Vorwort
Zum besseren Verständnis sei kurz auf die Vorgeschichte verwiesen: Die Kanzlei Rasch, Hamburg hatte Anfang Juni 2012 durch eine besondere Form der Annahme von sog. "Modifizierten Unterlassungserklärungen für Aufregung gesorgt.
Natürlich vermißt man die rechtliche Grundlage des Gedankengangs. Die Kanzlei bezieht sich jedenfalls auf den Bereich: "ganz oder Teile daraus, ohne Einwilligung der Unterlassungsgläubigerin öffentlich zugänglich zu machen und/oder öffentlich zugänglich machen zu lassen".
Nun gibt es zwar in der Historie der "Modifizierten Unterlassungserklärung" allerhand Verwirrspiele. Noch heute und dies seit dem September 2009 versuchen die am Gerichtstand München operierenden Kanzleien aus den abgegebenen "modUEs" von Beklagten Schuldeingeständnisse zu lesen. Dies jedoch stets erfolglos. Eine tatsächliche richterliche Bewertung fehlt vollständig.
Rechtslage
Der BGH sollte im Urteil vom 12.05.2010, Az.: I ZR 121/08 einen Fall bewerten, in dem keine Unterlassung erklärt wurde. Es ist daher schon fraglich, ob die dargestellten Kriterien sich auf den Zeitpunkt nach dem Erhalt einer urheberrechtlichen Abmahnung beziehen.
Für diesen Zeitpunkt gilt in ständiger Rechtsprechung des BGH für den Wegfall der Wiederholungsgefahr:
"Eine durch ein angemessenes
Vertragsstrafeversprechen abgesicherte Unterlassungserklärung muß,
um die aufgrund einer konkreten Verletzungshandlung zu vermutende
Wiederholungsgefahr auszuräumen, eindeutig und hinreichend bestimmt
sein und den ernstlichen Willen des Schuldners erkennen lassen, die
fragliche Handlung nicht (mehr) zu begehen. Sie muß daher
grundsätzlich den bestehenden gesetzlichen Unterlassungsanspruch
nach Inhalt und Umfang voll abdecken und dementsprechend
uneingeschränkt, unwiderruflich, unbedingt und grundsätzlich auch
ohne die Angabe eines Endtermins erfolgen." (verständliches Beispiel aus BGH, Urteil vom 31. 5. 2001 - I ZR
82/99).
Die konkrete Verletzungshandlung bei einem rechtswidrigen Angebot in einer Tauschbörse bezieht sich nicht allein, aber vornehmlich auf den § 19a UrhG. Der Passus in der "modUE" konkretisiert insofern die aufgrund einer konkreten Verletzungshandlung zu vermutende Wiederholungsgefahr.
Im zweiten Schritt muss bedacht werden, gegen wen sich der vorgebrachte Anspruch auf Unterlassung wendet: Es ist ein Internetanschlussinhaber, der nach einer Abmahnung sowohl als Täter, Teilnehmer, Störer in Frage kommt, der aber auch unberechtigt in Anspruch genommen worden ist. Es war und ist also wichtig eine Bemusterung für die vier möglichen Kategorien anzubieten. Selbstverständlich würde man einem unberechtigt Abgemahnten empfehlen keine Unterlassung zu erklären. Im öffentlichen Raum gebietet sich das nicht, da "man" weder über die notwendige Qualifikation (§ 6 RDG), noch die notwendigen Daten zur Einschätzung eines Einzelfalls verfügt.
