Montag, 20. Februar 2012

Amtsgericht München, Az. 142 C 10921/11 Urteil vom 15.2.2012 - Teil II

Dieser Beitrag stellt in den vorgestellten Kritikpunkten allein die Meinung des Autors dar.

In dem heutigen Update beschäftigt uns das Thema des Ablauf des Verfahrens und die Kostenbelastung für den Beklagten.

Vor und in der mündlichen Verhandlung im Oktober 2011 hatten sowohl die Anwälte der Musikindustriellen, als auch die Richterschaft, trotz eindeutiger Beweislage dem Beklagten die Tathandlung in die Schuhe zu schieben. Es wurde gerügt, dass die Ausführungen zu einem von drei fraglichen Tatzeitpunkten, einem Sonntag nicht ausreichend substantiiert seien. Nun ist dies schon unlogisch, denn der Beklagte hatte für zwei weitere Tatzeitpunkte ein "lückenloses Alibi". Dieses "Alibi" in Form von relevanten Arbeitsnachweisen wurde von der Prozeßgegnerschaft als "gefälscht" hingestellt. Die halbstündige ZumVergleichsprügelei half aber nichts. Der Beklagte verweigerte sich. Die Richterschaft tendierte zu einem vollständigen negativen Urteil.

Kurz danach konnte er jedoch glücklicherweise alte Belege aus dem Jahr 2007 eines Baumarktes auffinden, die ihn an zwei Zeugen erinnerten, die an fraglichem unsubstantiiert vorgetragenen Tag mit ihm die Wohnung tapezierten. Die Gegenseite reagierte in Schriftsätzen erbost (gelinde gesagt).

Der Richter hingegen setzte kurzer Hand eine Beweisaufnahme an. In dieser sollten vier Zeugen gehört werden.
1. Die Ehefrau des Beklagten. Zur Erinnerung: Der eigentliche Täter, ein mittlerweile unbekannt verzogener ehemaliger Mieter war durch den Beklagten zum Zeitpunkt der Abmahnungen noch auffindbar. Die Ehefrau hatte die telefoischen "Verhandlungen" mit dem Täter geführt.
2. Zwei Zeugen, die den Termin "Tapezieren" bestätigen konnten wurden aus Raum Aschaffenburg geladen. Darüber mag man sich nun schon streiten.
3. Die Ladung einer Zeugin aber belegt nur, dass Filesharingverfahren an manchen Gerichten eben nichts mehr mit "Zivilrecht" zu tun haben. Das Gericht lud die Chefin des Beklagten, da ja allen Ernstes im Raum stand, er habe Arbeitszeitnachweise gefälscht.

Ein weiterer Kritikpunkt ist es, dass die Gegenseite zwar allerhand Versicherungen und Zeugen anbot, aber faktisch nichts ausser widersprüchlichen Belegen und den Daten der Auskunftsverfahren vorlegen musste.

Nach der Zeugenvernahme wurde nochmals unüblicher Weise über eine Viertelstunde ein Vergleich diskutiert. Der Richter zeigte sich nun plötzlich unentschlossen. Er musste aber letztlich nach der Beweisaufnahme dem Beklagten ein günstiges Urteil ausstellen. Wie noch gezeigt werden wird (Volltext) hat der Beklagte als Vermieter dem Mieter über die Internetnutzung eine schriftliche Anweisung bezüglich illegaler Aktivitäten an den Mietvertrag geheftet. Letztlich ein mitentscheidender Punkt.

Zur Kostenbelastung

Hätte der Beklagte verloren, wären ihm folgende Kosten allein in der ersten Instanz erwachsen:

1. Gegenstandwert = 1.728,00€
2. Rechtsanwaltskosten = 771,97€ nach RVG
3. Gerichtskosten = 219,00€
4. Zeugengelder = 1.600,00€ nach Vorschuss
5. Reisekosten = ca. 600,00€ (incl. Übernachtungskosten von 4 Personen)

Summe = 4.918,97€

Die Strategie den Beklagten finanziell mit ruinösen Kostenexplosionen in einen Vergleich zu treiben ging nicht auf.

1 Kommentar:

  1. Herzlichen Glückwunsch zum tapferen Durchhalte-Vermögen und zur engagierten Beweisführung: In Filesharing-Fällen hilft wirklich nur versierte und nachhaltige Analyse der relevanten Lebens-Sachverhalte und Beweis-Möglichkeiten sowie darauf aufbauende substantiierte und stringente Darlegung und Argumentation unter Einbindung der technisch und rechtlich relevanten Details. Nicht mit Allgemeinplätzen und Worthülsen abspeisen lassen und Waffengleichheit einfordern und herstellen.
    Ich freue mich sehr über den errungenen Erfolg. "Sogar" beim Amtsgericht München ist (auch nach meiner Erfahrung) prozessual nach Filesharing-Abmahnung und -Klage mehr zu erreichen und mehr drin, als manche glauben ;-)

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