weiteren Verlauf des Rechtsstreits handeln. Die Bevollmächtigten der Klägerseite sind herzlich eingeladen eine anderslautende Meinung zu veröffentlichen.
Sachverhalt
Mit zwei Anwaltsschreiben vom xx.01.2010 (selbigen Tage) wurde der Beklagte wegen der unerlaubten öffentlichen Verfügbarmachung von zwei Filmwerken in sog. p2p-Tauschbörsen durch eine Lizenverwertungsfirma abgemahnt. Die durch eine Ermittlungsfirma fest gestellten angeblichen Tatzeitpunkte liegen 59,5 Stunden auseinander. Der Beklagte reagierte mit der Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung und zahlte nicht. Daraufhin forderte die Klägerin verschiedene Ansprüche gerichtlich ein. Dies betraf jedoch nicht eine weitere Abmahnung von einem anderen Tage der Lizenzverwertungsfirma und auch nicht eine vierte Abmahnung eines amerikanischen Herstellers von Filmwerken.
Der Beklagte beantwortete die Klagebegründung mit einer entsprechenden Erwiederung, worauf hin das Amtsgericht München in einem Hinweisbeschluss sich wie folgt zu den ausgesuchten Punkten äußerte:
I – Gegendstandswerte - Filmwerke
Die Klägerin hatte beantragt den Beklagten zur Zahlung von 2.103,60€ zu verpflichten.
Dieser Betrag bestand aus
- einem Schadensersatz von jeweils 400,00€ = 800,00€. Der Betrag von 400,00€ beinhaltete die Kosten der Rechtsverfolgung, wobei der Beklagte gesamtschuldnerisch für die Kosten des Auskunftsbeschlusses am Landgericht Köln (200,00€) verpflichtet werden sollte.
Der Schadensersatz und die Rechtsfrage der gesamtschuldnerisch zu tragenden Kosten des Auskunftsbeschlusses spielten in der richterlichen Verfügung keine Rolle. Verwendet wurde eine dem BGH-Urteil I ZR 128/10 vom 12.05.2010 zuzuschlagende Konsellation und somit ohne letzliche Entscheidung ein Ablehnen der Täterhaftung wie man dies auch aus früheren Hinweisbeschlüssen des Amtsgerichts Münchens kennt.
- Rechtsanwaltskosten die für die jeweiligen Abmahnungen in Höhe von jeweils 651,80€ = 1.303,60€ entstanden sein sollten. Dieser Betrag stellte eine 1,3-Gebühr nach VV2300 RVG aus einem Streitwert von 10.000,00€ dar (631,80€ + 20,00€ Auslagen).
In der richterlichen Verfügung merkte der Richter hierzu an, dass es sich bei den vorliegenden Fällen um mehrere Gegenstände einer Angelegenheit handeln dürfte, so dass die Gegenstandswerte zusammenzurechnen wären. Statt der beantragten 1.303,60€ würden sich daher lediglich Rechtsanwaltskosten einer 1,3-Gebühr aus einem Streitwert in Höhe von 20.000,00€ nach VV2300 RVG ergeben = 859,80€
Eine Überprüfung des Streitwerts ergab keine Beanstandungen. Zwar handle es sich bei den streitgegenständlichen Filmwerken um Werke die mit vergleichsweise niedrigem Aufwand produziert würden, jedoch sei ein Streitwert in Höhe von 10.000,00€ bei Filmwerken als eher gering anzusehen und daher angemessen.
Das richterliche Vergleichsangebot bestand wie aus Vorläuferverfahren bekannt aus der Übernahme der Rechtsanwaltskosten in Höhe von 859,80€. Die Kosten des Verfahrens wurden in diesem zu 60% der Klägerin und zu 40% dem Beklagten auferlegt. (Über den Kostenentscheid des AG Münchens wird noch berichtet.)
Das richterliche Vergleichsangebot wurde von der Klägerin angenommen. Der Beklagte stimmte nach erfolgreichen Verhandlungen mit den Bevollmächtigten der Klägerin aus gesundheitlichen Gründen zu. Für die im Raum stehende dritte Abmahnung der Lizenzverwertungsfirma wurde die Lösung des Hinweisbeschlusses angewandt. (1,3-Gebühr aus einem Streitwert von 30.000,00€ = 1.005,40€ - 859,80€ = zusätzlich 145,60€)
Auch für die vierte Abmahnung wurde eine einvernehmliche Lösung gefunden.
II - Gegenstandswerte - Samplerabmahnungen
Nicht zu verwechseln ist das eben Gesagte mit den Vorgängen im Bereich der "Samplerabmahnungen", wenn also eine Rechtsanwaltskanzlei zu unterschiedlichen Daten für unterschiedliche Interpreten, Textdichter, Sampling"künstler" für eine angebliche Rechtsverletzungen über einen "Top-100-Sampler", oder andere Sampler mehrfach abmahnt. Es kommt hier in erster Linie auf die Kentniss der Anzahl zum Zeitpunkt des Antrags auf Auskunft vorhandenen Mandanten an und nicht etwa auf die Menge an tatsächlichen Abmahnungen.