Hierbei wurde für die Bereiche "Teilnehmer, Störer, unberechtigt Abgemahnter" der Passus "oder öffentlich zugänglich machen zu lassen" eingefügt. Nun schwebt also die Diskussion, ob sich der Passus tatsächlich auch einen Störer beziehen kann. Als Argumentation wurde hierbei das Eingangs erwähnte Urteil des BGH vom 12.05.2010 (sehr unprofessionell) in Feld geführt. Eine neuere Stimme bringt eine ganz andere Argumentationslinie ins Spiel, die hier verkürzt wieder gegeben wird: Die Abgabe einer "modifizierten Unterassungserklärung" bedeute für den Unterlassungsgläubiger aufgrund der Tatsache, dass sie sich nicht auf Störereigenschaften beziehe, eine nicht hinnehmbare Unsicherheit. Diese Unsicherheit bestünde in der Möglichkeit des Unterlassungsschuldners sich gegen die Verwirkung der ausgelobten Vertragsstrafe zu wenden. Dies mit dem Einwand "er habe ja nur eine Erklärung als Täter/Teilnehmer) abgegeben. Für die Unterlassungsgläubiger (sic) sei somit die Wiederholungsgefahr nicht entfallen. Man könne sogar davon ausgehen, dass Personen, die eine "mod UE" ohne weitere "Klärung" gerichtlich auf Unterlassung in Anspruch genommen werden würden. Starker Tobak, also.
Nun... ein Instanzgericht ist ein Instanzgericht. Wir haben bereits einige Entscheidungen zum Thema "Unterlassungserklärungen" erlebt, die sehr erstaunlich waren, sich aber nicht um die "modUE" drehten. Hier kann keiner - nochmal: keiner - prognostizieren, wie sich ein OLG in Köln oder Hamburg dazu stellt, auch wenn diese wie auch das OLG Hamm verstärkt beim Thema Abmahnungen in Richtung Abgemahnten tendieren. Das Urteil des BGH ist insofern wenig hilfreich. Wir haben aber kein anderes.
Der BGH, sofern man annimmt, man könne die Kriterien hier übertragen spricht: "Wird ein geschütztes Werk der
Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum
fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so
spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person
für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre
Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere
Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. OLG Köln MMR 2010,
44, 45; GRUR-RR 2010, 173, 174)." Schon hier bricht die obige Argementationslinie in sich zusammen, da in den Verweisen auf die Kölner Rechtsprechung gerade deutlich wird, dass es dem dortigen Verfügungsbeklagten nicht gelang glaubhaft zu machen, ein unbefugter Dritter habe die Rechtsverletzung begangen. Er sei zumindest als Störer zu belangen.Der BGH spricht hier schon nicht von Täter/Teilnehmer, sondern er spricht von einer "Person, die für die Rechtsverletzung verantwortlich ist.", oder auf "raschdeutsch": eine Person, die"die Begehung der streitgegenständlichen Rechtsverletzung ermöglicht hat", und auf "modUE"-Deutsch: eine Person, die das Werk "öffentlich hat zugänglich machen lassen".
Im folgenden führt der BGH aus: "a) Als Störer kann bei der Verletzung
absoluter Rechte auf Unterlassung in Anspruch genommen werden, wer -
ohne Täter oder Teilnehmer zu sein - in irgendeiner Weise
willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten
Rechts beiträgt."
Eben hier korresponidert der Passus in der modUE vollständig: "in irgend einer Weise". Es spielt keine Rolle, ob die Verletzung von Prüf- und Sorgfaltspflichten durch ein ungesichertes W-LAN, mangelnde Überwachung von Nutzungsberechtigten des Anschlusses vorliegt. Sobald "in irgend einer Weise" willentlich und adäqut kausal zur Rechtsverletzung beigetragen wurde kann man als Störer in Anspruch genommen werden. Insofern kann sich auch ein "Musterprodukt" nur auf diese vielfältigen Möglichkeiten beziehen.
Der "Vertragsstrafen-Einwand" ist insofern nicht gegeben, da sich die Erklärung a) gerade auf die möglichen Störereigenschaften bezieht und b) vollständig konform mit den Kriterien des BGH steht.
Die Konretisierung des BGH in Bezug auf "Verkehssicherungspflichten" im Bereich "offenes W-LAN" hat im bemusterten Produkt schlicht nichts zu suchen. Würde man alle Möglichkeiten in einem Muster aufnehmen, müßte man Erkläungen im Buchformat abgeben. Das Wichtige bei der Abgabe einer UE ist eben nicht eine alle Lebenslagen abdeckende schriftstellerische Leistung, sondern ausschließlich die ... oben ausgeführt ... der Bezug zu der konkreten Verletzungsform, der Verletzung des § 19a UrhG.
