Aus dem Urteil des BGH vom 17.09.2009, Az: Xa ZR 2/08 können heute auch für Filesharing-Abgemahnte interessante Punkte besprochen werden.
Der erste Punkt betrifft die allgemein auftretende Falschmeinung, man könne die wettbewerbsrechtlichen Urteile des BGH nicht auf Filesharing übertragen. [Zuletzt mal wieder hier geäußert.] Der BGH urteilt hierzu [red.k.]: "aa) Für das Markenrecht unterscheidet der I. Zivilsenat des Bundesgerichtshofs wie folgt: Eine Haftung auf Unterlassung und Beseitigung einer Markenrechtsverletzung im Sinne des § 14 MarkenG komme nur für den Täter oder Teilnehmer dieser Markenrechtsverletzung in Betracht. Wer hingegen willentlich und adäquat kausal zur Schutzrechtsverletzung beitrage, ohne Täter oder Teilnehmer zu sein, könne nur als Störer auf Unterlassung oder Beseitigung in entsprechender Anwendung des § 1004 BGB in Anspruch genommen werden. Um die Störerhaftung nicht über Gebühr auf Dritte zu erstrecken, die nicht selbst die rechtswidrige Beeinträchtigung vorgenommen haben, setze die Haftung als Störer die Verletzung von Prüfpflichten voraus, deren Umfang im Einzelfall nach Zumutbarkeitskriterien zu bestimmen sei Ebenso entscheidet der I. Zivilsenat für das Urheber- und Geschmacksmusterrecht. Dementsprechend werden teilweise auch für das Patentrecht die von der Rechtsprechung zum Marken- und Urheberrecht entwickelten Grundsätze herangezogen und zwischen der deliktsrechtlich begründeten Haftung von Tätern und Teilnehmern einerseits und der Störerhaftung analog § 1004 BGB andererseits unterschieden."
Grundsätze zum Markenrecht und Urheberrecht.
Der zweite Punkt, das als BGH-Halzband bekannte Urteil des BGH vom 11.03.2009 selbst. Dieses wurde bereits durch das LG Düsseldorf und das LG Frankfurt als übertragbar auf Filesharing-Fälle angesehen, während das AG Frankfurt diese Übertragbarkeit jüngst wiederum ablehnte. Der BGH urteilt [red.k.]: "In der Sache ähnlich hat der I. Zivilsenat kürzlich in einem Urteil vom 11. März 2009 (I ZR 114/06, GRUR 2009, 597 - Halzband, für BGHZ vorgesehen) als Täter einer Markenverletzung denjenigen angesehen, der als Inhaber eines Mitgliedskontos bei der Internetplattform eBay eine Schutzrechtsverletzung dadurch ermöglicht hat, dass er seine persönlichen Zugangsdaten nicht hinreichend vor dem Zugriff durch seine Ehefrau gesichert hat. Der I. Zivilsenat hat hierin einen eigenen, gegenüber den eingeführten Grundsätzen der Störerhaftung und den gegebenenfalls bestehenden Verkehrspflichten im Bereich des Wettbewerbsrechts selbständigen Zurechnungsgrund gefunden (aaO Tz. 16)."
In der Sache ähnlich bedeutet: "Er [Senat X, BGH] hat damit dem Umstand Rechnung getragen, dass die Täterschaft bei einem Fahrlässigkeitsdelikt keine Tatherrschaft voraussetzt, der für die Fahrlässigkeitsdelikte geltende einheitliche Täterbegriff eine Unterscheidung zwischen Täter und Gehilfen vielmehr entbehrlich macht." Man legt hier "grundsätzlich jede vorwerfbare Verursachung der Rechtsverletzung einschließlich der ungenügenden Vorsorge gegen solche Verstöße" als Kriterium fest. In diesem Sinne muß sich also auch ein Internetanschluß-Inhaber über dessen Anschluß eine Rechtsverletzung begangen wurde bewerten lassen. Wie nun aber das AG Frankfurt lapidar fest gestellt hat, wäre ein durch Zeugenaussagen belegter ausgeschalteter Computer zum Tatzeitpunkt eine genügende Vorsorge. Zudem existeren ausreichende Schutzmechanismen um einen unberechtigten Zugriff auf ein W-LAN-Netzwerk zu verhindern. Dass dies jedoch auch für "offene W-LANe" gelten könne, wie das OLG Frankfurt urteilte wird in der Bewertung die durch das BGH im ersten Halbjahr 2010 vorgenommen wird hochwahrscheinlich abgelehnt werden, da ... ein Offenes W-LAN keine genügende Vorsorge darstellt.
Der BGH urteilt im weiteren: "dd) Diese im Einzelnen unterschiedlichen rechtlichen Erwägungen stimmen im Ergebnis darin überein, dass unvorsätzliches Handeln die Verantwor-tung für die unterstützte, von einem Dritten begangene Schutzrechtsverletzung nicht ausschließt, andererseits der Mitverursachungsbeitrag allein zur Begründung der Verantwortlichkeit nicht ausreicht, die Zurechnung der fremden Schutzrechtsverletzung vielmehr einer zusätzlichen Rechtfertigung bedarf. Sie besteht in der Regel in der Verletzung einer Rechtspflicht, die jedenfalls auch dem Schutz des verletzten absoluten Rechts dient und bei deren Beachtung der Mitverursachungsbeitrag entfallen oder jedenfalls als verbotener und daher zu unterlassender Beitrag des Handelnden zu der rechtswidrigen Handlung eines Dritten erkennbar gewesen wäre."
