Die unteren Chargen in Düsseldorf, Köln, München biegen sich ja gerne in Sachen "Schadensersatz im Urheberrecht" etwas zusammen.
Der oberste Gerichtshof im Urteil des I. Zivilsenats vom 22.6.2011 - I ZR 159/10 -:
"1. Eine Haftung der Beklagten als Täter scheidet aus.
Die Frage, ob jemand als Täter für eine deliktische Handlung wie die Verletzung eines Schutzrechts zivilrechtlich haftet, beurteilt sich grundsätzlich nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. BGH, Urteil vom 22. Juli 2010 - I ZR 139/08, GRUR 2011, 152 Rn. 30 = WRP 2011, 223 - Kinderhochstühle im Internet, mwN). Täter ist danach derjenige, der die Zuwiderhandlung selbst oder durch einen anderen begeht (§ 25 Abs. 1 StGB). Mittäterschaft erfordert eine gemeinschaftliche Begehung, also ein bewusstes und gewolltes Zusammenwirken (§ 25 Abs. 2 StGB; vgl. § 830 Abs. 1 Satz 1 BGB).
Als Täter einer Urheberrechtsverletzung haftet daher, wer die Merkmale eines der handlungsbezogenen Verletzungstatbestände des Urheberrechts selbst, in mittelbarer Täterschaft oder in Mittäterschaft erfüllt. Ist diese Voraussetzung nicht gegeben, kommt auch eine täterschaftliche Haftung unter dem Gesichtspunkt der Verletzung einer wettbewerbsrechtlichen Verkehrspflicht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Juli 2007 - I ZR 18/04, BGHZ 173, 188 Rn. 22 - Jugendgefährdende Medien bei eBay) nicht in Betracht (vgl. BGH, Urteil vom 12. Mai 2010 - I ZR 121/08, BGHZ 185, 330 Rn. 13 - Sommer unseres Lebens). [...]
Die Frage, ob jemand als Teilnehmer - also Anstifter oder Gehilfe (vgl. § 830 Abs. 2 BGB) - für eine deliktische Handlung wie die Verletzung eines Schutzrechts zivilrechtlich haftet, beurteilt sich gleichfalls nach den im Strafrecht entwickelten Rechtsgrundsätzen (vgl. BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 30 - Kinderhochstühle im Internet, mwN). Als Anstifter (§ 26 StGB) oder Gehilfe (§ 27Abs. 1 StGB) haftet, wer vorsätzlich einen anderen zu dessen vorsätzlich begangener rechtswidriger Tat bestimmt hat oder ihm dazu Hilfe geleistet hat. Dabei setzt die Teilnehmerhaftung neben einer objektiven Teilnahmehandlung zumindest einen bedingten Vorsatz in Bezug auf die Haupttat voraus, der das Bewusstsein der Rechtswidrigkeit einschließen muss (vgl. BGH, GRUR 2011, 152 Rn. 30 - Kinderhochstühle im Internet, mwN).
Als Störer kann bei der Verletzung absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer - ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten Rechts beiträgt. Da die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte erstreckt werden darf, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setzt sie die Verletzung von Prüfpflichten voraus. Deren Umfang bestimmt sich danach, ob und inwieweit dem als Störer in Anspruch Genommenen nach den Umständen eine Prüfung zuzumuten ist (vgl. BGH, Urteil vom 15. Januar 2009 - I ZR 57/07, GRUR 2009, 841 Rn. 19 = WRP 2009, 1139 Cybersky; BGHZ 185, 330 Rn. 19 - Sommer unseres Lebens, mwN)."
Diese Ausführungen stehen in gewissem Gegensatz zu dem zivilrechtlich entwickelten Schema der "tatsächlichen Vermutung", die in Filesharing-Fällen mit zum Tragen kommen soll. Der BGH sagt im Urteil vom 12.05.2010: "Wird ein geschütztes Werk der Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person für die Rechtsverletzung verantwortlich ist." Mit strafrechtlichen Beweisen (forensiche Untersuchung der Festplatte) hat die "tatsächliche Vermutung" nichts am Hut. Sie und ähnliche Konstrukte ("Lebenserfahrung") sollen Ordnung in den Verfahren schaffen, gerade wenn der Kläger keine Beweise in Bezug auf den Täter hat und der Beklagte abstreitet. Natürlich sollte ein Beklagter schon mehr beitragen, um die Sache zu erhellen.
Ein schönes Beispiel wie das geht findet man im Urteil des BGH vom 22.04.2009 bei Rn 45. Die "tatsächliche Vermutung" bezüglich der Wiederholungsgefahr einer Rechtverletzung kann nur durch die Abgabe einer strafbewehrten Unterlassungserklärung ausgeräumt werden und nicht etwa "nur" durch die Aufgabe des rechtswidrigen Handelns.
Momentmal: Es reicht also vor dem BGH (in einem Urheberrechtsstreit) aus sich kurz schriftlich zu erklären, um eine tatsächliche Vermutung zu widerlegen?
In Filesharing-Fällen jedoch: "Daraus ergibt sich eine sekundäre Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere Person habe die Rechtsverletzung begangen." Hier reicht also plötzlich nicht etwa eine strafbewehrte Erklärung (gilt generell für Aussagen vor Gericht), sondern eine durch den BGH nicht näher definierte grundsätzliche Erklärung. Durch die fehlende Konkretisierung der Richter-Wunschliste ist nicht nur ein verfassungsrechtlich bedenklicher Status eingetreten, sondern auch dem Lobby-Mißbrauch Vorschub geleistet.
Die "Musikindustrie" und die vielen Trittbrettfahrer dürfen in den überwiegenden Fällen mit besseren Fresszetteln und Werbebroschüren-Aussagen hantieren. Verlangt man eine Klärung der Beweislage erhält man reflexartig die richterliche Warnung, ein kostenschweres Gutachten drohe, wobei der bisherige Höchststand bei ca. 25.000€ liegt. Von den Beklagten wird aber verlangt, dass sie bis hin zur Unterhosengröße der Nachbarin neben an alles angeben was man zur Erörterung eines Filesharing-Falles alles so benötigt. Die Kosten soll der Beklagte gefälligst selber tragen. Ein Unzustand.
Montag, 19. September 2011
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