In der Frage der Grundsätze einer Anwendung des § 15 RVG, Abs. 2, Satz 1: "Der Rechtsanwalt kann die Gebühren in derselben Angelegenheit nur einmal fordern." bestimmt der BGH im Urteil vom 27.07.2010, Az.: VI ZR 261/09 (Rn. 19 - 24) einen strikten Korridor in dem sich Samplerabmahnereien zu bewegen haben. Hierbei erfährt der Gedanke der "Abgabe einer modifizierten Unterlassungserklärung + Schweigen" eine höhstrichterliche Bestätigung, denn erst wenn "die Reaktionen der verschiedenen Schädiger auf die gleichgerichteten Abmahnungen nicht einheitlich ausfallen und deshalb eine differenzierte Bearbeitung durch den Rechtsanwalt erfordern, können aus der ursprünglich einheitlichen Angelegenheit mehrere Angelegenheiten entstehen." Es ist allerdings wiederum sehr fraglich ob in einer massenabmahnerisch unternehmerisch tätigen Kanzlei einheitliche Textbausteinantworten auf "verschiedene Reaktionen" eine Steigerung des bereits an der Maximalstelle befindlichen 1,3-Gebührenfaktors auslösen können.
Man wird diesen Bereich noch ausführlicher darzulegen haben. Die bisherige Praxis der entsprechenden Kanzleien ist auch in den "Pauschalabgeltungsbeträgen" in keinem Fall mit der BGH-Rechtsprechung konform.
II – W-LAN-Absicherung
Die vorliegende sehr interessante Konstellation wurde leider (im Sinne der Entwicklung der Rechtsprechung) nicht geklärt. Es ist jedoch zu attestieren, dass sich die technische Qualität des Hinweisbeschlusses des Richters bedeutend verbessert zeigt. Die bisher veröffentlichten oder bekannten Dokumente gingen auf den wunden Punkt nicht ausreichend ein, was eventuell auch an der Darstellung des Themas durch die Beklagten liegen kann.
Der Beklagte war nicht der eigentliche private Betreiber eines W-LAN-Funknetzwerkes, sondern dessen Rechtsnachfolger. Insofern war der Klägerin auch nicht bekannt, dass der Beklagte eine besondere technische Qualifikation im IT-Bereich erworben hatte, einen entsprechenden Titel führte und einer entsprechenden Beschäftigung in einem Sicherheitsbereich im Bankwesen nachging.
Der Richter erkannte jedoch aufgrund der Tatsache, dass der technisch versierte Beklagte einen W-LAN-Router einer moderneren Bauart und Ausstattung selbst eingerichtet hatte – falls der Zugriff tatsächlich durch einen Dritten erfolgt sein sollte – einen adäquat kausalen Beitrag zu den Rechtsverletzungen. Der Richter stellte jedoch anheim, dass eine ausreichende Sicherung (im Sinne des BGH-Urteils vom 12.05.2010) vorgelegen haben könnte. Zur Feststellung dieses Punktes wäre das Gutachten eines unabhängigen und gerichtlich bestellten Sachverständigen notwendig.
Zuvorderst ist die geäußerte richterliche Meinung ein solches Gutachten wäre aufwändig und kostspielig klar zu stellen. Man sollte hierzu beachten, dass gerade über den Gerichtsstand in München verschiedene Fehlmeinungen veröffentlicht wurden wie sich angeblich Verfahren über das Thema der Störerhaftung aufzubauen haben. Es ist eben vollständig unrichtig in jedem Verfahren die Beauskunftung durch die Telekom oder die Ermittlungstätigkeit der beauftragten Firma zu bestreiten. Dies ist nur mit offensichtlichen Gründen zu verbinden, welche dem normalen Abgemahnten nicht vorliegen. Es bleibt hier jedoch den jeweiligen Richtern kaum etwas anderes übrig als bei Bestreiten der Ermittlungsergebnisse die jeweiligen Daten der Ermittlung oder gar die generelle Funktionstüchtigkeit des Ermittlungsprogramms durch einen Sachverständigen untersuchen zu lassen. Im zweiten Fall dürften zwischen 3.000,00€ und 5.000,00 Kosten allein durch den Gutachter entstehen, im ersten Fall etwas weniger. Im zweiten Fall gibt es keinen Grund anzunehmen, dass die Ermittlungsfirma in dem Gutachten nicht bestehen kann. Im ersten Fall ist damit zu rechnen, dass der jeweilige Provider keine Daten von Substanz (Verkehrsdaten) beitragen kann da diese Daten gelöscht sind. Dies wiederum gilt jedoch unter zeitlichem Vorbehalt. In einem weiteren Filesharingverfahren wird es eine Entscheidung eines namhaften Providers geben in ein Verfahren direkt einzugreifen, nachdem eine Abmahnkanzlei gegen über dem Provider eine Streitverkündung ausgesprochen hat und androhte gegen den Provider Schadensersatz einzuklagen. Insofern kann es zum Anfang des Jahres 2011 ein zwar amtsgerichtliches aber eindeutiges Urteil zu diesem Bereich geben, das jede Beauftragung eines Sachverständigen im "Telekom-Bereich" obsolet werden läßt. Um im Bereich Filesharing-Verfahren mit Sachverständigem zu bestehen benötigt man in jedem Fall mehr mehr als einen guten Anwalt.