Die praktischen Beispiele in der Folge sind sehr erhellend: Wer einem Verletzer "Gewerberäume" [Haushaltsmitglieder] überlassen hat, oder die Stromzufuhr bereit stellt und bezahlt ist natürlich nicht haftbar für die Verletzung. Die Haftung im Einzelfall hat ihre Grenzen und kann nicht uferlos sich auf alle möglichen Beteiligten an der Verletzung ausdehnen. Daher kann auch und selbst ein Internet-Anschlußinhaber trotzt der möglichen Übertragbarkeit der Grundsätze des BGH-Halzbandurteils geltend machen nicht haftbar zu sein, was die Übertragbarkeit im Einzelfall logischer Weise nicht mehr möglich macht. Weder existiert eine generelle Haftung, noch das Gegenteil, eine generelle Nichtübertragbarkeit.
Der Dritte Punkt geht in der Nachbetrachtung an das AG Frankfurt. Dieses hatte am 09.12.2008 uA über die prozessualen Folgen des § 138 ZPO zu urteilen, was auf schwere Kritik meinerseits gestoßen ist. Das Urteil wurde zudem in der Klagewelle an diesem Standort hernach durch die Klägerin stets als wesentlicher Baustein der Klagebegründungen verwendet. Auszug: "Als unstreitig muss gem. §138 Abs. 3 ZPO der Entscheidung zugrunde gelegt werden, dass die Beklagte den streitgegenständlichen Musiktitel am 19.08.2007 um 17:38:25 MEZ unter der IP-Adresse (…) über ein Filesharing-System öffentlich zugänglich machte, obwohl ihr dieses Recht nicht zustand, § 85 Abs. 1 UrhG. Soweit die Beklagte das öffentliche Anbieten und die Inhaberschaft der IP-Adresse mit Nichtwissen bestreitet, ist dies ein unzulässiges Bestreiten, da es sich um Tatsachen handelt, die Gegenstand eigener Handlungen und Wahrnehmungen der Beklagten waren, zumindest wäre der Beklagten die Wahrnehmung möglich gewesen."
Der BGH stellt eindeutig klar, dass wie von mir von Beginn an vermutet das Bestreiten einer Inhaberschaft einer IP-Adresse mit Nichtwissen zulässig ist. ["Die für ein qualifiziertes Bestreiten erforderlichen Kenntnisse konnte sie sich allenfalls beschaffen. Eine solche prozessuale Informationsbeschaffungspflicht einer Partei wird für Vorgänge aus dem eigenen Geschäfts- oder Verantwortungsbereich angenommen, d.h. eine Partei ist prozessual verpflichtet, notwendige Informationen in ihrem Unternehmen und von Personen einzuholen, die unter ihrer Anleitung, Aufsicht oder Verantwortung tätig sind."
Zum praktischen Nutzen für die Abgemahnten. Viele Kanzleien verwenden in Bezug auf die "Darlegungslasten" gerne den Hinweis in der Abmahnung: "Ihr Provider ist verpflichtet uns sorgfältig Auskunft [Anschlußinhaberadresse der IP zum angeblichen Tatzeitpunkt] zu erteilen, bitte wenden Sie sich an ihn, wenn Sie die Auskunft für falsch halten." [Orginalzitat Westphalen] Diese Auslegung der prozessualen Informationsbeschaffungspflicht ist zurück zu weisen. Der BGH urteilt: "Grundsätzlich hat im Verletzungsprozess der Kläger alle anspruchsbegründenden Sachverhaltselemente darzulegen, also auch die Tatsachen, in denen die Benutzung des geschützten Gegenstands besteht." Für den Auschluß von Fehler ist nicht der Abgemahnte darlegungspflichtig, sondern allein der Abmahner, der sich wiederum wie im unteren post erwähnt hierbei nicht auf seine "Werbebroschüren" stützen kann. Zudem sind teils richterlich geäußerte Ansichten, man müsse ein unabhängiges Gutachten über den möglichen Fehler [hier der Telekom] für "6000€" in einem Amtsgerichtsprozeß durchführen nicht auf den Beklagten abzuwälzen. Generell ist die Sicherheit der Übertragungen und der Inhalt der Daten allein Sache des Klägers. Legt der Kläger diese Sicherheit nicht nicht ausreichend dar, hat er allein seiner Pflicht nicht genüge getan. Stehen also wie im Urteil des AG Frankfurt vom 12.08.2009 fest gestellt die Tatsachen des Beklagten, die er im Rahmen seiner Darlegungslast glaubhaft zu machen hat nach der richterlichen Meinung fest, sind Zwangsgelder in Form unnützer Gutachten, die eine "Beweisnot" des Klägers übertünchen sollen anzulehnen. [Sag nicht ich, sagt die Ableitung des BGH-Urteils.]
Mittwoch, 30. September 2009
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