Auch der Bereich zur Anpassung des konkreten Unterlassungsantrags im Urteil des BGH ist hier unbeachtlich, da die Wiederholungsgefahr mit der Abgabe einer Unterlassungserklärung bereits entfallen ist. Ein offensichtlich falscher Antrag, der sich wie im BGH-Verfahren allein auf eine rein täterschaftliche Handlung des Beklagten bezieht liegt weder im Bereich der Rasch-Abmahnungen selbst vor, noch beantwortet die modUE den Unterlassungsanspruch auf diesem Niveau.
In den einschlägig bekannten Verfahren, in denen "Modifizierte Unterlassungserklärungen" eine Rolle spielten (und das sind mittlerweile hunderte) heißt es daher auch bei jeder Instanz (AG, LG, OLG) nur lapidar: "hat eine strafbewehrte Unterlassungserklärung abgegeben".
Abschließend mache ich mir gerne mal den Kopf eines Abmahners: Kann ich die Vertragsstrafe denn nun bei einem weiteren Verstoß nach Abgabe einer Unterlassungserklärung auf dem selben Werk nun ziehen, oder nicht? Genau hier liegt der Hase im Pfeffer der Argumentationen: Es tritt nichts anderes ein, als der Vorgang der schon beschrieben wurde: "Wird ein geschütztes Werk der
Öffentlichkeit von einer IP-Adresse aus zugänglich gemacht, die zum
fraglichen Zeitpunkt einer bestimmten Person zugeteilt ist, so
spricht zwar eine tatsächliche Vermutung dafür, dass diese Person
für die Rechtsverletzung verantwortlich ist. Daraus ergibt sich eine sekundäre
Darlegungslast des Anschlussinhabers, der geltend macht, eine andere
Person habe die Rechtsverletzung begangen (vgl. OLG Köln MMR 2010,
44, 45; GRUR-RR 2010, 173, 174)."
Allein derjenige, welcher beweisen kann, dass er unberechtigt abgemahnt wurde und der beweisen kann, dass er unberechtigt eines Verstoßes gegen die Unterlassungserklärung bezichtigt wird kann Einwände gegen die gegen ihn nun vorgebrachte Vertragsstrafenforderung vorbringen. Ist er allein schon als Störer verantwortlich und hat er eine Unterlassungserklärung abgegeben wird ihn kein Gericht dieser Abmahnwelt von der Vertragsstrafe entbinden. Ich lasse mich wie immer und jederzeit durch die Vorlage von Urteilen und Beschlüssen eines Besseren belehren.
Das Argument ist zudem überaus fragwürdig, denn derzeit sind Fälle bekannt, die erst fast nach 2,5 Jahren die Annahme der "modUE" erhielten. Ein Rechteinhaber, der freiwillig auf die Geltendmachung einer Vertragsstrafe verzichtet, in dem er es nicht schafft eine Annahmeerklärung zu versenden, hat plötzlich Angst um seine Vertragsstrafe und bezieht sich eventuell (ich weiß nicht auf was man sich bezieht, es ist keine Rechtsgrundlage angegeben) auf den BGH von vor zwei Jahren?
Fazit
Ich sehe hier angesichts der Sach- und Rechtslagen keinen Anlass "Ergänzungen" jeder Art zu empfehlen. Ich weiß natürlich, dass der aktuelle Passus der "modUE", der nicht von mir stammt etwas unglücklich daher kommt und konkreter sein könnte. Richtiger wäre sicherlich "und/oder in irgendeiner Weise
willentlich und adäquat kausal zur Verletzung des geschützten
Rechts beizutragen". Ich sehe aber nur zig Urteile und Beschlüsse in der die "modifizierte Unterlassungserklärung" (wichtig! nach erfogltem Vortrag -sekundäre Darlegungslast-) als vollständig ausreichend durch Gerichte bewertet wurde, um die Wiederholungsgefahr entfallen zu lassen. Es gibt auch keine mir bekannten prozessualen Forderungen UEs dem Verfahrensverlauf anzupassen. Und der BGH bewertet jemanden, der keine Unterlassung erklärt hat.
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