Mit der Frage der Störerhaftung haben die Angaben der Gegenseite jedoch herzlich wenig zu tun. Je nach dem wie im entsprechenden Beweisbeschluss die zu beantwortenden Fragen gestellt werden sind die Feststellungen die ein Sachverständiger über eine vorgenommene W-LAN-Absicherung treffen kann höchst einfach und eigentlich auch zeitlich mit geringem Aufwand herzustellen. Es ist hier nicht angemessen mehr als 1.500,00€ anzusiedlen; da sich die Routerfamilien leicht untergleidern lassen eher weniger. Der Gutachter kann hier nur die allgemeine Funktion des jeweiligen W-LAN-Routers (im Sinne der Beantwortung der unterschiedlichen Darstellungen der Parteien) bewerten. Dies geschieht allein durch die Einsichtnahme in bereits vorgelegtes Material, sprich Bauart und Betriebsanleitung. Es existieren hier nur wenige Möglichkeiten der relevanten Einstellungen. Die zweite zu klärende Frage wird jedoch im Hinweisbeschluss des AG Münchens nicht entsprechend der BGH-Rechtsprechung ausgedrückt. Der Richter ist der Ansicht fordern zu müssen, dass die Einstellungen des W-LAN-Routers zum Tatzeitpunkt zu klären seien. Der BGH zielt jedoch erkennbar auf den Zeitpunkt der Installation ab. Es ist jedoch denkbar das man von einem entsprechend bestreitenden Beklagten auch zusätzliche Informationen über den Zustand der Einstellungen zum Tatzeitpunkt fordern kann, oder er diese angibt. Diese zusätzlichen Informationen über die „Pflege“ des W-LAN-Routers sollten jedoch nach der BGH-Rechtsprechung nicht entscheidungsrelevant werden. Dies auch da der BGH auf die Grundsätze der „Verkehrsversicherungspflichten“ und der ständigen Rechtsprechung der BGH-Senate hierzu audrücklich hinweist. In der Zweiten zu klärenden Frage ist also fest zu stellen wie der W-LAN-Router zum Installationszeitpunkt eingestellt wurde. Eine Überprüfung des W-LAN-Routers kann hierzu zwar keine Ergebnisse bringen, da im Regelfall keine Logs oder Screenshots erstellt wurden und man auch nicht dazu verpflichtet ist. Es wird also eine Frage sein, wie der Einzelne seine Angaben belegen kann. Hier tritt das Problem auf das zumeist keine (Einzelpersonenhaushalt) oder schwache (Ehefrau) Belegsituationen vorhanden sein dürften. Es wird an dieser Stelle Zeit an die Wahrheitspflichten auch von Beklagten zu erinnern. Wer bei der Einstellung Fehler begangen hat, wie das er das voreingestellte Routerpasswort eines „Speedport“ („0000“) nicht verändert hat muß dies letztlich angeben.
Im vorliegenden Fall wäre hingegen eine gutachterliche Einschaltung zu sehr hoher Wahrscheinlichkeit zu Gunsten des Beklagten verlaufen, da weder Anlaß bestand an der Glaubwürdigkeit des Gesagten zur Router-Einstellung und Pflege zu zweifeln, noch die Fähigkeit mit Berücksichtigung des Werdegangs dem Beklagten abzusprechen.
Insofern wäre nur eine Kostenverpflichtung im Rahmen einer Täterschaft des Beklagten oder eines Nutzungsberechtigten möglich gewesen. Hierzu kann natürlich nicht prognostiziert werden wie ein solch sicherlich langwieriger Rechtsstreit mit einem entsprechend hohen Zeugenaufgebot verlaufen wäre. Konzentriert sich jedoch das Verfahren auf die Frage der Störerhaftung (nebst den vielfältigen „sonstigen“ rechtlichen Gesichtspunkten die selbstverständlich auch beurteilt hätten werden können) sind die Erfolgsaussichten durchaus als akzeptabel zu werten. Natürlich nur unter dem Gesichtspunkt das ein substantiiertes Bestreiten möglich und sinnvoll erscheint und die Belegsituation positiv zu werten ist vernünftig durch einen qualifizierten Rechtsanwalt vorgebracht wird.
Da die Bevollmächtigten der Klägerin jedoch weitere Verfahren anstrengen wird es sicherlich nur noch eine Frage der Zeit sein bis die eigentlichen Fragen solcher Verfahren auch an diesem Gerichtsstand durch das Landgericht transparenter und einheitlicher beurteilt werden. Dennoch ist auch am Amtsgericht ein Entwicklungsprozeß zu beobachten.
Dienstag, 19. Oktober 2010
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